Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Insulin steuert Recycling von Zellkraftwerken
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- Das Hormon Insulin kontrolliert viele zelluläre Vorgänge und passt sie an die Energieversorgung des Körpers an.
- Dass zu den Insulin-gesteuerten Vorgängen auch die Qualitätskontrolle von Zellkraftwerken in Nervenzellen zählt, fand ein Team um Angelika Harbauer am Max-Planck-Institut für biologische Intelligenz nun heraus.
- Ist im Körper ausreichend Energie vorhanden, vereinfacht Insulin den Abbau von fehlerhaften Kraftwerken.
- Ist Energie knapp oder das Insulinsignal gestört, wird das Recycling unterbunden und die Mitochondrien werden weitergenutzt.
Ein solcher Weiterbetrieb fehlerhafter Zellkraftwerke könnte sich auch auf Alterungsprozesse und neurologische Erkrankungen auswirken.
Bei aktivem Insulin-Signal werden Pink1-mRNA-Moleküle freigegeben, zur Herstellung des PINK1-Proteins genutzt und defekte Mitochondrien effizient recycelt. Ohne Insulin-Signal bleiben die mRNA-Moleküle gebunden, das Mitochondrien-Recycling wird reduziert.© Max-Planck-Institut für biologische Intelligenz / Tabitha Hees
Nervenzellen stellen besondere Anforderungen an ihre Energieversorgung.
Die weite Verzweigung der Zellen und ihr hoher Energiebedarf erfordern eine fein abgestimmte Steuerung der Zellkraftwerke in ihrem Inneren, den sogenannten Mitochondrien. Insbesondere in den langen Zellfortsätzen, den Axonen, müssen immer genügend funktionsfähige Mitochondrien vorhanden sein. Nur so können die Zellen die dort benötigte Energie für die Kommunikation mit ihren Nachbarn bereitstellen.
CAVE: Gilt auch bei der Wundversorgung und Wundheilung: Deshalb werden Mitochondrien auch bis an die
entlegensten Stellen der Nervenzellen transportiert.
Die vorangegangene Forschung von Angelika Harbauer konnte zeigen, dass
die Zellkraftwerke auf ihrer Reise durch die Nervenzellen den Bauplan
des für sie wichtigen Proteins PINK1 mitnehmen. „PINK1 ist ein
Schlüsselprotein, wenn es darum geht, nicht mehr korrekt funktionierende
Mitochondrien aus dem Verkehr zu ziehen“, erklärt die
Max-Planck-Forschungsgruppenleiterin.
„Es kann ausgediente Mitochondrien für das Recycling markieren und wird daher durch die Zellen genau reguliert.“
Ohne diese Regulierung könnte es leicht zu einer
Unterversorgung mit Mitochondrien kommen. Aber auch der Weiterbetrieb
defekter Zellkraftwerke kann einer Nervenzelle schaden.
Ein Hormon mit vielfältigen Aufgaben
Wie sich nun herausstellte, ist auch das Hormon Insulin in die
Qualitätskontrolle der Mitochondrien involviert. Insulin ist vorrangig
für seine Funktion bekannt, die Zuckeraufnahme durch Zellen zu
regulieren. Doch auch im Inneren der Zellen steuert das Hormon viele
Vorgänge. Mit Hilfe von Insulin können die Arbeitsabläufe in den Zellen
genau auf das momentane Energieangebot im Körper abgestimmt werden.
Im Falle des Mitochondrien-Recyclings funktioniert das folgendermaßen:
Ist genügend Energie vorhanden, wird ein Signal vom Insulinrezeptor auf
der Zelloberfläche zu den Mitochondrien weitergeleitet. Dort sind die
PINK1-Baupläne als mRNA-Moleküle zwischengelagert. Beim Eintreffen des
Insulinsignals werden sie freigegeben und die Zelle kann zusätzliches
PINK1-Protein herstellen. Dieses sorgt dafür, dass defekte Mitochondrien
effizient aussortiert werden. Herrscht hingegen Energieknappheit, oder
fehlt das Signal des Insulinrezeptors, werden die Baupläne für PINK1
fest an die Mitochondrien gebunden. Das ermöglicht einerseits den
Transport der Baupläne in die langen Zellfortsätze der Nervenzelle,
verringert aber andererseits auch die Verfügbarkeit für die
PINK1-Herstellung. Das Recycling von Mitochondrien wird verringert –
auch wenn das zum Weiterbetrieb von beschädigten Kraftwerken führen
kann.
„Wir hatten erwartet, dass die Bindung der mRNA-Moleküle an die
Mitochondrien die PINK1-Produktion begünstigt“, sagt Tabitha Hees,
Erstautorin der Studie. „Überraschenderweise ergaben unsere Experimente,
dass das nicht der Fall ist. Offenbar ist es bei Energieknappheit für
die Zellen günstiger, weniger PINK1 zu produzieren und möglicherweise
defekte Mitochondrien weiter zu nutzen.
Gestörte Signalübertragung: Implikationen bei Erkrankungen und Alterungsprozessen
Eine ähnliche Situation tritt ein, wenn die Signalübertragung vom
Insulinrezeptor zu den Mitochondrien aufgrund einer Erkrankung gestört
ist.
- Das passiert nicht nur bei Diabetes, sondern wurde im Gehirn auch in Verbindung mit Alzheimer-Erkrankungen beobachtet.
Zudem ist bekannt, dass eine ineffiziente Qualitätskontrolle der Mitochondrien zu verschiedenen neurodegenerativen Erkrankungen beitragen kann.
„Unsere
Beobachtungen fügen sich in unser immer besser werdendes Verständnis
ein, wie die zelluläre Energieversorgung, Alterungsprozesse und
Erkrankungen des Gehirns miteinander zusammenhängen“, sagt Angelika
Harbauer.
Im nächsten Schritt möchten die Forschenden untersuchen, was genau mit
den PINK1-Bauplänen passiert, sobald sie von den Mitochondrien in die
Zelle freigegeben wurden, um neues PINK1-Protein zu produzieren.
„Uns interessiert vor allem, wo die Produktion des PINK1-Proteins stattfindet, wenn nicht an den Mitochondrien, und wie das fertige Protein anschließend seinen Weg dorthin zurückfindet“, sagt Tabitha Hees.
Denn erst wenn mithilfe der mRNA-Moleküle funktionsfähiges PINK1-Protein entsteht, kann das Mitochondrien-Recycling beginnen.
Prof. Dr. Angelika Harbauer
Max-Planck-Forschungsgruppenleiterin
Max-Planck-Institut für biologische Intelligenz
E-Mail: angelika.harbauer@bi.mpg.de
Dr. Stefanie Merker Max-Planck-Institut für biologische Intelligenz
Am Klopferspitz 18
82152 Planegg-Martinsried
Deutschland
Bayern
Dr. Stefanie Merker
Telefon: 089 / 8578-3514
Fax: 089 / 89950-022
E-Mail-Adresse: stefanie.merker@bi.mpg.de
Telefon: +49 (0) 8157 932 421
E-Mail-Adresse: sabine.spehn@bi.mpg.de
Originalpublikation:
Insulin signaling regulates Pink1 mRNA localization via modulation of AMPK activity to support PINK1 function in neurons
J. Tabitha Hees, Simone Wanderoy, Jana Lindner, Marlena Helms, Hariharan Murali Mahadevan and Angelika B. Harbauer
Nature Metabolism, online 19 March 2024
DOI: 10.1038/s42255-024-01007-w
Weitere Informationen für international Medizin am Abend Berlin Beteiligte
https://www.bi.mpg.de/harbauer/de - Webseite der Forschungsgruppe
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