Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Erste europaweite Leitlinie zur stationären Behandlung von COVID-19-Erkrankten
MHH-Pneumologe ist Co-Autor und Vertreter für Deutschland
Professor Dr. Tobias Welte bei der Vorbereitung einer Medikation. Copyright: Karin Kaiser / MHH.
Mit dem Beginn der Corona-Pandemie startete auch die fieberhafte
Suche nach Impfstoffen und wirksamen Medikamenten gegen das Virus
SARS-CoV-2. In der Forschung laufen die Aktivitäten auf Hochtouren.
Täglich werden hunderte neue wissenschaftliche Arbeiten über das Virus
und die Erkrankung COVID-19 veröffentlicht. Jetzt hat die European
Respiratory Society (ERS) erstmals eine europäische Leitlinie zur
stationären Behandlung von COVID-19- Patientinnen und-Patienten
herausgegeben. Professor Dr. Tobias Welte, Direktor der Klinik für
Pneumologie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), ist Co-Autor
und Vertreter der Leitlinie in Deutschland.
Pragmatische Handlungsanweisungen
Der Schwerpunkt der ERS-Leitlinie liegt auf der medikamentösen Therapie
im Krankenhaus.
„Die Empfehlungen sind für alle Phasen der stationären Therapie sehr eindeutig“, erklärt Professor Welte.
So wird beispielsweise davon abgeraten, bei hospitalisierten Patienten den Wirkstoff Remdesivir einzusetzen – nach Datenlage der Leitlinie ist er nicht effektiv. Ob Remdesivir in einer sehr frühen Phase der Erkrankung, bei weitgehend symptomfreien Patienten im ambulanten Bereich, eine Rolle spielen kann, ist noch nicht abschließend geklärt“, erläutert Professor Welte. „ In der späten Phase von COVID-19 kann das Immunsystem der Betroffenen fehlerhafte, oft überschießende Entzündungsprozesse auslösen.
Dagegen wird Cortison angewandt, dies wird in den Leitlinien ausdrücklich empfohlen.
- Bei sehr kranken Patientinnen und Patienten wird darüber hinaus aber zusätzlich die Gabe von Antikörpern gegen den Botenstoff Interleukin 6 empfohlen.“
Im gesamten Verlauf der COVID-19 -Erkrankung könne es zu Blutgerinnseln
im Kapillarsystem der Lunge kommen, erklärt Professor Welte. „In diesem
Fall lautet die Empfehlung, wie üblich ein Mittel zur Blutverdünnung,
beispielswiese Heparin, einzusetzen. Ob zusätzlich gerinnungshemmende
Wirkstoffe, wie beispielsweise Thrombozyten-Aggregationshemmer wie ASS
verabreicht werden sollten, muss noch geklärt werden.“ Neben
medikamentösen Empfehlungen enthalten die Leitlinien auch Empfehlungen
zur Sauerstoffgabe und Beatmung von COVID-19- Patientinnen und
-Patienten. Die Leitlinie ist mit kommentierenden Zwischentexten
versehen. Darin sieht der Pneumologe einen großen Vorteil: „Die
pragmatischen Handlungsanweisungen sind für alle an der Behandlung
Beteiligten verständlich.“
Ständige Aktualisierung
In die ERS-Leitlinie sind nicht nur unzählige veröffentlichte
wissenschaftliche Arbeiten eingeflossen, sondern auch Studien, die erst
demnächst publiziert werden. Bei der Erstellung der Leitlinien wurde das
sogenannte GRADE-System angewandt. Bei dieser Methodik erfolgt eine
Qualitätsbewertung der Studien nach ihrer Evidenz, diese Qualität
wiederum hat Auswirkungen auf die Stärke einer Empfehlung. Da jeden Tag
neue wissenschaftliche Erkenntnisse über das Virus und die Erkrankung
gewonnen werden, wird auch die ERS-Leitlinie stetig aktualisiert.
Professor Welte rechnet schon in einigen Wochen mit einer neuen Fassung.
Er hofft, dass die Leitlinie in möglichst vielen Kliniken
implementiert wird. Erfreulicherweise unterscheiden sich die jetzt für
Europa herausgegebenen Empfehlungen der ERS in keinem Punkt wesentlich
von den kürzlich im Deutschen Ärzteblatt veröffentlichten Deutschen
Leitlinien.
Die European Respiratory Society ist die größte wissenschaftliche und
klinische Organisation für Lungen- und Bronchialheilkunde in Europa. Die
ERS-Leitlinie wurde im European Respiratory journal veröffentlicht.
Professor Dr. Tobias Welte
Telefon (0511) 532-3530.
Die Originalarbeit mit dem Titel „Management of Hospitalized Adults with
Coronavirus Disease (COVID-19): A European Respiratory Society Living
Guideline” finden Sie unter:
https://erj.ersjournals.com/content/early/2021/03/07/13993003.00048-2021
Carl-Neuberg-Straße 1
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Stefan Zorn
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