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Abbau von Aktinfilamenten durch die Schlüsselfaktoren Coronin, Cofilin und AIP1

Funktion und Rolle von Schlüsselfaktoren beim Abbau von Aktinfilamenten von Max-Planck-Forschenden neu definiert

Wenn man sich eine Zelle im Körper vorstellt, erwartet man wahrscheinlich nicht, dass sie sich bewegt. 

Einige Zellen, wie beispielsweise Immunzellen, sind jedoch sehr mobil: 

Sie verändern ständig ihre Form, wandern zu einer Wunde, die geschlossen werden muss, oder jagen Bakterien im Blutkreislauf. Diese Mobilität wird durch das Zytoskelett gewährleistet - einem komplexen Netzwerk aus Filamenten, das fortwährend auf- und wieder abgebaut wird. Wie der Abbau von Aktinfilamenten durch die Schlüsselfaktoren Coronin, Cofilin und AIP1 gesteuert wird, hat nun ein Team unter der Leitung von Stefan Raunser am Max-Planck-Institut für molekulare Physiologie in Dortmund (MPI) aufgeklärt. Ihre Arbeit definiert die Rolle dieser Proteine neu und liefert molekulare Details, die unser Verständnis davon verbessern, wie sich gesunde und bösartige Zellen im Körper fortbewegen.

Zellen wachsen, verändern ihre Form, bewegen und teilen sich. Sie verleihen Geweben Struktur, schließen Wunden und jagen Bakterien im Blut. Diese Mobilität ist Voraussetzung für zahlreiche lebenswichtige Prozesse – etwa die Immunabwehr -, aber sie bildet auch die Grundlage für pathologische Ereignisse wie die Metastasierung. Die mechanische Stabilität der Zelle und ihre Bewegungsfähigkeit werden durch das Zytoskelett gewährleistet, einem dynamischen Netzwerk aus Proteinröhren und -filamenten. Aktinfilamente spielen dabei eine zentrale Rolle. Sie bilden sich selbst, indem einzelne Aktinproteine polymerisieren.

„Need for Speed“
„Im Durchschnitt können sich Zellen etwa 30 bis 50 Mikrometer pro Stunde fortbewegen – das entspricht ungefähr einem Millimeter pro Tag. Für eine mikrometergroße Zelle ist das sicherlich kein hohes Tempo“, sagt Stefan Raunser, Direktor am MPI Dortmund. „Der molekulare Prozess, der dieser Bewegung zugrunde liegt, muss jedoch mit „rasender“ Geschwindigkeit ablaufen. “Innerhalb von Sekunden wachsen Aktinfilamente unter der Zellmembran und schieben diese vorwärts. Fast ebenso schnell müssen diese Filamente wieder abgebaut werden, um ihre unproduktive Verlängerung zu verhindern und eine optimale Kraftübertragung auf die Membran zu gewährleisten. Der Abbau wird von einem Protein-Trio aus Coronin, Cofilin und AIP1 reguliert - doch die zugrunde liegenden Mechanismen waren bislang unklar.

Jedes Quäntchen Geschwindigkeit herausquetschen
„Mithilfe der Kryo-Elektronenmikroskopie haben wir 16 3D-Strukturen erhalten, die zeigen, wie diese Proteine gemeinsam auf Aktinfilamente einwirken“, erklärt Wout Oosterheert, Erstautor der Studie und ehemaliger Postdoc im Labor von Stefan Raunser (jetzt Junior-Gruppenleiter am Netherlands Cancer Institute). „Zum ersten Mal konnten wir den Abbau von Aktinfilamenten so detailliert visualisieren, und es stellte sich heraus, dass dieser Prozess mehrere koordinierte Schritte umfasst. Mit anderen Worten: Wir haben einen Tanz zwischen Proteinen entdeckt - eine molekulare Choreografie.“

Zunächst haftet Coronin am Filament und beschleunigt allosterisch die Freisetzung des Phosphats, das nach der ATP-Hydrolyse an Aktin gebunden bleibt. Dies löst auch eine kleine Veränderung in der Verdrehung des Filaments aus, wodurch das Filament für die Bindung mehrerer Cofilin-Proteine vorbereitet wird. Die Cofilin-Bindung drückt Coronin vom Filament weg und schafft so eine Bindungsplattform für AIP1, das dann wie eine Zange wirkt: Es greift das Filament und „quetscht“ es, wodurch die Verbindungen zwischen den Aktin-Einheiten aufgebrochen werden und es schließlich zu einer schnellen Trennung kommt.

Von der Struktur zur Therapie?
Viele Schritte des aufgeklärten Mechanismus waren zuvor nicht erwartet worden. Frühere Forschungen anderer Gruppen hatten suggeriert, dass Cofilin das Hauptprotein ist, das das Aktinfilament durchtrennt, wobei AIP1 nur als Helferprotein fungieren sollte. Die Studie der Max-Planck-Forschenden zeigt jedoch, dass AIP1 das eigentliche Protein ist, das die Durchtrennung vornimmt. „Unsere Strukturuntersuchungen ermöglichten es uns, die Rollen der Schlüsselfaktoren beim Abbau von Aktinfilamenten neu zu definieren”, sagt Raunser. Eine Fehlregulation der beteiligten Proteine ist mit einer Vielzahl von Krankheiten verbunden - von Krebs über Immunerkrankungen bis hin zu Myopathien.

„Unsere Arbeit trägt einen wichtigen Teil zum Verständnis der Aktindynamik bei, und das neue Wissen könnte letztendlich zur Entwicklung neuer Therapeutika führen“, fügt Oosterheert hinzu. „Aus wissenschaftlicher Sicht ist es auch einfach spannend, dass wir die synergistischen Wirkungen von Coronin, Cofilin und AIP1 so detailliert visualisieren konnten. Dies unterstreicht, wie streng reguliert der Abbau des Aktinnetzwerks tatsächlich ist.“

Originalpublikation:
Oosterheert W, Sanders MB, Hofnagel O, Bieling P, Raunser S. Choreography of rapid actin filament disassembly by coronin, cofilin and AIP1. Cell
https://doi.org/10.1016/j.cell.2025.09.016

TIP TOP Fachvorträge:

Vortrag heute 12.10.2025 um 15.00 Uhr

TOP

Konferenzen am Wochenende

TOP: Am 10. Oktober ist Global Mental Health Day.

Am 10. Oktober ist Global Mental Health Day. 

Aber wie geht es den Menschen in der Bundesrepublik? 

Diese Frage erforscht das Deutsche Zentrum für Psychische Gesundheit (DZPG) mit den Kohortenstudien Deutsches Gesundheitsbarometer am Standort Bochum-Marburg und DigiHero am Standort Halle-Jena-Magdeburg. 

Erste Ergebnisse zeigen: 

Frauen haben höhere Werte für Depression und Angst als Männer, und jüngere Menschen höhere Werte als ältere. 

Menschen in Berlin geht es besser als im Saarland. 

Wenn man Menschen mit gleichen Eigenschaften vergleicht, dann haben Menschen im Osten geringere Werte für Depression und Angst als im Westen.

Psychische Erkrankungen sind eine der großen Herausforderungen unserer Zeit. 

„Um psychische Gesundheit der Bevölkerung modulieren zu können, muss sie im ersten Schritt erfasst werden“, erklärt Prof. Peter Falkai, Sprecher des DZPG. Unter dem Dach des DZPG laufen deshalb an zwei Standorten groß angelegte Kohortenstudien, die die psychische Verfassung der Bevölkerung kontinuierlich beobachten. 

Sie bilden ein Monitoring-System, das Trends sichtbar macht, Unterschiede zwischen Bevölkerungsgruppen aufzeigt und eine wissenschaftliche Grundlage für Prävention und politische Entscheidungen schafft.

Forschung mit großer Reichweite
Die beiden Studien stützen sich auf breite Stichproben: Am Deutschen Gesundheitsbarometer am Standort Bochum-Marburg nehmen bereits über 25.000 Erwachsene ab 18 Jahren teil; ab 2026 werden auch Jugendliche ab 16 Jahren einbezogen. Ziel ist eine Basisstichprobe von 100.000 Menschen. An DigiHero am Standort Halle-Jena-Magdeburg wurden seit 2021 mehr als 125.000 Haushalte rekrutiert.

Stabile Zufriedenheit – aber zunehmende Belastungen
Wer auf die Ergebnisse der Studien blickt, stößt zunächst auf eine gute Nachricht: Viele Menschen in Deutschland berichten von stabiler Lebenszufriedenheit und hohem seelischem Wohlbefinden. 

Zugleich zeigt sich, dass Stress die am häufigsten genannte Belastung ist, gefolgt von depressiven Verstimmungen und Angstsymptomen. Von September 2024 bis Juli 2025 ist ein leichter Anstieg negativer Werte erkennbar.

Unterschiede zwischen Bevölkerungsgruppen

Die Daten geben dabei auch detaillierte Einblicke in die psychische Gesundheit unterschiedlicher Gruppen:
- Geschlecht: Frauen berichten häufiger psychische Belastungen und eine geringere Lebenszufriedenheit als Männer.
- Alter: Unter 20-Jährige sind am stärksten belastet, während Menschen über 80 das höchste Wohlbefinden angeben.
- Regionen: In Berlin berichten Teilnehmende das höchste Wohlbefinden, im Saarland das niedrigste.
- Die stärksten Belastungen durch Stress und Depression finden sich in Niedersachsen, bei Angstsymptomen wiederum in Berlin.

- Ein Ost-West-Vergleich im Rahmen der DigiHero Studie ergab: Wenn man Personen gleichen Alters, Geschlechts, Bildungs- und Einkommensgruppe vergleicht, berichten Ostdeutsche seltener depressive Symptome als Westdeutsche.

Erkenntnisse für die Praxis::


Prof. Silvia Schneider, ebenfalls Sprecherin des DZPG, betont: 

„Unsere Forschung soll so zügig und effizient wie möglich in die Praxis Eingang finden, damit die Bevölkerung von ihr profitiert.“
Um die psychische Gesundheit langfristig zu stärken, fordern die Forschenden gute gesellschaftliche Rahmenbedingungen: mehr kostenlose Sport- und Freizeitangebote, mehr öffentliche Begegnungsräume sowie gezielte Aufklärung über psychische Gesundheit und Medienkompetenz – insbesondere in Schulen und am Arbeitsplatz.

Weitere Informationen finden Sie unter
Informationen und Anmeldung:

https://www.deutsches-gesundheitsbarometer.de

https://webszh.uk-halle.de/digihero/

Erhöhten Fettansammlung - das braune Fettgewebe

Werden Mäuse langfristig Feinstaub ausgesetzt, beeinträchtigt dies ihren gesunden Stoffwechsel. Denn feine Luftschadstoffe stören die normale Funktion des braunen Fettgewebes, was zu Insulinresistenz und Stoffwechselerkrankungen führen kann. Verantwortlich sind komplexe Veränderungen in der Genregulation, wie eine neue UZH-Studie zeigt.

Die Hinweise verdichten sich, dass Luftverschmutzung nicht nur schädlich für Lunge und Herz ist, sondern auch eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Stoffwechselstörungen wie Insulinresistenz und Typ-2-Diabetes spielt. 

Eine neue Studie von Francesco Paneni, Professor am Zentrum für translationale und experimentelle Kardiologie der Universität Zürich (UZH) und des Universitätsspitals Zürich (USZ), und Sanjay Rajagopalan, Professor an der Case Western Reserve University in Cleveland, bringt nun Licht in diese Zusammenhänge.

Exposition mit konzentrierten winzigen Partikeln in der Luft

Die Forscher untersuchten, wie sich eine langfristige Exposition gegenüber feinen Luftschadstoffen auf die Blutzuckerregulation und den gesunden Stoffwechsel auswirken. 

Dabei konzentrierten sie sich auf eine bestimmte Art von Verschmutzung, bekannt als PM2.5. 

Diese winzigen Luftpartikel sind kleiner als 2.5 Mikrometer und können tief in die Lunge eingeatmet werden. Labormäuse wurden über einen Zeitraum von 24 Wochen an fünf Tagen pro Woche jeweils sechs Stunden lang entweder gefilterter Luft oder Luft mit konzentriertem PM2.5 ausgesetzt. Die Versuchsanordnung sollte die chronische Belastung des Menschen in städtischen Gebieten möglichst realistisch nachbilden.

Im Fokus stand das braune Fettgewebe, das dem Körper hilft, Wärme zu erzeugen und Kalorien zu verbrennen. 

Es spielt eine Schlüsselrolle im Energiehaushalt und im Zuckerstoffwechsel. 

Nach etwa fünf Monaten zeigten die Mäuse, die PM2.5 eingeatmet hatten, Anzeichen eines gestörten Stoffwechsels, etwa eine beeinträchtigte Empfindlichkeit für Insulin. 

Ausserdem veränderte sich die Funktion des braunen Fettgewebes stark. 

