Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Multimorbidität bei Herzinsuffizienz
Zusammenhang mit Weltregionen und Einkommensniveaus in der globalen REPORT-HF Kohortenstudie
Umfassende globale Informationen über Prävalenz und klinische Folgen von
Multimorbidität bei akuter Herzinsuffizienz nach Weltregionen und
Einkommen gab es bisher nicht.
Eine neue Analyse aus der globalen REPORT-HF Studie demonstriert erstmals Zusammenhänge von Multimorbidität mit regionalen und länderspezifischen Unterschieden.
- In Ländern mit hohem Einkommen wie Deutschland oder USA ist Multimorbidität besonders weit verbreitet und geht mit höherer Sterblichkeit, weniger Verschreibung von Medikamenten gegen Herzinsuffizienz und häufigerer Verwendung potenziell schädlicher Therapien einher.
Prävalenz von Multimorbidität nach Weltregion und Einkommensniveau
beteiligter Länder in der REPORT-HF Kohortenstudie. (A) Weltkarte mit
der mittleren Anzahl Komorbiditäten pro Land. Weiß kennzeichnet sind
nicht an der Kohortenstudie beteiligte Länder. Elsevier © UKW published in The Lancet Global Health
Patientinnen und Patienten mit Herzinsuffizienz haben oft mehrere Begleiterkrankungen.
- Treten mehr als zwei Erkrankungen gleichzeitig auf spricht man von Multimorbidität.
Die Häufigkeit von
Multimorbidität bei akuter Herzinsuffizienz liegt zwischen 43 % und 98
%, variiert aber je nach geografischer Region. Frühere Berichte über die
Auswirkungen von Multimorbidität bei Herzinsuffizienz bezogen sich auf
eine begrenzte Anzahl von Ländern, vorwiegend aus Westeuropa, Asien und
Nordamerika oder basierten auf Populationen, die an klinischen Studien
teilnahmen, bei denen Patientinnen und Patienten mit Komorbiditäten wie
schwerer Niereninsuffizienz oder Krebs in der Regel ausgeschlossen
waren. In einer im November 2023 im Journal The Lancet Global Health
veröffentlichten Analyse unter der Leitung von Prof. Dr. Christiane
Angermann vom Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz Würzburg (DZHI) am
Uniklinikum Würzburg wurden erstmals weltweit die Häufigkeit von
Multimorbidität und ihre Auswirkungen auf die Arzneimitteltherapie und
die Prognose untersucht.
82 Prozent der Studienteilnehmenden waren multimorbide
Als Basis für die Analyse diente die Datenbank der prospektiven,
multizentrischen Kohortenstudie REPORT-HF (Registry to Assess Medical
Practice and Longitudinal Observation for Treatment of Heart Failure).
Im Rahmen von REPORT-HF wurden zwischen Juli 2014 und März 2017 in 358
Krankenhäusern aus 44 Ländern auf sechs Kontinenten 18 553 Patienten
rekrutiert. Die Dauer der Nachbeobachtung betrug ein Jahr. Dabei
benutzen Forschende aus Ägypten, Argentinien, Griechenland,
Großbritannien, den Niederlanden, Schweden, Singapur, Norwegen, den USA
und Zypern einen einheitlichen Erhebungsbogen. „Fast alle
Studienteilnehmende, nämlich 18 528 Patientinnen und Patienten, hatten
vollständige Daten zu ihren Komorbiditäten und wurden daher in die
Untersuchung einbezogen,“ berichtet Christiane Angermann. „Dabei waren
82 Prozent multimorbide, und wir haben die Länder nach Weltregionen und
Einkommensniveaus stratifiziert.“
Mehr Komorbiditäten erschweren die leitliniengerechte Pharmakotherapie
Die Prävalenzraten von Komorbidität waren mit 72 Prozent am niedrigsten
in Südostasien und mit 92 Prozent am höchsten in Nordamerika.
Patientinnen und Patienten aus Ländern mit niedrigem und mittlerem
Einkommen waren seltener multimorbide als Herzinsuffiziente aus Ländern
mit hohem Einkommen (73% gegenüber 85%, p<0,0001). Mit zunehmender
Multimorbidität erhielten die Betroffenen weniger leitliniengerechte
Herzinsuffizienz-Medikamente, dafür aber mehr Medikamente, die eine
Herzinsuffizienz verursachen oder verschlechtern können.
