Die Studie untersucht die Rolle von Wirtschaftsauskunfteien bei der Kreditvergabe und deren Einfluss auf den Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten. Sie gibt Empfehlungen zur Verbesserung der Transparenz und Datenqualität, um eine gerechtere finanzielle Teilhabe zu ermöglichen.
- Ca. 6 Prozent der Kreditablehnungen sind nach Schätzungen von Banken und Onlinehändlern ungerechtfertigt
- Die Rolle der Wirtschaftsauskunfteien bei der Kreditentscheidung variiert
- Mangelnde Transparenz verstärkt das Problem der ungerechtfertigten Kreditablehnung
Standardisierung führt dazu, dass es für Verbraucher:innen schwer ersichtlich ist, ob die Kreditablehnung durch falsche oder wenig aussagekräftige Informationen ausgelöst wurde. Als Informationslieferanten können die Wirtschaftsauskunfteien vor allem durch eine stärkere Differenzierung und Transparenz der über die Verbraucher:innen übermittelten Informationen dazu beitragen, dies zu verhindern.
Die ungerechtfertigte Verweigerung von Krediten ist sowohl für Kreditanbieter als auch für Verbraucher:innen ein Problem. Das iff hat im Rahmen eines Forschungsprojekts 100 Banken und Onlinehändler hierzu befragt. Im Fokus der Analyse steht dabei die Rolle von Wirtschaftsauskunfteien und deren potenzieller Beitrag zur Verhinderung solcher Fälle, um eine verantwortungsvolle finanzielle Teilhabe am Kreditmarkt zu ermöglichen.
Vor allem junge und eingewanderte Menschen können von ungerechtfertigten Kreditablehnungen betroffen sein.
Im Bericht werden typische Fälle ungerechtfertigter Kreditablehnungen identifiziert. Klassische Ursachen sind fehlende Kredithistorie, z. B. bei jungen und eingewanderten Menschen sowie fehlerhafte Informationen, z. B. wenn eine bereits beglichene Rechnung als Zahlungsausfall eingetragen wird. Ein weiteres Beispiel sind besondere Aus-nahmesituationen, die zu Zahlungsausfällen führen, aber keine Aussagekraft bezüglich eines zukünftigen Zahlungsverhaltens haben, wie ein Zahlungsausfall aufgrund eines längeren Krankenhausaufenthalts.
Die Rolle der Wirtschaftsauskunfteien bei einer Kreditentscheidung variiert stark zwischen Kreditgebern.
Eine zentrale Frage ist, inwieweit Wirtschaftsauskunfteien durch die Bereitstellung relevanter Daten den Entscheidungsprozess bei Banken und Onlinehändlern unterstützen können. Ausweislich der Umfrage fragen 98 Prozent der befragten Kreditinstitute und 94 Prozent der befragten Onlinehändler für die Kreditentscheidung Informationen bei mindestens einer Wirtschaftsauskunftei ab. Die Studie zeigt jedoch, dass die Bede-tung der von Auskunfteien gelieferten Informationen für die Kreditentscheidung je nach Finanzierungsanbieter stark variiert: Das ist davon abhängig, wie bekannt die beantragende Person den Kreditentscheidern ist. Handelt es sich um Bankkund:innen, die bei ihrer Bank einen Kredit anfragen, ist die Information der Auskunftei weniger relevant, als wenn der Kunde dem Onlinehändler kaum bekannt ist. Außerdem beein-flusst eine Information zu einem Zahlungsausfall die Kreditentscheidung stärker als dies der Bonitätsscore tut.
Fehlerhafte Einträge oder mangelnde Differenzierung bei der Bewertung dieser Merkmale können ungerechtfertigt zum Ausschluss vom Kreditmarkt führen.
Im Rahmen dieser Studie teilte die SCHUFA mit, dass sich 31 Prozent der Einzelanliegen im Jahr 2023 auf Negativmerkmale bezogen. Davon waren 15 Prozent der Beschwerden berechtigt, d. h. die SCHUFA habe den Datenbestand korrigiert. Dies zeigt zum einen das Resultat des Beschwerdemanagements der SCHUFA und zum anderen die Bedeutung von Transparenz zur Vermeidung von unberechtigten Kreditablehnungen. Unternehmen müssen Verbraucher:innen rechtzeitig über Einträge informieren, sodass diese die Möglichkeit erhalten, fehlerhafte Einträge korrigieren zu können. Wirtschaftsauskunfteien sollten Verbraucher:innen kostenlosen Zugang zu über sie gespeicherten Daten, darunter auch zu den Negativmerkmalen, ermöglichen.
Unternehmen, die Daten an die Wirtschaftsauskunfteien übermitteln, spielen eine wichtige Rolle bei der Sicherstellung der Datenqualität. Die Unternehmen sollten für fehlerhafte Negativeinträge, z. B. durch die Aufnahme einer Vertragsstrafe in die Verträge zwischen Wirtschaftsauskunfteien und ihnen, sensibilisiert werden. Zusätzlich bedarf es bei Negativeinträgen strengerer Kontrollmechanismen seitens der Wirtschaftsauskunfteien.