«Gestört war insbesondere die Aktivität wichtiger Gene, die die Fähigkeit zur Wärmeproduktion, Fettverarbeitung und Bewältigung von oxidativem Stress regulieren. Diese Veränderungen gingen einher mit einer erhöhten Fettansammlung sowie Anzeichen von Gewebeschäden und einer krankhaften Vermehrung des Bindegewebes», sagt Paneni.

Zwei Enzyme treiben epigenetische Veränderungen voran

Als nächstes untersuchte das Forscherteam die zugrunde liegenden Mechanismen. 

Sie fanden heraus, dass die Luftverschmutzung erhebliche Veränderungen in der DNA-Regulation in braunen Fettzellen auslöst. 

Einerseits zeigten die Gene, die den Fettstoffwechsel steuern, veränderte Muster in den chemischen Markierungen – Methylgruppen genannt. Andererseits war die Zugänglichkeit bestimmter Gene verändert, was zu deren Aktivierung bzw. Deaktivierung führt – ein Prozess, der als Chromatin-Remodellierung bekannt ist. Die epigenetischen Veränderungen beeinflussen die Funktionsweise der Zellen, indem sie die Genaktivität regulieren, ohne den genetischen Code selbst zu verändern.

Zwei Enzyme wurden als Schlüsselakteure in diesem Prozess identifiziert: HDAC9 und KDM2B. Sie sind an der Modifizierung von Histonen beteiligt – jenen Proteinen, um die die DNA gewickelt ist. In jenen Mäusen, die den Luftschadstoffen ausgesetzt waren, binden die beiden Enzyme an bestimmte DNA-Regionen in den braunen Fettzellen. Dies reduziert die chemischen Markierungen, die normalerweise die Genaktivität fördern. «Wenn wir die beiden Enzyme experimentell unterdrückten, verbesserte sich die Funktion des braunen Fettgewebes. Erhöhten wir deren Aktivität, ging der normale Fettstoffwechsel weiter zurück», so Paneni.

Neue Ansatzpunkte für Prävention oder Behandlung

Die Studie zeigt, dass eine langfristige Exposition gegenüber Feinstaub die normale Funktion des braunen Fettgewebes stört und so die Stoffwechselgesundheit beeinträchtigen kann. Dies geschieht durch komplexe Veränderungen in der Genregulation, die durch epigenetische Mechanismen gesteuert werden. «Unsere Ergebnisse helfen zu erklären, wie Umweltgifte wie PM2.5 zur Entwicklung von Insulinresistenz und Stoffwechselerkrankungen beitragen. Und sie weisen auf mögliche neue Ansatzpunkte für Prävention oder Behandlung hin», sagt Francesco Paneni.

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Prof. Dr. med. Dr. Francesco Paneni
Zentrum für translationale und experimentelle Kardiologie (CTEC)
Klinik für Kardiologie
Universität Zürich und Universitätsspital Zürich
francesco.paneni@uzh.ch
+41 44 635 50 96

Originalpublikation:
Rengasamy Palanivel, Jean-Eudes Dazard et al. Air pollution modulates brown adipose tissue function through epigenetic regulation by HDAC9 and KDM2B. JCI Insight. September 23, 2025. DOI: https://doi.org/10.1172/jci.insight.187023

Das große Buch der Farbpsychologie

Farben prägen unser Leben – sie beruhigen oder beleben, sie schaffen Vertrauen, Orientierung und wirken stärker, als uns bewusst ist. 

Mit „Das große Buch der Farbpsychologie“ legt Prof. Dr. Axel Buether, Lehrstuhlinhaber für Didaktik der Visuellen Kommunikation an der Bergischen Universität Wuppertal und Gründer des Instituts für evidenzbasierte Farbpsychologie, ein Grundlagenwerk vor, das wissenschaftliche Erkenntnisse erstmals systematisch mit Persönlichkeitsmerkmalen verbindet.

Nach seinem Bestseller „Die geheimnisvolle Macht der Farben“ (2020), der die biologischen Grundlagen der Farbwahrnehmung erläuterte, richtet Buether den Blick nun auf die subjektive Dimension: Warum bevorzugen Menschen bestimmte Farben – und was verrät das über ihre Persönlichkeit?

Im Zentrum des Buches steht der weltweit erste empirisch abgesicherte Farb-Persönlichkeitstest. 

Mehr als 2.000 definierte Farbtöne aus etablierten Farbsystemen (RAL, NCS, Pantone) wurden mit psychologischen Merkmalen in Beziehung gesetzt. 

Das Ergebnis sind 30 differenzierte Farbprofile, die individuelle Charakterzüge in Farbsprache übersetzen. Leser*innen können mit rund 500 Originalfarbtönen ihr persönliches Farbprofil erkunden und gezielt in Alltag, Beruf oder Gestaltung einsetzen – von Kleidung und Innenarchitektur über Markenauftritte bis hin zu Fragen der Selbstfürsorge.

„Farbe ist kein dekoratives Beiwerk, sondern ein zentrales Medium der Selbstvergewisserung und nonverbalen Kommunikation“, betont Buether. Forschungsergebnisse zeigen: Unsere Farbwahl beeinflusst Stimmung, Verhalten und die Wirkung auf andere – bewusster Farbeinsatz kann damit zu mehr Authentizität, Wohlbefinden und Ausdruckskraft beitragen.

Das Buch richtet sich sowohl an Fachleute aus Design, Architektur, Psychologie, Kommunikation und Pädagogik als auch an eine breite Öffentlichkeit, die Farben im Alltag bewusster nutzen möchte.

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Prof. Dr. Axel Buether
Didaktik der Visuellen Kommunikation
Telefon 0202/439-5180
E-Mail buether@uni-wuppertal.de

Weitere Informationen finden Sie unter
https://www.droemer-knaur.de/buch/prof-dr-axel-buether-das-grosse-buch-der-farbpsychologie-9783426447635

Die Sozialstaatsdebatte in Deutschland

Neue Analyse des IMK

Sozialstaat: Ausgabenquote für Rente und Arbeitslose niedriger als früher – Reform auf Gesundheitssystem konzentrieren

Die Sozialstaatsdebatte in Deutschland hat sich stark zugespitzt, wesentlich angetrieben durch Äußerungen von Bundeskanzler Friedrich Merz.


Ein systematischer Blick in die aktuellsten Statistiken zum Sozialstaat zeigt allerdings: Die Gesamtausgaben für soziale Sicherung sind in Deutschland nicht auffällig groß und nicht auffällig gestiegen. Gemessen an der gesamtwirtschaftlich relevanten Größe, der Wirtschaftsleistung, sind die Ausgaben in zentralen Bereichen wie Grundsicherung, Rente und Arbeitslosenversicherung sogar unverändert bzw. niedriger als vor 15 oder vor 20 Jahren, zeigt eine neue Auswertung des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung.*

Einen Anstieg der Ausgabenquoten in Relation zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) gab es hingegen bei den Ausgaben für die Kinder- und Jugendhilfe sowie bei der Pflegeversicherung. Dabei spielen allerdings auch sehr sinnvolle politische Entscheidungen eine Rolle. Dazu zählen der starke Ausbau der Kinderbetreuung, der unter anderem die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbsarbeit verbessert hat, und besser vergütete sowie präventionsorientierte Pflegeleistungen, etwa bei Demenz. Wirklich problematisch ist nach Analyse des IMK die Kostenentwicklung lediglich in einem Bereich: dem Gesundheitssystem. Neben erfolgversprechenden Reformansätzen kursierten auch dort allerdings Ideen, die eher kontraproduktiv wirken könnten, warnen Prof. Dr. Sebastian Dullien und Dr. Katja Rietzler, die Autor*innen der Kurzstudie.

„Den Staat und auch die soziale Sicherung effizienter und gerechter machen zu wollen, ist absolut legitim und angebracht. Die aktuelle Sozialstaatsdebatte krankt aber oft an einem Fokus auf Schein- oder sekundären Problemen. Das könnte wirklich notwendige Reformen be- und sogar verhindern, und es verstellt den Blick darauf, dass die soziale Sicherung ein wichtiger Faktor für Wirtschaftswachstum und gesellschaftliche Stabilität ist. Wir brauchen mehr realistische Analyse, weniger Alarmismus“, sagt Sebastian Dullien, der wissenschaftliche Direktor des IMK.

Anfang 2024 haben Dullien und IMK-Fiskalexpertin Rietzler in einer Kurzstudie gezeigt, dass die Ausgaben für den Sozialstaat in Deutschland im internationalen Vergleich nicht übermäßig hoch lagen. Deutschland reihte sich bei der Quote staatlicher Sozialausgaben im Mittelfeld der entwickelten EU-Staaten ein zwischen Spanien und Dänemark. Der Ausgabenzuwachs zwischen 2002 und 2022 war sogar der drittniedrigste unter 27 OECD-Staaten, für die Daten verfügbar waren. Berücksichtigt man sowohl die gesetzliche Krankenversicherung als auch verpflichtende private Krankenversicherungen, wie es sie in einigen Ländern gibt, lag die deutsche Sozialausgabenquote nahe derjenigen der Schweiz und der USA.

Inzwischen sind Daten vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) veröffentlicht worden, die für 2024 einen Anstieg der deutschen Sozialleistungsquote aufzeigen. Die Abgrenzung des BMAS ist nicht vollständig mit jener der OECD zu vergleichen, auch liegen für viele andere Länder noch keine Daten für 2024 vor. „Allerdings lässt sich schon vorab anhand der bisher vorliegenden Daten sagen: Der jüngste Anstieg war nicht so kräftig, dass Deutschland damit das Mittelfeld der europäischen Länder verlassen hätte“, betonen die IMK-Expert*innen. Nach der Revision der Daten zum Bruttoinlandsprodukt durch das Statistische Bundesamt im August 2025 lag die Sozialleistungsquote nach nationaler Messung 2024 bei 31,0 Prozent, 1,1 Prozentpunkte höher als im Vorjahr, aber immer noch spürbar unter den Ständen von 2020 und 2021 (siehe auch Abbildung 1 in der Kurzstudie; Link unten).

– Anstieg der Sozialleistungsquote beruht auf Rezession, nicht auf stärkerer Entwicklung der Ausgaben –

Hinzu kommt nach der IMK-Analyse: Der Sozialstaat hat seit 2022 in erster Linie ein Problem unzureichenden Wirtschaftswachstums, nicht übermäßiger Ausgabensteigerungen. Denn die Wirtschaftsleistung ist sowohl 2023 als auch 2024 im Jahresdurchschnitt geschrumpft. Selbst konstante Sozialleistungen würden in einer solchen Situation rechnerisch zu einem Anstieg der Sozialleistungsquote führen, weil der Nenner der Quote schrumpft. Generell sind die inflationsbereinigten Sozialausgaben in Deutschland von 2009 bis 2019 ziemlich genau mit dem Trend des Bruttoinlandsprodukts gewachsen. 2020 führte die Covid-Pandemie zu einem Anstieg der Sozialausgaben über den Trend, was sich aber schnell korrigierte. Seit 2022 liegen die Sozialausgaben laut IMK sogar unter dem ursprünglichen BIP-Trend. Allerdings ist das Bruttoinlandsprodukt selber noch weiter hinter dem Trend zurückgeblieben, sodass sich die Sozialleistungsquote erhöht hat (siehe auch Abbildung 2 in der Analyse).

Das IMK betrachtet auch die Details der Sozialleistungsquote. Dabei zeigt sich, dass die Entwicklung in den verschiedenen Bereichen der sozialen Sicherung unterschiedlich ausfiel. So waren die Ausgaben für die Rentenversicherung, inklusive Bundeszuschüsse, relativ zum BIP in den vergangenen 20 Jahren sogar spürbar rückläufig – von 10,4 Prozent des BIP 2004 auf zuletzt 9,4 Prozent (siehe auch Abbildung 3 in der Kurzstudie).

Ebenfalls rückläufig waren im 20-Jahresvergleich die Ausgaben für die Arbeitslosenversicherung (von 2,3 auf 0,9 Prozent des BIP), wobei hier zu beachten ist, dass mit den Hartz-Reformen 2005 ein Teil der Kosten der Arbeitslosenversicherung in die Grundsicherung bzw. das Bürgergeld verschoben wurde. Betrachtet man die Ausgaben von Arbeitslosenversicherung, Bürgergeld und Sozialhilfe zusammen, so sind die Ausgaben dieser Kategorien insgesamt relativ zum BIP seit 2004 unverändert geblieben. Im Vergleich mit 2010 sind die Ausgaben für Bürgergeld, Eingliederungshilfen und Sozialhilfe – die in der Bürgergelddebatte derzeit Stein des Anstoßes sind – relativ zum Bruttoinlandsprodukt sogar leicht zurückgegangen, von 2,8 auf 2,7 Prozent. „Das ist umso bemerkenswerter, als dass mit der Flüchtlingsaufnahme um das Jahr 2015 und nach der russischen Invasion in die Ukraine 2022 mehrere Millionen Menschen nach Deutschland gekommen sind, die Bürgergeld erhalten bzw. erhielten“, schreiben Dullien und Rietzler.

