Medizin am Abend Berlin Fazit: Zucker ist nicht gleich Zucker:
Isomaltulose ist für Menschen mit Typ-2-Diabetes besser geeignet als Haushaltszucker
Der natürliche Zweifachzucker Isomaltulose (PalatinoseTM) besteht wie
Haushaltszucker aus Trauben- und Fruchtzucker, ist aber hinsichtlich der
Regulation des Blutzuckerspiegels für Menschen mit Typ-2-Diabetes
anscheinend besser geeignet. Dies bestätigt auch eine neue Studie des
Deutschen Instituts für Ernährungsforschung (DIfE), einem Partner im
Deutschen Zentrum für Diabetesforschung (DZD). Wie die Untersuchung
zudem erstmals an Menschen mit Typ-2-Diabetes zeigt, ist der günstige
Stoffwechseleffekt der Isomaltulose auf eine veränderte Freisetzung der
Darmhormone GLP-1 und GIP* zurückzuführen.
Das Wissenschaftlerteam um Farnaz Keyhani-Nejad und Andreas F. H.
Pfeiffer vom DIfE publizierte seine Ergebnisse nun in der
Fachzeitschrift Diabetes Care (Keyhani-Nejad et al. 2016; 39:e1-e2; DOI:
10.2337/dc15-1891).

Zuckerwürfel Till Budde/DIfE
Nach dem Verzehr von Isomaltulose steigt der Blutzuckerspiegel weniger
stark an als nach dem Verzehr von Haushaltszucker, obwohl beide
Zuckerarten aus denselben Einfachzuckern aufgebaut sind und im Dünndarm
komplett verdaut und aufgenommen werden.
Dies ist durch verschiedene
Untersuchungen belegt. Welche
Stoffwechselmechanismen dieser Beobachtung
zu Grunde liegen, ist jedoch noch wenig erforscht. Daher untersuchten
die DIfE-Wissenschaftler die
Stoffwechselwirkung von 50 g Isomaltulose
bzw. 50 g Haushaltszucker im Rahmen einer Crossover-Studie an 10
Erwachsenen, die von Typ-2-Diabetes betroffen sind.
-
In der aktuellen Studie ließ Isomaltulose im Vergleich zum
Haushaltszucker die Blutzuckerwerte der Probanden durchschnittlich um 20
Prozent weniger ansteigen.
Die
freigesetzten Insulinmengen verringerten
sich sogar um 55 Prozent. Ebenso stiegen die
GIP-Spiegel im Blut nur
sehr wenig an und erreichten erst nach 60 Minuten einen Maximalwert.
Nach
Aufnahme des Haushaltszuckers erhöhten sich dagegen die GIP-Spiegel
bereits nach 15 Minuten um mehr als das Doppelte und fielen dafür aber
auch schon nach etwa 60 Minuten sehr stark ab.
Auch hinsichtlich der
GLP-1-Freisetzung beobachteten die Wissenschaftler Unterschiede in der
Wirkung der beiden Zucker.
Nach dem Verzehr der Isomaltulose stieg der
GLP-1-Spiegel bei den Probanden stärker und länger anhaltend an als nach
der Aufnahme des gebräuchlichen Zuckers.
Hinsichtlich der
Glucagonfreisetzung stellten die Wissenschaftler keine signifikanten
Unterschiede fest.
Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass die unterschiedlichen
Stoffwechseleffekte der beiden Zweifachzucker, die aus
je einem Molekül
Trauben- und Fruchtzucker zusammengesetzt sind, auf die chemisch
unterschiedliche Bindung zwischen den
beiden Einfachzuckern
zurückzuführen ist.
- Während die Verdauungsenzyme Haushaltszucker recht
rasch in Trauben- und Fruchtzucker spalten, dauert dieser Vorgang bei
Isomaltulose länger.
- Hierdurch passiert ein großer Teil der Isomaltulose
ungespalten die oberen Abschnitte des Dünndarms, in dem sich die
GIP-produzierenden K-Zellen befinden, und kann so die GIP-Freisetzung
nicht wesentlich stimulieren.
- Die GLP-1-produzierenden L-Zellen befinden
sich dagegen in den unteren Darmabschnitten und setzen aufgrund der
erst jetzt vermehrt vorliegenden Einfachzucker verstärkt das Darmhormon
frei.
Wie frühere Studien der Wissenschaftler zudem zeigen, kann GIP
ungünstig auf den Stoffwechsel wirken und eine Fettleber sowie
entzündliche Prozesse im Fettgewebe auslösen.
- Dies lässt annehmen, dass
die ungünstigen Effekte von Haushaltszucker vor allem durch die
Hormonantwort, das heißt, die vermehrte GIP-Freisetzung bedingt sind.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Isomaltulose im Darm die
GIP-Freisetzung verringert, die GLP-1-Ausschüttung erhöht, aber
gleichzeitig ein gewisses Maß der Insulinfreisetzung erhält, wodurch
starke Schwankungen des Blutzuckerspiegels ausbleiben.