Multimorbidität verschlechtert die Prognose
In dieser Studie erwiesen sich Komorbiditäten bei Patientinnen und
Patienten, die wegen akuter Herzinsuffizienz in ein Krankenhaus
aufgenommen worden waren, als wichtige Prädiktoren, also
Vorhersagevariablen, für eine verminderte Lebensqualität, mehr
Krankenhausaufenthalte und eine schlechtere Prognose:
- Die Ein-Jahres-Mortalität stieg von 13 Prozent bei Herzinsuffizienten ohne Komorbiditäten bis auf 26 Prozent, wenn fünf oder mehr Komorbiditäten vorlagen.
Der populationsbezogene Anteil der Multimorbidität an der Sterblichkeit, die so genannte ‚population attributable fraction‘, war in Ländern mit hohem Einkommen höher als in Ländern mit mittlerem oder niedrigem Einkommen.
Mit 61 Prozent gegenüber 27 Prozent und 31 Prozent
hatten hier über die Hälfte aller Todesfälle mit Multimorbidität zu tun.
Ergebnisse unterstreichen systemischen Charakter der Herzinsuffizienz
und fordern einen multidisziplinären diagnostischen und therapeutischen
Ansatz
Die hohe Prävalenz und enorme prognostische Relevanz der Multimorbidität
bei herzinsuffizienten Patientinnen und Patienten aller Weltregionen
unterstreichen den systemischen Charakter dieses Syndroms und machen
deutlich, dass Komorbiditäten bei der Behandlung der Herzinsuffizienz
besondere Aufmerksamkeit verdienen.
„Multimorbide Patientinnen und Patienten, die eine Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz überlebt haben, sind nach dieser Analyse weltweit unterversorgt mit den lebensverlängernden Medikamenten, die von den internationalen Leitlinien zur Behandlung der Herzinsuffizienz empfohlen werden.
Einerseits wird die Therapie oft unterdosiert, besonders in einkommensschwachen Regionen.
- Andererseits werden- vor allem in Ländern mit hohem pro-Kopf-Einkommen mit zunehmender Multimorbidität Medikamente gegen diese Krankheiten verschrieben, die ihrerseits Herzinsuffizienz verursachen oder verschlimmern können,“ fasst Christiane Angermann zusammen.
„Unsere Ergebnisse machen deutlich, dass Herzinsuffizienz eine lebensgefährliche und komplexe Systemerkrankung ist, deren Behandlung Spezialwissen und einen fachübergreifenden Ansatz erfordert.
Multidisziplinäre Betreuungsteams könnten helfen, die medikamentöse Unter- und Fehlversorgung zu vermeiden und die miserable Prognose von Patientinnen und Patienten mit Herzinsuffizienz zu verbessern.“
Christiane Angermann, angermann_c(at)ukw.de
Kirstin Linkamp Universitätsklinikum Würzburg
Josef-Schneider-Str. 2
Haus D3
97080 Würzburg
Deutschland
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Susanne Just
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Fax: 0931/201-60 59447
E-Mail-Adresse: just_s@ukw.de
Originalpublikation:
Teresa Gerhardt, Louisa M S
Gerhardt, Wouter Ouwerkerk, Gregory A Roth, Kenneth Dickstein, Sean P
Collins, John G F Cleland, Ulf Dahlstrom, Wan Ting Tay, Georg Ertl,
Mahmoud Hassanein, Sergio V Perrone, Mathieu Ghadanfar, Anja Schweizer,
Achim Obergfell, Gerasimos Filippatos, Carolyn S P Lam, Jasper Tromp,
Christiane E Angermann, Multimorbidity in patients with acute heart
failure across world regions and country income levels (REPORT-HF): a
prospective, multicentre, global cohort study,
The Lancet Global Health, Volume 11, Issue 12, 2023, Pages e1874-e1884, ISSN 2214-109X, https://doi.org/10.1016/S2214-109X(23)00408-4
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