– Mehr Geld für Kinderbetreuung oder professionelle Pflege unterstützt Erwerbsbeteiligung und Wachstum –

Einen deutlichen Anstieg gab es dagegen bei den Ausgaben für die Kinder- und Jugendhilfe (seit 2004 von 0,8 auf 1,7 Prozent des BIP) sowie bei den Ausgaben der Krankenversicherung und der Pflegeversicherung. Unter die Kinder- und Jugendhilfe fallen nach SGB VIII auch die Kosten für die Betreuung von Kindern und Jugendlichen. Der Ausbau der Kinderbetreuung war ein wichtiges politisches Projekt, das Eltern eine höhere Erwerbsbeteiligung ermöglicht und deshalb sogar als förderlich für das Wirtschaftswachstum angesehen werden muss.

Bei der Pflegeversicherung spiegelt die Ausgabenentwicklung (Anstieg seit 2004 von 0,8 auf 1,5 Prozent des BIP) zum einen eine Ausweitung der Leistungen (u.a. bei Demenz), eine steigende Fallzahl auch als Folge der demografischen Entwicklung sowie eine dringend notwendige Verbesserung der (qualitativen) personellen Ausstattung von Pflegeeinrichtungen ab. „Jede Diskussion um ein angemessenes Niveau der Leistungen der Pflegeversicherung sollte dabei mit beachten, dass diese zum Teil Angehörigen erst die Erwerbsbeteiligung ermöglicht“, geben die Forschenden zu bedenken. Kürzungen würden „nur zu einer Verschiebung der Kosten vom Versicherungssystem auf die einzelnen Haushalte“ führen, „nicht eine gesamtwirtschaftliche Senkung der Pflegekosten bedeuten“.

Bei den Ausgaben für die Gesundheitsversorgung fällt nach der IMK-Analyse beim Blick auf Zahlen der OECD für 2024 auf, dass Deutschland hier tatsächlich im internationalen Vergleich sehr weit vorne liegt. Alleine die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung sind zwischen 2004 und 2024 von 6,0 auf 7,5 Prozent des BIP gestiegen, hinzu kommen unter anderem die Ausgaben der privaten Krankenversicherungen, der Beihilfe und die Zuzahlungen der privaten Haushalte. Hohe Ausgaben für Gesundheit wären dabei kein Problem, wenn im Gegenzug eine besonders gute Entwicklung bei der Lebenserwartung oder bei der Gesundheit der Bevölkerung zu beobachten wäre. Beides ist nicht der Fall, sodass nach Einschätzung von Dullien und Rietzler im Gesundheitssystem der problematische „Befund hoher Kosten bei mittelmäßiger Gesundheit der Bevölkerung“ angebracht sei.

Vielversprechend erschienen daher Reformvorschläge, die das Gesundheitssystem effizienter machen in dem Sinne, dass sie die Qualität von medizinischen Leistungen verbessern oder Doppeluntersuchungen vermeiden. Eine konsequente Digitalisierung sei ebenfalls wichtig. Auf der reinen Kostenseite fällt laut IMK im OECD-Vergleich auf, dass in Deutschland Kosten für Medikamente anfallen, die pro Kopf fast 1,5-mal so hoch sind wie im europäischen Durchschnitt. Inwieweit die besonders hohen Ausgaben für nicht-stationär verabreichte Medikamente in Deutschland auf besonders hohe Preise für Pharmazeutika, auf im Vergleich häufige Verschreibungen oder strukturelle Unterschiede zwischen den Aufgaben von Krankenhäusern und niedergelassenen Ärzt*innen zurückgehen, lasse sich der OECD-Statistik allerdings nicht entnehmen.
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Ebenfalls auffällig ist nach der Analyse, dass, ebenfalls laut OECD, im EU-Vergleich die Ärzt*innen in Deutschland relativ zu den jeweiligen Durchschnittseinkommen im Land besonders gut vergütet werden, während das Pflegepersonal in Krankenhäusern bei der relativen Bezahlung im europäischen Durchschnitt liegt. Allerdings sind beim Einkommen von Mediziner*innen Unterschiede etwa bei der Altersversorgung, der Berücksichtigung von privat abgerechneten Leistungen oder Kosten für Praxisübernahmen nicht mitberücksichtigt, was einen direkten Vergleich erschwert.

Fazit der Forschenden: Wenn es Reformbedarf in den sozialen Sicherungssystemen in Deutschland gebe, dann betreffe dieser am ehesten die Krankenversicherung. Mit einem einfachen Ruf nach mehr „Eigenverantwortung“ von Patient*innen sei es hier aber nicht getan. So bewerten Dullien und Rietzler unter diesem Motto vorgebrachte Vorschläge wie etwa Gebühren für Arztbesuche als nicht besonders sinnvoll. Sie brächten die Gefahr mit sich, dass insbesondere Menschen mit geringen Einkommen trotz medizinischer Notwendigkeit nicht oder verspätet ärztliche Hilfe suchen, was die Krankheitskosten am Ende sogar erhöhen könne. Auch die Idee von Karenztagen bei der Lohnfortzahlung berge relevante Risiken, weil möglicherweise kranke Menschen trotzdem zur Arbeit gehen und Kolleg*innen oder Kund*innen infizieren könnten.

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Hans-Böckler-Stiftung
Prof. Dr. Sebastian Dullien
Wissenschaftlicher Direktor IMK
Tel.: 0211-7778-331
E-Mail: Sebastian-Dullien@boeckler.de

Dr. Katja Rietzler
IMK-Expertin für Fiskalpolitik
Tel.: 0211-7778-576
E-Mail: Katja-Rietzler@boeckler.de

Rainer Jung
Tel.: 0211-7778-150
E-Mail: Rainer-Jung@boeckler.de

Originalpublikation:
https://www.imk-boeckler.de/de/faust-detail.htm?sync_id=HBS-009246 - *Sebastian Dullien, Katja Rietzler: Sozialstaatsdebatte krankt an mangelnder Analyse und Fokus auf Scheinprobleme. IMK Kommentar Nr. 16, Oktober 2025.

Keramische Hüftimplantate

Studie untersucht Verschleiß von keramischen Hüftimplantaten und liefert neue Ansätze für verbesserte Patientenversorgung.

Keramische Hüftimplantate gelten als besonders haltbar und gut verträglich. Doch auch sie können mit der Zeit Veränderungen zeigen, die bei Folgeeingriffen eine Rolle spielen. Ein Forschungsteam der Orthopädischen Universitätsklinik Magdeburg hat deshalb untersucht, wie sich keramische Hüftköpfe über längere Zeit im Körper verhalten – mit Ergebnissen, die Ärztinnen und Ärzten künftig helfen könnten, Operationen besser zu planen und in manchen Fällen sogar ganz zu vermeiden.

Unter der Leitung von Dr.-Ing. Joachim Döring, Leiter Biomechanik im Forschungsbereich Experimentelle Orthopädie der Orthopädischen Universitätsklinik Magdeburg, und Adrian Buchholz, Wissenschaftlicher Mitarbeiter, wurden insgesamt 43 keramische Hüftexplantate aus dem Material Biolox®delta untersucht. Die Proben stammten aus der Orthopädischen Universitätsklinik Magdeburg sowie der Universitätsklinik in Posen (Polen). „Unsere Forschung zeigt, dass sich mit einer gezielten Schadensanalyse wertvolle Hinweise gewinnen lassen, die Chirurginnen und Chirurgen bei Folgeoperationen unterstützen können“, erklärt Dr. Döring.

Konkret konnte das Team feststellen, dass keramische Hüftköpfe insgesamt nur minimal verschleißen, selbst nach vielen Jahren im Einsatz. Die häufigsten Veränderungen waren winzige Metallablagerungen auf der Oberfläche, die zwar sichtbare Spuren hinterlassen, die Stabilität des Materials aber nicht wesentlich beeinträchtigen. Nur in wenigen Fällen kam es zu ernsthaften Schäden wie einem Bruch. Für die Untersuchung nutzte das Team sowohl makroskopische Analysen (Damage Scoring) als auch hochauflösende Verfahren wie Raman-Spektroskopie, Röntgendiffraktometrie, Konfokalmikroskopie und Rasterelektronenmikroskopie.

„Mit unserer Methodik lässt sich besser einschätzen, ob ein keramischer Hüftkopf tatsächlich ersetzt werden muss oder im Körper verbleiben kann“, so Buchholz. Somit haben die Erkenntnisse unmittelbare praktische Relevanz für die Patientenversorgung. Das spart Kosten im Gesundheitssystem und steigert zugleich die Lebensqualität der Betroffenen. Die Implantation einer Hüftprothese ist einer der häufigsten chirurgischen Eingriffe in Deutschland, mit etwa 200.000 Operationen pro Jahr.

„Die nächste Aufgabe besteht nun darin, unsere Erkenntnisse so aufzubereiten, dass sie direkt in den klinischen Alltag einfließen können“, so Döring. „Dazu wollen wir Ärztinnen und Ärzte gezielt für diese Methodik sensibilisieren.“

Für ihre Studie wurde das Team mit dem Heinz-Mittelmeier-Forschungspreis der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie e.V. (DGOOC) ausgezeichnet. Unterstützt wurde das Projekt durch die Geräteförderung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG).

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Dr.-Ing. Joachim Döring, Leiter Biomechanik, Experimentelle Orthopädie, Orthopädische Universitätsklinik Magdeburg, Tel.: +49 391 67 21764, E-Mail: joachim.doering@med.ovgu.de

Originalpublikation:
Joachim Döring, Adrian Buchholz, Maria Herbster, Jennifer Gehring, Ulf Betke, Paweł Chodór, Jan Zabrzyński, Jessica Bertrand, Christoph H Lohmann, Łukasz Łapaj. Damage analysis of retrieved Biolox®delta components used in hard and soft bearings, Acta Biomaterialia, DOI: 10.1016/j.actbio.2022.12.055

Thoraxchirurgie am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden

Dr. Alexander Kern übernimmt Verantwortung für ein zukunftsweisendes Fachgebiet. Zukunftsfelder sind der Ausbau der roboterassistierten Thoraxchirurgie, die personalisierte Tumortherapie sowie die Zentrenbildung zur Versorgung sachsenweit.

Im Oktober wechselt mit Dr. Alexander Kern ein ausgewiesener Experte auf seinem Gebiet in die Thoraxchirurgie am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden. Der Fachbereich gehört zur Klinik für Viszeral-, Thorax- und Gefäßchirurgie. Der erfahrene Facharzt kommt vom Carl-Thiem-Klinikum Cottbus nach Dresden, zuvor war er 14 Jahre am Lungenzentrum Coswig tätig. „Wir freuen uns sehr, Dr. Alexander Kern neu im Team begrüßen zu dürfen. Er bringt umfassende Expertise in der operativen Behandlung von Erkrankungen des Brustkorbs mit und wird unser Leistungsspektrum bereichern“, sagt Prof. Uwe Platzbecker, Medizinischer Vorstand am Universitätsklinikum Dresden. „Die Thoraxchirurgie ist ein hochspezialisiertes Fachgebiet, das sich in den letzten Jahren enorm weiterentwickelt hat – sowohl technisch als auch in der interdisziplinären Zusammenarbeit“, sagt Dr. Alexander Kern. „Ich freue mich darauf, gemeinsam mit dem Dresdner Team innovative Verfahren wie die minimal-invasive Thoraxchirurgie weiter auszubauen und die Versorgung unserer Patientinnen und Patienten auf höchstem Niveau zu gestalten.“

Die Thoraxchirurgie am Universitätsklinikum Dresden zählt zu den drei zentralen Säulen der Klinik für Viszeral-, Thorax- und Gefäßchirurgie (VTG). Sie widmet sich der Diagnostik und Therapie von Erkrankungen und Verletzungen der Organe im Brustkorb – insbesondere der Lunge, des Mittelfellraums und der Brustwand. Im Fokus der Arbeit des Teams um Dr. Alexander Kern stehen unter anderem die chirurgische Behandlung von Lungenkarzinomen, Metastasen in der Lunge, Tumoren der Brustwand und des Mittelfellraums (Mediastinum) sowie Erkrankungen des Brustfells wie Pleuramesotheliom und Pleuraempyem. Die Klinik setzt auf moderne Operationsmethoden wie die videoassistierte bzw. roboterassistierte thorakoskopische Chirurgie (VATS/RATS) und parenchymsparende Verfahren, um möglichst viel gesundes Lungengewebe zu erhalten. Die Entscheidung über die optimale Therapie erfolgt stets in enger Abstimmung mit dem Team aus Onkologie, Radiologie und Strahlentherapie im Rahmen interdisziplinärer Tumorkonferenzen.