„Dies ist
besonders für Menschen mit Typ-2-Diabetes vorteilhaft, da bei ihnen die
Blutzuckerspiegel leicht entgleisen.
Hinsichtlich der Regulation des
Zuckerstoffwechsels ist Isomaltulose also deutlich besser geeignet als
der gebräuchliche Haushaltszucker“, sagt Endokrinologe Pfeiffer, der am
DIfE die Abteilung Klinische Ernährung leitet.
„Dennoch sollte man
wissen, dass sie
genauso viele Kalorien liefert wie andere Zuckerarten
auch. Zudem schmeckt sie weniger süß, so dass man leicht verführt ist,
mehr zu essen als vom Haushaltszucker.
Wenn man die aufgenommene Energie
nicht verbraucht, zum Beispiel durch ausreichend Bewegung, macht sie
sich schnell in Form überflüssiger Pfunde bemerkbar“, gibt der Mediziner
zu bedenken.
Übergewicht mache empfänglicher für Herz-Kreislauf- und
bestimmte Krebserkrankungen und fördere nicht zuletzt das
Typ-2-Diabetes-Risiko. Dies sei durch zahlreiche Studien belegt, so
Pfeiffer weiter.
Daher gelte auch für Isomaltulose: Die Dosis macht das
Gift.
Hintergrundinformationen:
*GLP-1 und GIP:
Glucagon-like peptide-1 (GLP-1): Im Darm setzen sogenannte L-Zellen
GLP-1 frei, nachdem sie durch Kohlenhydrate (z. B. Zucker), Eiweiße oder
Fette stimuliert wurden.
Das Peptidhormon hat eine Halbwertszeit von
weniger als zwei Minuten, stimuliert die Insulinfreisetzung und hemmt
gleichzeitig die Ausschüttung des hormonellen Insulingegenspielers
Glucagon.
Beides führt dazu, dass der Blutzuckerspiegel sinkt. Zudem
weisen Untersuchungen darauf hin, dass es
die Insulinempfindlichkeit der
Beta-Zellen in der Bauchspeicheldrüse wiederherstellt und gleichzeitig
ihrem Absterben entgegenwirkt. Darüber hinaus verzögert es die Aufnahme
von Kohlenhydraten aus dem Darm und wirkt sättigend (Quelle: Wikipedia).
Gastric inhibitory polypeptide (GIP): Nach der Nahrungsaufnahme setzen
sogenannte
K-Zellen im Dünndarm GIP frei. Heute gilt als belegt, dass es
hauptsächlich die Insulinausschüttung durch die Beta-Zellen stimuliert.
Hemmt man bei einer fettreichen Diät die Wirkung von GIP, wirkt dies
einer entstehenden Fettsucht und Insulinresistenz entgegen. Zudem
vermuten Wissenschaftler, dass GIP bei nachlassender Insulinwirkung eine
entscheidende Rolle für den Wechsel von Fettoxidation zu
Fettspeicherung spielt. So könnte es für die Sekundärprävention der
Insulinresistenz eine wichtige Rolle spielen (Quelle: Wikipedia).
Das Deutsche Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE)
ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Es erforscht die Ursachen
ernährungsassoziierter Erkrankungen, um neue Strategien für Prävention,
Therapie und Ernährungsempfehlungen zu entwickeln. Zu seinen
Forschungsschwerpunkten gehören die Ursachen und Folgen des
metabolischen Syndroms, einer Kombination aus Adipositas (Fettsucht),
Hypertonie (Bluthochdruck), Insulinresistenz und
Fettstoffwechselstörung, die Rolle der Ernährung für ein gesundes Altern
sowie die biologischen Grundlagen von Nahrungsauswahl und
Ernährungsverhalten. Mehr unter www.dife.de. Das DIfE ist zudem ein
Partner des 2009 vom BMBF geförderten Deutschen Zentrums für
Diabetesforschung (DZD). Weitere Informationen zum DZD finden Sie unter
http://www.dzd-ev.de.
Die Leibniz-Gemeinschaft verbindet 88 selbständige
Forschungseinrichtungen. Ihre Ausrichtung reicht von den Natur-,
Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und
Sozialwissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute
widmen sich gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevanten
Fragen. Sie betreiben erkenntnis- und anwendungsorientierte Forschung,
auch in den übergreifenden Leibniz-Forschungsverbünden, sind oder
unterhalten wissenschaftliche Infrastrukturen und bieten
forschungsbasierte Dienstleistungen an. Die Leibniz-Gemeinschaft setzt
Schwerpunkte im Wissenstransfer, vor allem mit den
Leibniz-Forschungsmuseen. Sie berät und informiert Politik,
Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit. Leibniz-Einrichtungen
pflegen enge Kooperationen mit den Hochschulen - u.a. in Form der
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In- und Ausland. Sie unterliegen einem transparenten und unabhängigen
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fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft
gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen rund 18.100 Personen,
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