Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Diabetes beginnt im Gehirn – Neuste Forschungserkenntnisse beim DGE-Kongress
Mit einem Symposium "Hormonwirkung im Gehirn und sein Einfluss auf
den Körperstoffwechsel" ist das Deutsche Zentrum für Diabetesforschung
(DZD) auf dem derzeit in Baden-Baden stattfindenden 66. Kongress der
Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie vertreten. Die Forschenden
stellten ihre aktuellen Ergebnisse am 7. Juni, vor.
Das Gehirn bestimmt, ob der Stoffwechsel funktioniert.
- Reagiert es nicht empfindlich genug auf Insulin, nehmen Leber-, Fett- und Muskelgewebe zu wenig Glukose auf und der Blutzuckerspiegel steigt.
Gewichtszunahme und
Typ-2-Diabetes können die Folge sein. Im Deutschen Zentrum für
Diabetesforschung (DZD) arbeiten Wissenschaftler:innen und
Mediziner:innen aus den Bereichen Neurowissenschaften und Diabetologie
eng zusammen. In einem spannenden Symposium auf dem 66. Kongress der
Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie vom 5. bis 7. Juni 2023 in
Baden-Baden beleuchteten sie, wie das zentrale Nervensystem den peripheren
Energie- und Glukosehaushalt steuert.
„Die Teile des Gehirns, die auf das Hormon Insulin reagieren, sind wichtig für die Nahrungsaufnahme und den Stoffwechsel.
Aktuelle Studien
zeigen, dass eine Insulinresistenz im Gehirn zu massiven
Stoffwechselstörungen führen kann, die eine Fettleibigkeit verstärken
und in Diabetes münden können“, erläutert DZD-Sprecher Prof. Andreas
Birkenfeld, der das DZD-Symposium zusammen mit Prof. Baptist Gallwitz,
Tübingen, leitete. „Unser Ziel ist es, präzise Behandlungsformen für
Menschen zu finden, deren Gehirn nicht mehr ausreichend auf das
Stoffwechselhormon reagiert.“
„Mit dem Kongressmotto „Endokrinologie Pur und Interdisziplinär“ betonen wir, dass das
Gebiet der Endokrinologie Schnittstellen mit vielen anderen Disziplinen
hat“, ergänzt DGE-Kongresspräsident und Neurochirurg Prof. Jürgen
Honegger aus Tübingen. „Ich freue mich deshalb, dass wir auf diesem
Kongress auch die wichtige Rolle des Gehirns bei der Entstehung der
großen Volkskrankheit Typ-2-Diabetes beleuchten werden.“
Auch das Gehirn kann insulinresistent werden
DZD-Wissenschaftler:innen haben herausgefunden, dass Insulin offenbar
nicht nur im Leber-, Muskel- und Fettgewebe wirkt, sondern auch im
Gehirn.
Auf diese Weise kann es den Stoffwechsel im gesamten Körper beeinflussen. Dieser Prozess stellt sicher, dass nach der Nahrungsaufnahme Energie im Körper gespeichert und der Stoffwechsel gut kontrolliert wird. Leider sind etliche Menschen von einer Insulinresistenz des Gehirns betroffen, was langfristig eine Gewichtszunahme fördert. Betroffene Menschen speichern Fett vor allem im Bauch und in der Leber, wodurch ihr Risiko für Folgeerkrankungen steigt. Prof. Martin Heni gibt einen Überblick über neue Untersuchungen, die zeigen, dass die Insulinresistenz des Gehirns behandelbar sein könnte.
Sowohl die Gabe des SGLT2-Inhibitors Empagliflozin als auch regelmäßiger Sport hatten einen messbaren Effekt auf die Insulinresistenz des Gehirns.
Neuronale Insulinresistenz stört die Energieproduktion
Prof. André Kleinridders erläutert in dem Symposium die Effekte der Insulinwirkung auf Mitochondrien und Metabolismus im Zentralnervensystem. Auf zellulärer Ebene erhöht Insulin die Aktivität der Mitochondrien, um ausreichende Mengen an Energie für eine gesunde Funktion des Nervensystems zu generieren.
- Dementsprechend kommt es bei einer neuronalen Insulinresistenz zu einer mitochondrialen Dysfunktion, Adipositas und Kognitionsstörungen.
- Im Umkehrschluss beeinflusst die mitochondriale Funktion die neuronale Insulinsensitivität und den Stoffwechsel maßgeblich. Das Wissen darum könnte dazu beitragen, neuartige Interventionsstrategien zu entwickeln, um Adipositas und Typ-2-Diabetes, aber auch kognitiven Einschränkungen vorzubeugen.
Insulin wirkt bei Frauen und Männern unterschiedlich
Die Wirkung von Insulin in Hirnregionen, die wichtig für Gedächtnis,
Belohnung und Kognition sind, unterschiedet sich maßgeblich zwischen
Frauen und Männern.
- Prof. Stephanie Kullmann und ihr Team haben herausgefunden, dass Frauen vor allem mit zunehmendem Alter eine Insulinresistenz im Hippocampus zeigen.
- Auch die hormonellen Veränderungen während der Lutealphase des Menstruationszyklus dämpfen offenbar die Wirkung von Insulin in Hirnregionen, die wichtig für Gedächtnis und Belohnungsprozesse sind.