„Wir wollen die Thoraxchirurgie als integralen Bestandteil der VTG weiter stärken und neue Impulse für die chirurgische Krebsbehandlung setzen“, betont Prof. Jürgen Weitz, Direktor der Klinik für Viszeral-, Thorax- und Gefäßchirurgie. Hier gilt es auch, Zukunftsthemen im Blick zu haben. Das Dresdner Team um Dr. Alexander Kern setzt auf roboterassistierte Thoraxchirurgie, 3D-Rekonstruktionen zur OP-Planung von Lungenresektionen, den Einsatz von KI-Anwendungen in der Thoraxchirurgie sowie auf die Etablierung des Lungenkarzinomscreenings. Die Weiterentwicklung der Versorgung von Patientinnen und Patienten mit komplexen Lungenerkrankungen steht außerdem im Fokus. Dabei spielt die enge Verzahnung von Forschung und klinischer Praxis eine zentrale Rolle. „Wichtig ist es, über die Bildung von Zentren die Akteure in der Region und im Uniklinikum zu vernetzen – zum Wohle der Patientinnen und Patienten“, sagt Dr. Alexander Kern. Die sollen von den Chancen der Optimierung multimodaler Therapiekonzepte (Neoadjuvante Therapien) unter Einschluss der Thoraxchirurgie sowie von multimodalen Konzepten bei der Behandlung von Lungenmetastasen profitieren. „Die Thoraxchirurgie kann hier wesentliche Impulse beisteuern“, sagt der Chirurg.

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Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden
Klinik für Viszeral-, Thorax- und Gefäßchirurgie
Dr. Alexander Kern, Thoraxchirurgie
Tel. 0351 / 458-6755
http://ukdd.de/vtg
E-Mail: 

alexander.kern@uniklinikum-dresden.de

Dank Genetik zu besserer Prävention von Herzerkrankungen

Der Stoffwechsel eines Menschen ist so individuell wie ein Fingerabdruck und damit auch das Risiko, bestimmte Krankheiten zu entwickeln. 

Ein besseres Verständnis der genetischen Einflüsse auf den Stoffwechsel könnte neue Therapieoptionen eröffnen. 

Jetzt haben Forscher*innen des Berlin Institute of Health in der Charité (BIH) und der Queen Mary University London die bisher größte genetische Karte des menschlichen Stoffwechsels erstellt und die Auswirkungen unseres genetischen Codes auf Blutwerte wie Cholesterin und Aminosäuren untersucht. 

Ihre Ergebnisse haben die Forscher*innen in Nature Genetics veröffentlicht.

Unser Blut kann Aufschluss über unsere Gesundheit geben. Die Menge der Moleküle im Blut, die während unseres Stoffwechsels als Zwischen- oder Abbauprodukte entstehen, sogenannte Metaboliten, weist auf akute und zukünftige Krankheiten hin. 

Ein hoher Cholesterinspiegel beispielsweise kann dazu führen, dass sich das Blutfett Cholesterin in den Arterienwänden ablagert. 

Das wiederum verengt die Gefäße und kann das Risiko für einen Schlaganfall oder Herzinfarkt erhöhen.

Wie hoch unser Cholesterinspiegel oder Blutzucker sind, können wir über unseren Lebensstil wesentlich beeinflussen – was wir essen, ob wir rauchen oder wie viel wir uns bewegen. Doch auch ein gesunder Lebensstil kann in seltenen Fällen einen zu hohen Cholesterinspiegel nicht verhindern. Die Frage ist also: Welchen Einfluss hat die genetische Veranlagung auf unsere Blutwerte? Genau das haben jetzt Forscher*innen des Berlin Institute of Health in der Charité (BIH) und der Queen Mary University London (QMUL) untersucht.

Genanalyse durch Zusammenarbeit von Wissenschaft und Industrie

Anhand von Daten einer halben Million Personen aus der UK Biobank untersuchten sie mithilfe des Industriepartners Nightingale Health Plc die Auswirkungen verschiedener Genvarianten auf die Werte von 250 Molekülen im Blut. 

Dazu kombinierten die Forscher*innen die genetischen Daten von Menschen in Großbritannien mit europäischer, asiatischer und afrikanischer Herkunft mit detaillierten Messungen ihres Stoffwechsels. 

„Unsere Arbeit zeigt, wie wichtig Kollaborationen zwischen Wissenschaft und Industrie sind, denn erst Nightingale Health ermöglichte die Messung aller 500.000 Blutproben. 

Dieser Umfang und das Engagement sind erforderlich, um seltene genetische Variationen, die den Unterschieden im menschlichen Stoffwechsel und in der Gesundheit zugrunde liegen, zuverlässig zu identifizieren“, sagt die leitende Autorin der Studie, Claudia Langenberg, Leiterin der Gruppe für Computational Medicine am BIH und Direktorin des PHURI am der Queen Mary University of London. Das Ergebnis ist eine umfangreiche genetische Karte des menschlichen Stoffwechsels. Dabei waren die Effekte von genetischen Variationen bei Frauen und Männern sowie Teilnehmenden verschiedener Herkunft ähnlich und lassen sich daher verallgemeinern.

Dank Genetik zu besserer Prävention von Herzerkrankungen

„Die genetische Kartierung des Stoffwechsels liefert eine wichtige Referenz, um das Krankheitsrisiko aufgrund bestimmter Blutwerte noch besser zu verstehen“, sagt Erstautor Martijn Zoodsma, Postdoktorand am BIH. 

So identifizierten die Forscher*innen etwa ein neues Gen namens VEGFA, das möglicherweise Aspekte der dichteren Form von Cholesterin (HDL) steuert. Dieses Gen könnte ein Ansatzpunkt für die Entwicklung neuer Medikamente sein, die zur Vorbeugung von Herzerkrankungen beitragen. „Die Entwicklung von Medikamenten zur Senkung von erhöhten Blutfettwerten hat schon Millionen Menschen das Leben gerettet, doch noch immer sind koronare Herzerkrankungen als Folge zu hoher Blutfettwerte eine der häufigsten Todesursachen. 

Unsere Erkenntnisse zeigen hoffentlich neue Wege zu besserer Prävention“ ergänzt Maik Pietzner, leitender Autor der Studie und Professor für Health Data Modelling am BIH und PHURI. Auf diesem Weg ist die Studie der Forscher*innen des BIH und der QMUL ein weiterer wichtiger Schritt.

Originalpublikation:
Zoodsma, M. et al. A genetic map of human metabolism across the allele frequency spectrum; Nature Genetics; 03 Oct 2025, doi. 10.1038/s41588-025-02355-3.

Der Gebärmutterhals

Epithelzellen, die den Gebärmutterhals auskleiden, sind nicht nur passive Barrieren. 

Wie eine jetzt veröffentlichte Studie zeigt, verfügen diese Zellen über eine eigene „Immunintelligenz” und können Abwehrmaßnahmen vorbereitet, bevor sich eine Infektion ausbreitet.

Sexuell übertragbare Infektionen gehören zu den weltweit häufigsten Infektionen; mehr als eine Milliarde Menschen sind davon betroffen. Sie tragen zu Unfruchtbarkeit und Komplikationen in der Schwangerschaft bei und erhöhen das Risiko für verschiedene Krebsarten. Eine wesentliche Rolle in diesen Prozessen spielt die Schleimhaut des weiblichen Fortpflanzungstrakts – speziell im Gebärmutterhals. Die Frage, wie dieses Gewebe Krankheitserreger wahrnimmt und möglicherweise abwehrt, ist daher für die globale Gesundheit von entscheidender Bedeutung.

Neue Erkenntnisse über diese Vorgänge hat jetzt internationales Forschungsteam aus Aarhus, Würzburg und Berlin gewonnen. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler konnten zeigen, dass Epithelzellen im Gebärmutterhals selbst die Immunantwort koordinieren. „Sie sind keine passiven Mauern, sondern aktive Wächter der Gewebegesundheit“, sagt Prof. Dr. Cindrilla Chumduri, Studienleiterin und Hauptautorin der jetzt in der Fachzeitschrift Science Advances veröffentlichten Studie.

Ein immunkompetentes Gewebe

Diese Entdeckung verändert nach den Worten des Forschungsteams die Sichtweise auf den Gebärmutterhals: „Er ist nicht nur eine Barriere, sondern ein immunkompetentes Gewebe, das komplexe Abwehrmechanismen koordinieren kann“, so Cindrilla Chumduri. Die neuen Erkenntnisse bieten damit einen neuen Ansatz für die Infektionsbiologie und wirken sich auf eine Reihe von Anwendungen aus, wie beispielsweise:

• Schleimhautimpfstoffe, die auf die Abwehrkräfte des Epithels abzielen
• Therapien zur Stärkung der angeborenen Abwehrkräfte gegen bakterielle und virale sexuell übertragbare Infektionen.

Darüber hinaus liefern sie einen Ansatz für eine bessere Prävention von infektionsbedingten Krebserkrankungen und Unfruchtbarkeit.

Cindrilla Chumduri ist Infektions- und Krebsbiologin und forscht schon seit Langem an den physiologischen Prozessen im Gebärmutterhalsgewebe – zuerst als Arbeitsgruppenleiterin am Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie (Berlin) und am Lehrstuhl für Mikrobiologie der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU), inzwischen als Professorin am Department of Biological and Chemical Engineering der Aarhus Universität.

„Anatomisch betrachtet ist der Gebärmutterhals ein kompliziertes Gebilde“, sagt die Wissenschaftlerin. Das Bindeglied zwischen Gebärmutterhöhle und Vagina besteht aus dem sogenannten Endozervix, der an die Gebärmutter angrenzt, und dem Ektozervix, der in die Vagina hineinragt. Diese werden von unterschiedlichen Zelltypen ausgekleidet: Während im Endozervix ein säulenförmiges Epithel vorliegt, findet sich im Ektozervix ein mehrschichtiges Plattenepithel.

Zwei Regionen, zwei Verteidigungsstrategien

Für seine jetzt veröffentlichte Studie hat das Forschungsteam auf sogenannte 3D-Organoidmodelle gesetzt. Mit ihrer dreidimensionalen Gewebearchitektur und -zusammensetzung ähneln diese Laborkulturen ihren natürlichen Vorbildern und behalten die funktionellen Eigenschaften des ursprünglichen Gewebes bei.

Durch den Vergleich von Organoiden mit primärem Gebärmutterhalsgewebe mithilfe der Einzelzellauflösung konnte das Team nachweisen, dass diese Modelle die in vivo vorhandenen Epithel-Subtypen und ihre Abwehrprogramme originalgetreu reproduzieren. „Solche Modelle werden zunehmend als Forschungsplattformen anerkannt“, sagt Cindrilla Chumduri. Die Arbeit ihres Labors veranschaulicht, wie Organoid-Systeme neue Erkenntnisse über Infektionen und die Biologie von Krebserkrankungen liefern können.

Mithilfe einer speziellen Technik, der sogenannten Einzelzell-RNA-Sequenzierung, haben Chindrilla und ihr Team erstmals kartiert, wie Tausende einzelner Epithelzellen auf eine Infektion mit Chlamydia trachomatis, dem häufigsten Erreger sexuell übertragbarer Krankheiten, reagieren.

Dabei zeigte sich, dass:

• Plattenepithelzellen der Ektozervix sich auf die Verstärkung der Barriere konzentrieren
• und Zylinderepithelzellen der Endozervix als Immunsignale fungieren und bestimmte Immunantworten sowie antimikrobielle Abwehrmechanismen aktivieren – selbst, wenn sie nicht infiziert sind.

Subtypen mit besonderen Aufgaben

Weiter fand das Team heraus, dass innerhalb jeder Region spezialisierte Epithel-Subtypen unterschiedliche Aufgaben erfüllten. In der Ektozervix konzentrierten sich einige Subtypen auf Regeneration und Reparatur. In der Endozervix waren sogenannte Bystander-Zellen, die nie direkt infiziert waren, am immunaktivsten.

„Die Bystander-Zellen haben uns am meisten überrascht“, sagt Dr. Pon Ganish Prakash, Erstautor der Studie, der die computergestützte Analyse der Einzelzell-Sequenzierungsdaten durchgeführt hat. „Sie wurden zu den dominierenden Verteidigern und verstärkten die Immunsignale ohne direkte Infektion.“

Zelluläre Kommunikation

Das Team entschlüsselte auch, wie Epithel-Subtypen mithilfe chemischer Signale miteinander kommunizieren, und deckte dabei eine verborgene „Kommunikation“ auf, die ein Gleichgewicht zwischen Abwehr und Reparatur herstellt.