Die Prognose zum Rückzahlungsverhalten kann durch zusätzliche Daten verbessert werden.
Fehlende Daten, beispielsweise durch eine fehlende Zahlungshistorie, können zu Zu-gangsbarrieren führen, die durch die freiwillige Bereitstellung von Positivmerkmalen durch Verbraucher:innen reduziert werden können. Davon betroffen sind junge bzw. ältere Menschen, die wirtschaftlich (noch) inaktiv sind, oder auch Eingewanderte, de-ren wirtschaftliche Aktivität in Deutschland noch am Anfang steht. In diesen Fällen ist die Offenlegung von Positivdaten durch die Verbraucher:innen zu empfehlen.
Allerdings steht eine allgemeine Möglichkeit zum unbeschränkten Kontoblick für Wirt-schaftsauskunfteien nicht mit den datenschutzrechtlichen Grundsätzen der Zweckbin-dung und der Datenminimierung im Einklang. Der Kontoeinblick sollte weiterhin nur durch Kreditinstitute erfolgen.
Der Bonitätsscore benachteiligt Verbrauchergruppen, die vom Durchschnitt abweichen.
Ein weiteres Problemfeld stellen die Bonitätsscores der Wirtschaftsauskunfteien dar, die auf Durchschnittsverhalten basieren und für Verbraucher:innen auf individueller Ebene zu Fehlprognosen führen können. Der Bericht empfiehlt daher, die Kriterien, die zur Berechnung eines Scores führen, offenzulegen und Maßnahmen zu ergreifen, um systematische Benachteiligungen bestimmter Personengruppen zu vermeiden. Eine wesentliche Empfehlung hierfür ist die Segmentierung des Prognosemodells für ver-schiedenen Personengruppen bzw. nach verschiedenen Lebensphasen. Es sollte analy-siert werden, inwiefern die Segmentierung des Prognosemodells die statistische Fair-ness verbessert und damit Personengruppen, die im derzeitigen – für alle Personen angewandten – Prognosemodell benachteiligt sind, einen verantwortlichen Zugang zu Finanzierung ermöglicht. Gegebenenfalls braucht es hierfür zusätzlicher Informationen über Verbraucher:innen. Dies würde auch im Einklang mit dem allgemeinen Gleichheitsprinzip stehen, wenn mit der Erhebung von alternativen Daten Diskriminierung oder false negatives verhindert werden sollen. Im Ergebnis „führt das Schubladen-Denken zur ungerechtfertigten Verweigerung von Krediten“, so Dr. Hanne Roggemann.
Über den Bericht
Der Bericht untersucht die Rolle von Wirtschaftsauskunfteien bei der Kreditvergabe und deren Einfluss auf den Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten. Er beleuchtet Risi-ken und Chancen im Zusammenhang mit der Informationsbereitstellung und gibt Empfehlungen zur Verbesserung der Transparenz und Datenqualität, um eine gerechtere finanzielle Teilhabe zu ermöglichen. Finanziert wurde das Forschungsprojekt von der SCHUFA Holding AG. Für den Bericht wurden die geltende Rechtslage, Literatur und Daten inhaltsanalytisch ausgewertet. Es wurden Interviews mit Wirtschaftsauskunfteien, Kreditwirtschaft, Onlinehandel und mit Expert:innen aus Verbraucherschutz, Schuldnerberatung und Wirtschaftsinformatik sowie mit Rechtsanwält:innen geführt. Zudem erfolgte eine Umfrage mit 50 Kreditinstituten und 50 Onlinehändlern, um quantitative Daten über den Zugang zum Konsumentenkredit und zu kreditähnlichen Finanzierungsmöglichkeiten, zur Rolle der Wirtschaftsauskunfteien sowie personenbezogener Daten zu erheben.
Über das iff
Das institut für finanzdienstleistungen e.V. (iff) leistet mit Forschung und Beratung einen wichtigen Beitrag zu einem sozial verantwortlichen Finanzsystem und einer fairen Teilhabe. Das iff setzt sich seit seiner Gründung für den Zugang zu Finanzdienstleistungen ein und konzentriert sich vor allem auf finanziell verletzliche Verbraucher:innen. Auftraggeber sind Verbraucherorganisationen, Regierungsstellen, Verbände, Stiftungen, politische Akteure und Finanzdienstleister.
MaAB - Medizin am Abend Berlin Fortbildungen VOR ORT
institut für finanzdienstleistungen e.V. (iff)
Dr. Hanne Roggemann | Wissenschaftliche Referentin
Fon: +49 (0)40 30 96 91 - 24
E-Mail: hanne.roggemann@iff-hamburg.de
Internet: www.iff-hamburg.de
Originalpublikation:
https://www.iff-hamburg.de/bericht_iff_2024_finanzielle_teilhabe/
Weitere Informationen finden Sie unter
https://www.iff-hamburg.de/bericht-finanzielle-teilhabe/
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