Neue Erkenntnisse zum Wirkmechanismus der Polyagonisten
Da die Ursachen für Adipositas und Typ-2-Diabetes auch im Gehirn liegen,
zielen neue Medikamente auch darauf ab, das Zentralnervensystem
ansteuern.
Dieses ist mit der Entwicklung von Polyagonisten gelungen, welche die Effekte von körpereigenen Darmhormonen wie etwa GLP-1 und GIP zu hochwirksamen Ko-Agonisten kombinieren und im Gehirn regulierend in relevante Stoffwechselprozesse eingreifen.
So senken GLP-1:GIP Ko-Agonisten das Körpergewicht effektiver als GLP-1-Monoagonisten wie etwa Semaglutid.
Doch welche Rolle spielt der GIP-Rezeptor für die Wirksamkeit dieser neuen Substanzklasse?
DZD-Wissenschaftler Prof. Timo
Müller und sein Team haben die Wirkmechanismen von GIP und
GIP:GLP-1-Ko-Agonisten untersucht und zeigen, dass GIP über dessen
Wirkung am GIP-Rezeptor von entscheidender Bedeutung für die Wirksamkeit
der Ko-Agonisten ist.
Hormonwirkung im Gehirn und sein Einfluss auf den Körperstoffwechsel
Vorsitz:
Prof. Andreas Birkenfeld, DZD-Sprecher
Wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Diabetesforschung und
Metabolische Erkrankungen von Helmholtz Munich an der
Eberhard-Karls-Universität Tübingen und ärztlicher Direktor der
Medizinischen Klinik IV Innere Medizin – Diabetologie, Endokrinologie,
Nephrologie am Universitätsklinikum Tübingen
Prof. Baptist Gallwitz
Stellvertretender Ärztlicher Direktor der Medizinischen Klinik IV Innere
Medizin – Diabetologie, Endokrinologie, Nephrologie am
Universitätsklinikum Tübingen
Vorträge:
Einfluss von Geschlecht und Alter auf die zentrale endokrine Regulation des Essverhaltens
Prof. Dr. Stephanie Kullmann, Institut für Diabetesforschung und
Metabolische Erkrankungen von Helmholtz Munich an der
Eberhard-Karls-Universität Tübingen, Deutsches Zentrum für
Diabetesforschung
Insulinresistenz im Gehirn und deren Auswirkung auf periphere Organe
Prof. Dr. Martin Heni, Professor für Endokrinologie und Diabetes an der
Universität Ulm, Sektionsleiter für Endokrinologie und Diabetologie der
Klinik für Innere Medizin I, Universitätsklinikum Ulm
Effekte der Insulinwirkung auf Mitochondrien und Metabolismus im Zentralnervensystem
André Kleinridders, Universität Potsdam und Deutsches Institut für
Ernährungsforschung, Potsdam-Rehbrücke, Deutsches Zentrum für
Diabetesforschung (DZD)
Zentralnervöse Wirkmechanismen der Inkretinhormone GLP-1 und GIP sowie von deren Doppel- und Mehrfachagonisten
PD Dr. rer. nat. Timo Müller, Kommissarischer Direktor des Instituts für
Diabetes und Adipositas Forschung bei Helmholtz Munich, Deutsches
Zentrum für Diabetesforschung (DZD)
Über das Deutsche Zentrum für Diabetesforschung
Das Deutsche Zentrum für Diabetesforschung e.V. ist eines der sechs
Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung. Es bündelt Experten auf dem
Gebiet der Diabetesforschung und verzahnt Grundlagenforschung,
Epidemiologie und klinische Anwendung. Ziel des DZD ist es, über einen
neuartigen, integrativen Forschungsansatz einen wesentlichen Beitrag zur
erfolgreichen, maßgeschneiderten Prävention, Diagnose und Therapie des
Diabetes mellitus zu leisten. Mitglieder des Verbunds sind Helmholtz
Munich – Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt, das
Deutsche Diabetes-Zentrum DDZ in Düsseldorf, das Deutsche Institut für
Ernährungsforschung DIfE in Potsdam-Rehbrücke, das Institut für
Diabetesforschung und Metabolische Erkrankungen von Helmholtz Munich an
der Eberhard-Karls-Universität Tübingen und das Paul-Langerhans-Institut
Dresden von Helmholtz Munich am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus
der TU Dresden, assoziierte Partner an den Universitäten in Heidelberg,
Köln, Leipzig, Lübeck und München sowie weitere Projektpartner.
www.dzd-ev.de
Dr. Astrid Glaser
Geschäftsführerin Deutsches Zentrum für Diabetesforschung (DZD) e.V.
Ingolstädter Landstr. 1
85764 Neuherberg
www.dzd-ev.de
glaser@dzd-ev.de
https://apps.m-anage.com/dge2023/de-DE/pag/session/108572
Ingolstädter Landstraße 1
85764 Neuherberg
Deutschland
Bayern
E-Mail-Adresse: contact@dzd-ev.de
Dr. Astrid Glaser
Telefon: 089-3187-1619
Fax: 089-3187-191619
E-Mail-Adresse: glaser@dzd-ev.de
Birgit Niesing
Telefon: 089 31873971
E-Mail-Adresse: niesing@dzd-ev.de
Keine Kommentare :
Kommentar veröffentlichen