„Die Arbeit mit diesen Organoidmodellen ermöglichte es uns, die Infektionsdynamik auf kontrollierte und realistische Weise nachzubilden“, erklärt Dr. Naveen Kumar Nirchal. „Wir konnten beobachten, wie bestimmte Epithel-Subtypen als Knotenpunkte fungieren und Signale senden, die ihre Nachbarn mobilisieren.“

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Heterogenität des Epithels von entscheidender Bedeutung ist. Jeder Subtyp hat seine eigene Aufgabe beim Schutz des Gebärmutterhalses und bei der Verhinderung der Ausbreitung von Infektionen auf die oberen Fortpflanzungsorgane“, fügt Dr. Rajendra Kumar Gurumurthy, leitender Wissenschaftler, hinzu.

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Prof. Dr. Cindrilla Chumduri, Medical Biotechnology Section, Department of Biological and Chemical Engineering, Aarhus University cindrilla.chumduri@bce.au.dk

Originalpublikation:
Single-cell atlas of cervical organoids uncovers epithelial immune heterogeneity and intercellular crosstalk during Chlamydia infection. Pon Ganish Prakash, Naveen Kumar Nirchal, Stefanie Köster, Christian Wentland, Jayabhuvaneshwari Dhanraj, Rajendra Kumar Gurumurthy, Cindrilla Chumduri. Science Advances, DOI: 10.1126/sciadv.ady1640

Therapie nach Diagnostik

Katharina Hüfner ist Neurologin und Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin. 

Sie hat sich in der Alpinpsychiatrie einen Namen gemacht, z.B. mit Untersuchungen zu Suchtaspekten beim Bergsteigen und psychotischen Symptomen in der Höhe. 

Seit einem Jahr leitet sie die Univ.-Klinik für Psychiatrie II (Psychosomatische Medizin) in Innsbruck. Im Interview zum World Mental Health Day spricht sie über die großen Missverständnisse der Psychosomatik und erklärt, wie Körper und Psyche zusammenhängen

Das Wort „psychosomatisch“ wird im Alltag oft verwendet. Was bedeutet es wirklich?

Katharina Hüfner: Neben den biochemischen Vorgängen in einzelnen Organen betrifft Krankheit immer den ganzen Menschen. Deshalb muss man aus der Perspektive der psychosomatischen Medizin stets den gesamten Menschen behandeln – nicht ein Organ oder eine einzelne Funktionsstörung. Eine körperliche Erkrankung kann psychisch belasten und auch immunologische Veränderungen hervorrufen, die Angst oder depressive Symptome begünstigen. Umgekehrt kann psychischer Stress körperliche Symptome erzeugen oder verstärken. In unserer Umgangssprache gibt es viele Redewendungen, die auf die Psychosomatik hinweisen: Es bleibt einem die Luft weg, etwas bereitet Kopfzerbrechen, oder zieht einem den Boden unter den Füßen weg. Diese Redewendungen zeigen, dass der Zusammenhang von Körper und Psyche seit jeher und auch in vielen Kulturen bekannt ist.

Sie haben immunologische Veränderungen erwähnt. Was genau ist Psychoneuroimmunologie?

Das kennt wahrscheinlich jede:r: Wer mit einer Verkühlung aufwacht, ist auch psychisch nicht fit. Bei einem akuten Infekt fühlt man sich niedergeschlagen und hat weniger Lust, andere zu treffen. 

Dieses Phänomen nennt man Sickness Behaviour. 

Evolutionär dient der Rückzug dazu, Erholung zu ermöglichen. 

Wenn jedoch ein langanhaltender, chronischer Immunprozess vorliegt, etwa bei rheumatoider Arthritis, können sich depressive Symptome langfristig zeigen und es kann eine depressive Erkrankung entstehen. 

Allerdings hat eine Depression fast nie nur eine einzige Ursache: 

MaAB Cave:

Immundysregulation und Veränderungen in der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse (auch: Cortisol-Achse) sind wichtige biologischen Faktoren.

Psychische Faktoren, wie etwa hohe Anforderungen in der Arbeit, und soziale Faktoren, wie z.B. Einsamkeit, kommen ebenso dazu. 

Auch sie können zu Immunveränderungen führen. 

Die Beschäftigung mit diesen Zusammenhängen nennt man Psychoneuroimmunologie.

Warum fühlen sich manche Patient:innen mit ihren Beschwerden nicht ernstgenommen, wenn von Psychosomatik die Rede ist?

Ich glaube, das hat damit zu tun, dass manchmal davon gesprochen wird, dass etwas „nur“ psychisch sei. 

Oder auch, wenn „psychosomatisch“ mit „eingebildet“ oder „vorgetäuscht“ gleichgesetzt wird, also als keine „richtige“ Erkrankung wahrgenommen wird. Das ist aber definitiv falsch. 

Psychosomatische Symptome und Erkrankungen sind real und gehen mit biologischen Veränderungen einher. 

Wenn ich beispielsweise aufgrund von psychischem Stress Herzklopfen und Herzrasen entwickle, bilde ich mir das nicht ein, es ist messbar. 

Einsamkeit kann ebenfalls immunologische und hormonelle Veränderungen hervorrufen, die sich dann in körperlichen Symptomen niederschlagen. 

Der Nachweis biologischer und physiologischer Marker bei psychosomatischen Beschwerden ist der Beweis dafür, dass diese Beschwerden echt sind. 

Trotzdem spielen neben den biologischen Faktoren eben auch psychische und soziale Aspekte eine wichtige Rolle bei diesen Beschwerden. 

Sie interagieren alle bei der Krankheitsentstehung. Aktuell wird besonders viel daran geforscht, wie traumatische Erfahrungen in der Kindheit das Immunsystem und das Hormonsystem verändern und so körperliche und psychische Erkrankungen begünstigen können.

Wie wird eine psychosomatische Diagnose gestellt?

Manchmal ist der Zusammenhang offensichtlich, z.B. nach einem akuten psychischen Trauma mit anschließenden dissoziativen („nicht-epileptischen“) Anfällen. 

Viel häufiger wirken jedoch mehrere Faktoren in unterschiedlichem Ausmaß zusammen: 

Das reicht von genetischen Risikofaktoren und epigenetischen Veränderungen über körperliche Erkrankungen, psychischen Stress, kulturelle Prägungen bis hin zu Vorerfahrungen der Person mit Erkrankungen und dem Gesundheitssystem. 

Ausführliche und genaue Patient:innen-Gespräche sind notwendig, um diese Zusammenhänge zu beleuchten. 

Im Vergütungssystem wird das zu wenig berücksichtigt.

Sie haben vor rund einem Jahr die Klinikleitung übernommen. Vorher haben Sie viel über Alpinpsychiatrie geforscht. Bleibt dafür noch Zeit?

Auf jeden Fall, ich mache das ja nicht alleine, sondern gemeinsam mit einem super Team. Sport, Hypoxie (Sauerstoffmangelversorgung des Gehirns, Anm.), alpine Umgebung und psychische Gesundheit werden weiter ein Schwerpunkt unserer Klinik sein. 

Wir haben in Innsbruck auf diesem Gebiet Pionierarbeit geleistet und uns einiges an Expertise aufgebaut. Aktuell arbeiten wir u. a. zu epigenetischen Veränderungen beim therapeutischen Klettern mit Angstpatient:innen, und wir prüfen im „Exercise is Medicine“-Projekt, wie Bergsport bei Personen mit Depressionen therapeutisch genutzt werden kann. 

Ein weiteres Thema ist die Wirkung von Hypoxie: Moderate Hypoxie (bis zu einem Äquivalent von 3000 m) kann möglicherweise neurobiologisch günstig wirken, starke Hypoxie ist schädlich. Epidemiologische Daten zeigen geringere Raten psychischer Erkrankungen bei Menschen, die in mittleren Höhenlagen leben.

Welche Behandlungsstrukturen bietet ihre Klinik an?

Die Psychiatrie II ist eine Referenzeinrichtung für Psychosomatische Medizin in Tirol. Im ambulanten Bereich sind wir auf die umfassende Diagnostik psychosomatischer Beschwerden spezialisiert. Im Konsiliar-Liason-Dienst arbeiten wir eng mit den Teams in den anderen Kliniken zusammen, um Patient:innen mit körperlichen und psychischen Beschwerden bestmöglich zu betreuen. Wir bieten tagesklinische Behandlungsplätze sowohl im Erwachsenenbereich als auch im Adoleszenzbereich (16 bis 24 Jahre; gemeinsam mit den Kolleg:innen der Kinder- und Jugendpsychiatrie). Stationäre Aufenthalte an unserer Station für Psychosomatische Medizin finden nach einem ambulanten Vorgespräch statt, in dem das Therapieziel vorab mit den Patient:innen gemeinsam definiert wird.

Welche Therapiemöglichkeiten gibt es dort?

Wir bieten multimodale Therapien an. Das bedeutet, dass nach einer klaren Diagnose zu Beginn ein individuelles Therapieangebot zusammengestellt wird. Dieses besteht aus Bausteinen, wie Psychotherapie, Sport und Bewegung, Ergotherapie, Kochgruppe, Entspannungstraining, Berufsplanung mit der Sozialarbeit, Biofeedback und ärztlichen Visiten. Wir nutzen auch moderne Therapieverfahren, z.B. mittels Virtual Reality und wir monitorisieren den Therapieverlauf anhand digitaler Selbstbeurteilungs-Tools. Besonders bei jungen Erwachsenen fällt uns häufig die „Knowledge-Action-Gap“ auf: Sie sind super informiert, wissen, was gut für sie wäre und was zu tun wäre, setzen es aber schwer um. Deshalb legen wir Wert auf praktische Umsetzung und Übung: Klettertherapie, statt über Bewegung sprechen; in einer Gruppentherapie echte Konflikte untereinander lösen, statt theoretisch über Kommunikation zu sprechen.

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Univ.-Prof. Dr.med. Katharina Hüfner
Universitätsklinik für Psychiatrie II
Tel.: +43 50 504 23639
E-Mail: Katharina.Huefner@i-med.ac.at

Veränderungen im Kleinhirn bei spinaler Muskelatrophie

Die spinale Muskelatrophie beeinträchtigt alle Muskeln des Körpers. 

Sie galt lange Zeit als eine Erkrankung, die ausschließlich durch den Verlust von Nervenzellen im Rückenmark verursacht wird. Ein Forschungsteam des Carl-Ludwig-Instituts für Physiologie der Universität Leipzig konnte nun zeigen, dass zudem das Kleinhirn, das für die Bewegungskoordination wichtig ist, aber auch soziale und kognitive Prozesse beeinflusst, eine Rolle bei der Entstehung der spinalen Muskelatrophie spielt. Die Studie wurde im Journal "Brain" veröffentlicht.

Die spinale Muskelatrophie ist eine seltene, genetisch bedingte Erkrankung von Nervenzellen des Rückenmarks, die schon im Säuglingsalter auftreten kann. Die Erkrankung führt zu einem fortschreitenden Verlust von Muskelkraft. Betroffene leiden oft schon früh an Muskelschwäche sowie Schwierigkeiten bei Bewegung, Atmung und Schlucken. Durch den medizinischen Fortschritt stehen mittlerweile Therapien zur Verfügung, die das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen. Dennoch bleiben motorische Einschränkungen bestehen und es treten zunehmend kognitive und soziale Auffälligkeiten auf.

Die spinale Muskelatrophie wurde lange Zeit ausschließlich als eine Erkrankung der Motoneurone verstanden, bei der jene Nervenzellen ihre Funktion verlieren, die direkt für die Ansteuerung der Muskulatur verantwortlich sind. In den vergangenen Jahren konnten Wissenschaftler:innen zeigen, dass auch andere Nervenzellen im Rückenmark, die die Muskulatur nicht direkt steuern, zur Krankheit beitragen. Basierend auf diesen Ergebnissen haben Forscher:innen des Carl-Ludwig-Instituts für Physiologie nun untersucht, ob weitere Regionen des Nervensystems an der Entstehung der spinalen Muskelatrophie beteiligt sind.

In der aktuellen Studie fanden sie heraus, dass auch das Kleinhirn zur Krankheitsentstehung beiträgt. „Unsere Ergebnisse verdeutlichen, dass das Kleinhirn nicht nur von der Krankheit betroffen, sondern ein eigenständiger Treiber der Symptome ist. Damit liefern die aktuellen Befunde eine mögliche Erklärung für die anhaltenden motorischen Einschränkungen und die neu auftretenden sozialen sowie kognitiven Probleme von Patient:innen trotz moderner Therapien“, sagt Dr. Christian Simon, Leiter der Studie und Wissenschaftler an der Medizinischen Fakultät.

Bei den Untersuchungen konnten die Leipziger Forscher:innen nachweisen, dass Purkinje-Zellen – zentrale Nervenzellen des Kleinhirns – bei spinaler Muskelatrophie geschädigt werden. Ursache ist die Aktivierung eines bestimmten Signalwegs, der zum Zelltod und zu erheblichen Störungen in den Netzwerken des Kleinhirns führt. Die Folgen zeigten sich im Mausmodell: Tiere mit spinaler Muskelatrophie wiesen neben motorischen Beeinträchtigungen auch eine deutlich verringerte kommunikative Aktivität auf, die sich in reduzierten Ultraschallvokalisationen äußerte, also hochfrequenten Lauten, mit denen Mäuse normalerweise kommunizieren. Durch die gezielte Wiederherstellung des fehlenden Proteins in den Purkinje-Zellen konnten sowohl die motorischen als auch sozialen Defizite teilweise verbessert werden.

Das Carl-Ludwig-Institut für Physiologie verfügt über eine ausgewiesene Expertise in der Kleinhirnphysiologie. Für die aktuellen Untersuchungen wurden hochauflösende Bildgebung und Patch-Clamp-Messungen an Kleinhirnschnitten von Mäusen genutzt. Zusätzlich setzten die Leipziger Wissenschaftler:innen virale Vektoren ein, um die Genexpression der Mäuse gezielt zu manipulieren.

Eine Besonderheit der wissenschaftlichen Arbeit: Drei der vier Erstautor:innen sind Studierende der Humanmedizin und haben im Rahmen ihrer Promotionsarbeit zu dieser Publikation beigetragen. Sie wurden dabei teilweise durch Promotionsstipendien der Medizinischen Fakultät gefördert. Internationale Kooperationen mit der Columbia University, der Johns Hopkins University und der Universität Ulm haben das Projekt maßgeblich unterstützt.

„Unsere Forschung liefert eine wichtige Basis für weitere Studien, die die Veränderungen im Kleinhirn bei spinaler Muskelatrophie in größeren Gruppen von Patient:innen untersuchen sollen. Als nächsten Schritt wollen wir vorhandene Therapien an unseren Mausmodellen testen, um zu prüfen, ob sich die Veränderungen im Kleinhirn und die damit verbundenen sozialen Symptome bei der Erkrankung verbessern lassen“, erklärt Dr. Simon.

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Dr. Christian Simon
Universität Leipzig, Medizinische Fakultät
Wissenschaftler, Carl-Ludwig-Institut für Physiologie
Christian.Simon@medizin.uni-leipzig.de

Originalpublikation:
https://doi.org/10.1093/brain/awaf336, Originalpublikation in Brain: Cerebellar pathology contributes to neurodevelopmental deficits in spinal muscular atrophy.

Kokain

Noch nie war so viel Kokain weltweit im Umlauf wie heute – auch in Europa steigt die Nachfrage rasant. 

Der Hamburger Hafen spielt dabei eine zentrale Rolle als wichtiger Umschlagplatz für den Drogenschmuggel aus Lateinamerika. 

Doch Kokain ist nur ein Teil eines komplexen globalen Problems: Captagon, Fentanyl, Methamphetamin und andere Substanzen verbreiten sich extrem schnell und verursachen Gewalt, Korruption, Gesundheitskrisen und soziale Verwerfungen.

Die GIGA-Forschenden Prof. Dr. Sabine Kurtenbach, Janaina Maldonado und Dr. Jonas von Hoffmann haben gemeinsam mit Partnern der EU-LAC Foundation und dem Hamburg Institute for Advanced Studies (HIAS) einen Policy Brief veröffentlicht, in dem sie sich für eine umfassende und koordinierte Strategie gegen Drogenhandel aussprechen und die Eindämmung des Drogenhandels als globale Aufgabe sehen.

In einem Interview geben sie Einblicke in die zentralen Erkenntnisse und skizzieren, wie eine nachhaltige Drogenpolitik aussehen könnte.

Der Policy Brief stellt einige der Kernthemen und Erkenntnisse vor, die aus dem Workshop „Port Cities Fighting Transatlantic Drug Trafficking” hervorgegangen sind, der Anfang April 2025 von der EU-LAC Foundation und dem German Institute for Global and Area Studies (GIGA) mit Unterstützung der Stadt Hamburg gemeinsam organisiert wurde. 

Die Veranstaltung bot einen einzigartigen Rahmen für eine tiefgehende, interdisziplinäre und aufschlussreiche Diskussion zwischen Expert:innen mit unterschiedlichem Hintergrund. 

Im Mittelpunkt des Workshops stand der Austausch von Wissen sowie die Förderung praxisorientierter Überlegungen zur sich wandelnden Dynamik des Drogenhandels von Lateinamerika und der Karibik nach Europa, wobei insbesondere die Rolle der Häfen und Hafenstädte thematisiert wurde.

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Prof. Dr. Sabine Kurtenbach
https://www.giga-hamburg.de/en/the-giga/team/kurtenbach-sabine
sabine.kurtenbach@giga-hamburg.de

Janaina Maldonado Guerra da Cunha
https://www.giga-hamburg.de/en/the-giga/team/maldonado-guerrada-cunha-janaina
janaina.maldonado@giga-hamburg.de

Dr. Jonas von Hoffmann
https://www.giga-hamburg.de/en/the-giga/team/von-hoffmann-jonas
jonas.vonhoffmann@giga-hamburg.de

Originalpublikation:
Drugs, Ports and Other Challenges: In Need of a Comprehensive and Coordinated Multilevel Strategy
https://eulacfoundation.org/sites/default/files/2025-09/policy-brief-no12-en.pdf

Kinder ein Schädelhirntrauma...

Ein Sturz beim Spielen, ein Zusammenstoß beim Sport – schon ist es passiert: 

Jedes Jahr erleiden in Deutschland tausende Kinder ein Schädelhirntrauma. Meist handelt es sich um eine milde Form, die zwar ärztlich kontrolliert werden muss, aber selten lebensbedrohlich ist. Dennoch verbringen jährlich rund 92.000 Kinder sicherheitshalber Zeit im Krankenhaus – oft unnötig. Für Familien ist das sehr belastend, für das Gesundheitssystem teuer. Das Team des Projekts SaVeBRAIN.Kids verfolgt einen neuen Ansatz, um die Zahl von Krankenhausaufnahmen zu reduzieren. Die Konsortialführung liegt bei Privatdozentin Dr. Nora Bruns, sie forscht an der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen.

Im Zuge einer Studie wird erstmals eine digital gestützte Versorgung getestet, die Kindern eine sichere Betreuung zuhause ermöglichen soll. „Wir entwickeln eine Alternative zur stationären Überwachung, von der alle profitieren – die kleinen Patient:innen, ihre Familien und das gesamte Gesundheitssystem“, sagt PD Dr. Nora Bruns. Sie ist Konsortialführerin und arbeitet als Oberärztin an der Klinik für Kinderheilkunde I des Universitätsklinikums Essen.

Im Mittelpunkt stehen zwei digitale Werkzeuge: ein Arztcockpit für die strukturierte Untersuchung in der Klinik und eine Smartphone-App für die Eltern der betroffenen Kinder. Das Arztcockpit hilft Ärzt:innen, die Befunde präzise zu erfassen. Die App hingegen erinnert die Familien nach der Entlassung zu festen Zeitpunkten und mit einfachen Fragen an die Überprüfung des Gesundheitszustand des Kindes. So behalten Eltern die wichtigsten Symptome im Blick und haben alle Informationen griffbereit. Die App ersetzt keinen Besuch bei einer Ärztin oder einem Arzt, sondern ergänzt ihn um eine verlässliche und leicht verständliche Anleitung.

„Unser Ziel ist, die Anzahl stationärer Aufnahmen um 20 Prozent zu verringern. Denn viele Kinder können zuhause genauso sicher überwacht werden, wenn Eltern gut unterstützt werden und behandelnde Ärzt:innen auf standardisierte Daten zurückgreifen können“, sagt PD Dr. Bruns.

Die Studie läuft seit September 2025 und schließt knapp 1.400 Kinder ein. Dabei wird nicht nur untersucht, wie wirksam die neue Versorgung medizinisch ist. Auch wirtschaftliche Aspekte und die Erfahrungen von Eltern, Kindern und medizinischem Personal spielen eine Rolle Am Ende sollen klare Empfehlungen stehen, wie sich digitale Lösungen dauerhaft in die Regelversorgung integrieren lässt. Getragen wird SaVeBRAIN.Kids von einem Konsortium aus Instituten, Kliniken, Krankenkassen, Hochschulen und Technologiepartner:innen. Gefördert wird es vom Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses über 3,5 Jahre mit rund 5,9 Millionen Euro. An die Wissenschaftler:innen der Medizinischen Fakultät fließen davon knapp 2,8 Millionen Euro.

Martin Rolshoven, Medizinische Fakultät der Universität Duisburg-Essen, Tel. 0201/723-6274, martin.rolshoven@uk-essen.de

MaAB - Medizin am Abend Berlin Fortbildungen VOR ORT

PD Dr. Nora Bruns, Universitätsklinikum Essen, Klinik für Kinderheilkunde I, Tel. 0201/723-7192, nora.bruns@uk-essen.de

Weitere Informationen finden Sie unter
https://savebrain.de

Zelluläre Überlebens- und Heilungsprozesse

Von Max-Planck-Chemikern entwickelte neuartige Substanz stört die Stressbewältigung der Krebszellen

Krebszellen sind ziemlich clever und auch dreist – sie kapern zelluläre Überlebens- und Heilungsprozesse, um ihr Wachstum anzukurbeln, sich im Körper auszubreiten und ihr eigenes Überleben so zu sichern. 

Die „Unfolded Protein Response“ (UPR), die Zellen vor Stress schützt, ist ein solcher Überlebensmechanismus. 

Einer ihrer wichtigsten Regulatoren, das „inositol-requiring enzyme 1“ (IRE1), ist ein vielversprechendes Ziel für die Entwicklung von Therapien gegen Krebs und eine Vielzahl anderer schwerer Krankheiten. Nun hat ein Forschungsteam am Max-Planck-Institut für molekulare Physiologie in Dortmund unter der Leitung von Forschungsgruppenleiter Peng Wu eine neuartige Substanz entwickelt, die IRE1 durch einen Mechanismus hemmt, der sich von den bereits existierenden Inhibitoren unterscheidet. Dies könnte neue therapeutische Wege für die Behandlung von Krebs und anderen menschlichen Krankheiten eröffnen.

Die Wäsche ist noch nicht gewaschen, das Fahrrad muss repariert werden und die Rechnungen sind auch noch nicht bezahlt. Unerledigte Aufgaben verursachen Stress. 

Das gleiche Prinzip gilt auch für unsere Zellen. 

Wenn zu viele Proteine falsch oder sogar fehlgefaltet sind, können sie ihre Funktionen nicht erfüllen und die Zelle gerät unter Stress. 

Um mit diesem Stress fertig zu werden, haben Zellen die „Unfolded Protein Response“ (UPR) entwickelt. Sobald diese durch Stress im Endoplasmatischen Retikulum (ER) – der proteinproduzierenden Organelle in der Zelle – aktiviert wird, wird eine Kaskade von Schutzmechanismen ausgelöst, um die ordnungsgemäße Proteinfaltung wiederherzustellen. Einer der wichtigsten Antreiber des UPR ist IRE1, ein Protein, das in die ER-Membran eingebettet ist. IRE1 ist an einer Vielzahl von Krankheiten beteiligt, darunter Immun-, Stoffwechsel- und neurodegenerative Erkrankungen sowie Krebs, und ist daher zu einem relevanten therapeutischen Ziel geworden.

Krebszellen leben unter ständigem Stress::

Tumore werden oft als „Wunden, die niemals heilen“ beschrieben. Krebszellen schaffen eine toxische Umgebung, die sauer, nährstoff- und sauerstoffarm ist. Obwohl dies kontraproduktiv erscheint, ist es tatsächlich eine clevere Strategie: Die lebensfeindlichen Bedingungen aktivieren evolutionäre, zelluläre Überlebenswege, die von den Krebszellen gekapert und umfunktioniert werden, um das Tumorwachstum und -überleben zu unterstützen. „Es ist bekannt, dass die Aktivierung des UPR über IRE1 zur Entstehung und zum Fortschreiten der meisten Krebsarten beiträgt, darunter Leukämie, Glioblastom, Myelom, Brust- und Darmkrebs. Eine hohe IRE1-Aktivität ist auch mit einer zunehmend schlechteren Prognose verbunden“, sagt Peng Wu. In den letzten zehn Jahren sind Signalproteine des UPR zu attraktiven Zielen für die Entwicklung neuartiger Krebstherapien geworden, und es steht mittlerweile eine wachsende Auswahl an medikamentenähnlichen Molekülen zur Verfügung. Viele dieser Verbindungen sind jedoch nur beschränkt einsetzbar.

Ein neuer Hemmmechanismus – hier binden, dort hemmen
Die Gruppe um Wu hat nun einen hochwirksamen IRE1-Inhibitor mit einem einzigartigen Hemmmechanismus entwickelt. In einem ersten Schritt entwickelten die Forschenden einen robusten Assay, um die Wirkung potenzieller IRE1-Inhibitoren zu bewerten. Mit diesem Assay durchsuchten sie eine Bibliothek von ca. 10.000 chemisch unterschiedlichen Verbindungen und identifizierten indolbasierte Gerüste als besonders vielversprechende „Treffer“. Eine systematische Strukturoptimierung dieser Substanzen ergab eine Leitverbindung, die anschließend biochemisch, biophysikalisch und hinsichtlich ihrer Wechselwirkung mit IRE1 charakterisiert wurde. Dabei zeigte sich ihr einzigartiger Hemmungsmechanismus: Anstatt eine der beiden katalytischen Stellen von IRE1 (die Kinase- oder die RNAse-Domäne) durch Bindung zu hemmen, bindet die Verbindung an die Kinase-Domäne und unterdrückt durch diese Wechselwirkung allosterisch die RNAse-Aktivität, die die UPR antreibt. Mit anderen Worten: Die Verbindung „bindet hier, hemmt aber dort”.

Neue therapeutische Möglichkeiten
Unser Verständnis der Unfolded Protein Response hat sich in den letzten Jahrzehnten stetig weiterentwickelt, und die ersten medikamentenähnlichen Moleküle, die auf diesen Prozess abzielen, haben sich in präklinischen Krankheitsmodellen als vielversprechend erwiesen. Viele der bestehenden Wirkstoffe leiden jedoch unter einer schlechten Pharmakokinetik und verursachen erhebliche Nebenwirkungen – insbesondere eine hohe Pankreastoxizität. Es wird vermutet, dass bestimmte reaktive Molekülteile in diesen Verbindungen zelluläre Prozesse stören, die nichts mit der IRE1-Aktivität zu tun haben. Darüber hinaus sind einige Hemmmechanismen noch nicht vollständig verstanden.

 „Strukturelle und funktionelle Studien wie die unsere, die den Wirkmechanismus klar aufzeigen, sind von großem Wert und werden die Entwicklung von IRE1-Inhibitoren der nächsten Generation beschleunigen“, sagt Wu. Solche Verbindungen könnten auch als Werkzeuge in der Krebsforschung genutzt werden, um zu bestimmen, welcher Ansatz zur Krebsbekämpfung in der klinischen Praxis am besten geeignet ist und welche Krankheiten beim Menschen durch die gezielte Beeinflussung der Unfolded Protein Response am effektivsten behandelt werden können.

Originalpublikation:
Liu Y, Goebel L, Avathan Veettil AK, Gasper R, Jian M, Wagner L, Hastürk O, Wu P (2025). Harnessing Indole Scaffolds to Identify Small-molecule IRE1α Inhibitors Modulating XBP1 mRNA Splicing. Nat Commun.
Doi: 10.1038/s41467-025-64291-4
https://www.nature.com/articles/s41467-025-64291-4

Muskel-Leber-Gesundheit Labor AST + ALT

Forscher*innen verknüpfen körperliche Fitness mit Biomarkern – Aspartat tritt als Schlüsselmetabolit hervor

Kann ein einfacher Bluttest zeigen, wie gut jemand altert? Ein Forscherteam um Wolfram Weckwerth von der Universität Wien und der Nankai-Universität hat fortschrittliche Metabolomik mit modernster künstlicher Intelligenz und einem neuartigen Netzwerkmodellierungs-Tool kombiniert, um die zentralen molekularen Prozesse des aktiven Alterns zu entschlüsseln. Ihre Studie, veröffentlicht im Fachjournal npj Systems Biology and Applications (Nature Publishing Group), identifiziert Aspartat als dominanten Biomarker für körperliche Fitness und kartiert die dynamischen Interaktionen, die ein gesünderes Altern unterstützen.

Dass Bewegung Mobilität schützt und das Risiko chronischer Erkrankungen senkt, ist seit Langem bekannt. Doch die genauen molekularen Prozesse, die körperliche Aktivität in gesünderes Altern übersetzen, waren bislang kaum erforscht. Die Forscher*innen stellten sich daher eine scheinbar einfache Frage: Lassen sich die Vorteile eines aktiven Lebensstils bei älteren Menschen direkt im Blut erkennen – und welche Moleküle spielen dabei die größte Rolle?

Von Fitnesstests zu Blut-Fingerprints: Body Activity Index und Metabolomics Index

Die Forscher entwickelten zunächst einen "Body Activity Index" (BAI), indem sie mittels kanonischer Korrelationsanalyse die Ergebnisse aus Gehstrecke, Aufsteh-Tests, Handkraftmessungen und Gleichgewichtstests zusammenführten. 

Dieser zusammengesetzte Leistungswert erfasst Ausdauer, Kraft und Koordination in einem robusten Maß. Unabhängig davon wurde ein "Metabolomics Index" aus den Blutkonzentrationen von 35 niedermolekularen Metaboliten berechnet. In 263 Blutproben älterer Erwachsener zeigten beide Indizes eine Pearson-Korrelation von 0,85 (p < 1 × 10⁻¹⁹), was belegt, dass die molekulare Signatur im Blut die körperliche Fitness widerspiegelt.

KI identifiziert aktive und weniger aktive Gruppen sowie deren metabolische Signatur

Um komplexe, nichtlineare Muster zu erfassen, trainierten die Forscher fünf verschiedene KI-Modelle – von einfachen statistischen Verfahren (Generalisiertes Lineares Modell, GLM) bis hin zu fortgeschrittenen Methoden wie Entscheidungsbaum-Boosting (Gradient Boosting Machine, GBM; XGBoost) und einem Deep-Learning-Autoencoder-Netzwerk. Jedes Modell wurde mit wiederholter Kreuzvalidierung abgestimmt und an unabhängigen Datensätzen getestet. Die Boosting-Modelle (GBM und XGBoost) erzielten eine hohe Genauigkeit und unterschieden "aktive" von "weniger aktiven" Teilnehmern in über 91 % der Fälle (AUC > 0,91). Acht Metaboliten traten in allen fünf Algorithmen konsistent als Prädiktoren für Aktivitätsniveau hervor: Aspartat, Prolin, Fruktose, Apfelsäure, Pyruvat, Valin, Citrat und Ornithin. Aspartat stach dabei mit einem Faktor von zwei bis drei besonders hervor und bestätigte seine zentrale Rolle als molekularer Marker des aktiven Alterns.

Netzwerk-Umschaltung durch COVRECON

Korrelation allein erklärt nicht, warum bestimmte Moleküle mit Fitness verknüpft sind. Um die zugrunde liegenden Mechanismen zu verstehen, nutzte das Team das datengetriebene Modellierungs-Tool COVRECON. Einfach gesagt analysiert COVRECON, wie Metaboliten gemeinsam variieren, und rekonstruiert daraus das Netzwerk biochemischer Interaktionen. Mathematisch wurde eine differentielle Jacobimatrix geschätzt – ein Verfahren zur Identifikation enzymatischer Verbindungen, die sich zwischen aktiven und weniger aktiven Gruppen am stärksten verändern. 

Dabei wurden zwei bekannte Enzyme, Aspartat-Aminotransferase (AST) und Alanin-Aminotransferase (ALT), als zentrale Knotenpunkte im Netzwerk identifiziert. 

Beide sind Standardmarker in klinischen Lebertests, doch hier zeigten sie, wie Aktivität den Stoffwechsel umgestaltet. 

Die Vorhersagen wurden durch routinemäßige Bluttests bestätigt: 

Über den sechsmonatigen Studienzeitraum schwankten AST und ALT bei aktiven Teilnehmern deutlich stärker als bei ihren weniger aktiven Vergleichspersonen – ein Hinweis auf größere metabolische Flexibilität in Leber- und Muskelstoffwechsel.

Bedeutung für Gehirngesundheit und Demenz

Aspartat ist mehr als nur ein einfacher Stoffwechsel-Zwischenmetabolit: 

Im Gehirn dient es auch als Vorläufer von Neurotransmittern und aktiviert NMDA-Rezeptoren, die für Lernen und Gedächtnis essenziell sind. 

Diese doppelte Funktion bietet eine mögliche Verbindung zwischen körperlicher Fitness und kognitiver Gesundheit. 

Unabhängige Studien zeigen, dass niedrige AST- und ALT-Werte im mittleren Lebensalter – oder ein erhöhter AST/ALT-Quotient – mit einem erhöhten Risiko für Alzheimer und altersbedingten kognitiven Abbau verbunden sind. 

Indem die vorliegende Studie zeigt, dass körperliche Aktivität dynamische Veränderungen im Aspartat-Stoffwechsel und in der Plastizität dieser beiden Enzyme bewirkt, deutet sie auf eine molekulare Brücke zwischen Muskel-Leber-Gesundheit und neuronaler Widerstandsfähigkeit hin.

Die Ergebnisse vermitteln eine klare Botschaft: Körperliche Aktivität trägt nicht nur zur Erhaltung von Kraft und Mobilität bei, sondern könnte auch das Gehirn vor Demenz schützen – durch messbare Veränderungen in aminosäurebasierten Signalwegen. "Körperliche Aktivität bewirkt mehr als nur Muskelaufbau", erklärt Wolfram Weckwerth: "Sie verändert unseren Stoffwechsel auf molekularer Ebene. Indem wir diese Veränderungen entschlüsseln, können wir verfolgen – und sogar steuern – wie gut jemand altert."

Forschungsplattformen der Universität Wien, die dieses Projekt initiiert haben:
VIENNA METABOLOMICS CENTER:

 https://metabolomics.univie.ac.at/


Research Platform Active Ageing: 

https://activeageing.univie.ac.at/

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Prof. Dr. Wolfram Weckwerth
Vienna Metabolomics Center & Molecular Systems Biology Lab
Department für Funktionelle und Evolutionäre Ökologie
Universität Wien
1030 Wien, Djerassiplatz 1
T +43-1-4277-76510
wolfram.weckwerth@univie.ac.at

Originalpublikation:
Jiahang Li, Martin Brenner, Iro Pierides, Barbara Wessner, Bernhard Franzke, Eva-Maria Strasser, Steffen Waldherr, Karl-Heinz Wagner & Wolfram Weckwerth. Machine learning and data-driven inverse modeling of metabolomics unveil key processes of active aging. In npj Systems Biology and Applications.
DOI: 10.1038/s41540-025-00580-4
https://doi.org/10.1038/s41540-025-00580-4
https://www.nature.com/articles/s41540-025-00580-4

RückenOP

Bergmannsheil setzt neues Endoskopiesystem in der Neurochirurgie ein

Ein Schnitt von wenigen Millimetern genügt, um komplexe Operationen an der Wirbelsäule ausführen zu können: Das funktioniert dank eines hochmodernen Endoskopiesystems, das jetzt im BG Universitätsklinikum Bergmannsheil im Einsatz ist. Es erlaubt hochpräzises Arbeiten, verkürzt die Wundheilung und den Krankenhausaufenthalt. Auch mögliche Folgerisiken der Operation können so verringert werden.

Die Klinik für Neurochirurgie und Wirbelsäulenchirurgie hat das neue System vor wenigen Wochen in Betrieb genommen und bereits die ersten Patienten erfolgreich auf diese Weise operiert. Bei diesem Verfahren führt der Operateur über einen winzigen Hautschnitt ein dünnes Röhrchen mit Kamera und Lichtquelle in den Zielbereich ein. Das Bild aus dem Inneren wird live auf einen Monitor übertragen, sodass der Operateur genau sieht, wo er arbeitet. Über einen separaten Kanal im Endoskop lassen sich feine Instrumente einführen, um krankhaftes Gewebe oder einen Bandscheibenvorfall gezielt zu entfernen. Ein integriertes Spül- und Absaugsystem sorgt dafür, dass das Sichtfeld jederzeit sauber bleibt.

Verkürzte Wundheilung, weniger Folgeprobleme

So kann der Eingriff besonders schonend durchgeführt werden, da Nerven und umgebendes Gewebe weitgehend unberührt bleiben. Das senkt das Risiko von Wundheilungsstörungen und verkürzt den Heilungsprozess gegenüber herkömmlichen OP-Verfahren. „Das neue Endoskopiesystem ist eine hervorragende Ergänzung unseres minimal-invasiven therapeutischen Spektrums“, erklärt Prof. Dr. Ramón Martínez-Olivera.

Beim alternativen mikrochirurgischen Operationsverfahren ist ein etwas größerer Schnitt von wenigen Zentimetern erforderlich. Bei dem Eingriff blickt der Chirurg mit einem OP-Mikroskop direkt in das Operationsgebiet. „In manchen Situationen ist die größere Handlungsfreiheit der Mikrochirurgie gegenüber der endoskopischen Methode im Vorteil, deshalb muss immer die individuelle Krankheitssituation betrachtet werden“, so Prof. Martínez-Olivera.

„So können wir jedem Patienten das Behandlungsverfahren anbieten, das für ihn am besten geeignet ist.“ Derzeit wird es im Bergmannsheil vor allem für Bandscheibenoperationen und die Behandlung von Spinalkanalstenosen verwendet. Die Anschaffungskosten für das neue System beliefen sich auf rund 130.000 Euro.

Über das Bergmannsheil

Das BG Universitätsklinikum Bergmannsheil zählt zu den größten Akutkliniken der Maximalversorgung im Ruhrgebiet. 1890 als erste Unfallklinik der Welt zur Versorgung verunglückter Bergleute gegründet, vereint das Bergmannsheil heute 23 Kliniken und Fachabteilungen unter einem Dach und ist Teil des Universitätsklinikums der Ruhr-Universität Bochum. Über 2.000 Beschäftigte stellen die Versorgung von mehr als 80.000 Patientinnen und Patienten pro Jahr sicher. Weitere Informationen: www.bergmannsheil.de

Über die BG Kliniken

Das BG Universitätsklinikum Bergmannsheil gehört zur Unternehmensgruppe der BG Kliniken. Die BG Kliniken sind spezialisiert auf die Akutversorgung und Rehabilitation schwerverletzter und berufserkrankter Menschen. An 13 Standorten versorgen über 18.000 Beschäftigte mehr als 550.000 Fälle pro Jahr. Damit sind die BG Kliniken der größte öffentlich-rechtliche Krankenhauskonzern in Deutschland. Träger der BG Kliniken sind die gewerblichen Berufsgenossenschaften und Unfallkassen. Weitere Informationen: www.bg-kliniken.de

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Robin Jopp

Berufsgenossenschaftliches Universitätsklinikum Bergmannsheil gGmbH
Bürkle de la Camp-Platz 1
44789 Bochum
Tel.: +49 (0)234 302-6125
E-Mail: robin.jopp@bergmannsheil.de

Weitere Informationen finden Sie unter
- Website des BG Universitätsklinikums Bergmannsheil

Der Hefepilz Candida albicans

𝘊𝘢𝘯𝘥𝘪𝘥𝘢 𝘢𝘭𝘣𝘪𝘤𝘢𝘯𝘴 produziert ein Toxin, das krank macht – aber in geringen Mengen hilft es dem Pilz, um dauerhaft in der Mundschleimhaut zu überleben

Der Hefepilz 𝘊𝘢𝘯𝘥𝘪𝘥𝘢 𝘢𝘭𝘣𝘪𝘤𝘢𝘯𝘴 setzt das Toxin Candidalysin nicht nur für Infektionen ein, sondern nutzt es auch, um die Mundschleimhaut unauffällig zu besiedeln – allerdings nur in fein austarierter Menge. 

Zu wenig Gift verhindert die orale Besiedlung, zu viel ruft das Immunsystem auf den Plan und führt zu einer entzündlichen Abwehrreaktion, wie ein internationales Forschungsteam aus Zürich, Jena und Paris herausfand. Die Ergebnisse erschienen im Fachjournal Nature Microbiology.

𝘊𝘢𝘯𝘥𝘪𝘥𝘢 𝘢𝘭𝘣𝘪𝘤𝘢𝘯𝘴 ist ein Hefepilz, der natürlicherweise im Mikrobiom des Menschen vorkommt und dabei meist harmlos bleibt. 

Unter bestimmten Bedingungen kann er jedoch von der runden Hefeform in fadenförmige Hyphen übergehen und Infektionen auslösen, die insbesondere bei immungeschwächten Patient*innen fatale Folgen haben können. 

MaAB - CAVE:

In dieser Hyphenform produziert 𝘊𝘢𝘯𝘥𝘪𝘥𝘢 𝘢𝘭𝘣𝘪𝘤𝘢𝘯𝘴 das Toxin Candidalysin, ein Eiweiß, das Wirtszellen direkt angreift.

„Wir wussten, dass das Pilzgift Candidalysin Krankheiten verursachen kann. 

Neu ist, dass es auch nötig ist, damit der Pilz im Mund überleben kann“, erklärt Bernhard Hube, Leiter der Abteilung Mikrobielle Pathogenitätsmechanismen am Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie (Leibniz-HKI) und Professor am Lehrstuhl für Mikrobielle Pathogenität an der Friedrich-Schiller-Universität Jena.

 „Der Hefepilz 𝘊𝘢𝘯𝘥𝘪𝘥𝘢 𝘢𝘭𝘣𝘪𝘤𝘢𝘯𝘴 nutzt das Toxin wie einen Türöffner, um sich in der Schleimhaut zu verankern. 

Solange er es nur in kleinen Mengen bildet, bleibt er dabei unter dem Radar des Immunsystems und überlebt langfristig in der Mundhöhle.“

Um diesen Zusammenhang zu klären, arbeitete ein internationales Team mit Mäusemodellen. Dabei zeigten Forschende um Salomé LeibundGut-Landmann an der Universität Zürich, wie das Immunsystem auf unterschiedliche Pilzstämme reagiert. Am Leibniz-HKI in Jena wurden zudem die genetischen Grundlagen untersucht: 

Mit gezielten Eingriffen veränderte das Team Gene, die Hyphenbildung und Toxinproduktion des Hefepilzes steuern. Forschende am Institut Pasteur in Paris ordneten die Ergebnisse außerdem mit bioinformatischen Analysen in einen evolutionären Kontext ein.

Verglichen wurden zwei sehr unterschiedliche Stämme: Der aggressive Laborstamm SC5314 bildet lange Hyphen und produziert große Mengen Candidalysin. Dadurch reagiert das Immunsystem sofort mit einer starken Entzündung und eliminiert den Pilz nach kurzer Zeit. Ganz anders verhält sich Stamm 101, der natürlicherweise im Mund vorkommt: Er produziert das Toxin nur in geringen Mengen und kann sich so unauffällig in der Schleimhaut halten, ohne eine starke Immunantwort hervorzurufen. 

„Der Pilz fährt gewissermaßen mit angezogener Handbremse“, so Hube. „Ein bisschen Toxin braucht er, aber zu viel wird sofort bestraft.“

„Gerade diese Unterschiede zwischen den Stämmen zeigen, wie wichtig die feine Regulierung von Candidalysin für die Besiedelung unterschiedlicher Nischen im Körper ist“, ergänzt Tim Schille, Doktorand im Jenaer Team. 

„Nur wenn 𝘊𝘢𝘯𝘥𝘪𝘥𝘢 𝘢𝘭𝘣𝘪𝘤𝘢𝘯𝘴 das richtige Maß findet, kann der Pilz langfristig im Mund bestehen, ohne vom Immunsystem bekämpft zu werden.“

Eine Schlüsselrolle spielt dabei auch das Gen EED1. Es reguliert die Hyphenbildung und beeinflusst damit indirekt die Produktion von Candidalysin. 

So bleibt der Pilz meist unauffällig in der Mundschleimhaut. Kippt dieses Gleichgewicht jedoch, können Infektionen entstehen. „Bemerkenswert ist, wie gut der Pilz sein Verhalten austariert“, sagt Schille. 

„Diese Balance erklärt auch, warum das Toxin evolutionär erhalten geblieben ist: 

Es ermöglicht dem Pilz, dauerhaft in der Mundschleimhaut zu leben, macht ihn aber zugleich als potenziellen Krankheitserreger gefährlich.“

Die Studie zeigt, dass Candidalysin ein wichtiger Faktor für die Besiedelung bestimmter Körperregionen durch 𝘊𝘢𝘯𝘥𝘪𝘥𝘢-Hefen sein kann. 

Für die Medizin ergeben sich aus den Ergebnissen bislang nur vorsichtige Perspektiven. 

„Für einen oralen Befall mit Candida können wir derzeit noch keine therapeutischen Anwendungen ableiten“, so Hube.

 „Bei vaginalen Infektionen hingegen konnten wir in früheren Studien bereits zeigen, dass sich das Toxin neutralisieren lässt. 

Damit können Gewebeschäden durch𝘊𝘢𝘯𝘥𝘪𝘥𝘢 𝘢𝘭𝘣𝘪𝘤𝘢𝘯𝘴, die typisch für vaginale Pilzinfektionen sind, deutlich reduziert werden.“

Das Projekt wurde von Forschenden in Zürich initiiert und koordiniert, unter maßgeblicher Beteiligung des Leibniz-HKI in Jena sowie des Institut Pasteur in Paris. Gefördert wurde die Studie unter anderem durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen des Exzellenzclusters ‚Balance of the Microverse‘ an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und des Sonderforschungsbereichs/Transregio 124 ‚FungiNet‘.

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Prof. Dr. Bernhard Hube
Mikrobielle Pathogenitäts-mechanismen
Leiter
+49 3641 532-1401
bernhard.hube@leibniz-hki.de

Originalpublikation:
Frois-Martin R, Lagler J, Schille TB, Elshafee O, Martinez de San Vicente K, Mertens S, Stokmaier M, Kilb I, Sertour N, Bachellier-Bassi S, Mogavero S, Sanglard D, d’Enfert C, Hube B, LeibundGut-Landmann S (2025) Dynamic Expression of the Fungal Toxin Candidalysin Governs Homeostatic Oral Colonization. Nat Microbiol, https://www.nature.com/articles/s41564-025-02122-4

Kardiogener Schock

Große Auswertung in Deutschland zeigt: Patienten mit kardiogenem Schock profitieren von Behandlung in Zentren mit hohen Fallzahlen.

Ob Patientinnen und Patienten mit kardiogenem Schock überleben, hängt auch davon ab, in welchem Krankenhaus sie behandelt werden.

Das zeigt eine neue Studie des Universitären Herz- und Gefäßzentrums Hamburg des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) und Partnern im European Journal of Heart Failure.

Der kardiogene Schock ist die schwerste Form der akuten Herzschwäche, meist nach einem Herzinfarkt. In Deutschland sind jedes Jahr rund 44.000 Menschen betroffen, mehr als die Hälfte verstirbt noch im Krankenhaus. Um die Durchblutung aufrechtzuerhalten, kommen zunehmend mechanische Kreislaufunterstützungssysteme (MCS) wie die ECMO oder die Impella-Pumpe zum Einsatz. Deren Handhabung ist komplex und erfordert erfahrene Teams.

Große Unterschiede zwischen Kliniken

Für die Studie wurden die Daten von mehr als 220.000 Patientinnen und Patienten ausgewertet, die zwischen 2017 und 2021 in Deutschland mit kardiogenem Schock behandelt wurden. Das Ergebnis:

- In Krankenhäusern mit hoher Fallzahl sank das Sterberisiko deutlich.
- Wer in einer Klinik behandelt wurde, die jährlich mehr als 90 Fälle von kardiogenem Schock versorgt, hatte ein besseres Überleben.
- Bei MCS-Therapien zeigte sich sogar ein noch stärkerer Effekt: In Zentren mit mehr als 25 MCS-Einsätzen pro Jahr war das Sterberisiko um rund 20 Prozent geringer.

Zentralisierung könnte Leben retten

„Unsere Daten zeigen klar: Erfahrung rettet Leben“, sagt Studienleiter PD Dr. Benedikt Schrage, Klinik und Poliklinik für Kardiologie des UKE und dem Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK). „Wenn Patientinnen und Patienten mit kardiogenem Schock systematisch in spezialisierte Zentren verlegt würden, könnten viele Todesfälle vermieden werden.“

Die Forschenden schlagen deshalb vor, die Versorgung nach dem Vorbild von Schlaganfall- oder Herzinfarktnetzwerken stärker zu zentralisieren. So könnten Patientinnen und Patienten schneller in Kliniken gelangen, die die nötige Expertise und Ressourcen für diese Hochrisikosituation haben.

Hintergrund kardiogener Schock

Der kardiogene Schock ist die schwerste Form der akuten Herzschwäche. Das Herz schafft es nicht mehr, den Körper ausreichend mit Blut und Sauerstoff zu versorgen. Meist passiert das nach einem schweren Herzinfarkt, manchmal auch durch eine Herzmuskelentzündung, eine Lungenembolie oder nach einer Operation. Typische Anzeichen sind ein starker Blutdruckabfall, Atemnot, kalte Haut oder Verwirrtheit. Ohne schnelle Behandlung – mit Medikamenten, Notfallmaßnahmen oder Kreislaufunterstützung – können lebenswichtige Organe versagen, was häufig tödlich endet.

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PD Dr. Benedikt Schrage
Klinik und Poliklinik für Kardiologie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE)
b.schrage@uke.de

Originalpublikation:
Higher hospital volume is associated with lower mortality for patients with cardiogenic shock and mechanical circulatory support. Dettling et al., Eur J Heart Fail, 2025 Aug 31, https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/ejhf.70025

Lichen sclerosus (LS) ist eine chronische, nicht-infektiöse, nicht heilbare chronisch entzündliche Erkrankung der Haut, die bei Männern, Frauen und Kindern

Juckende oder schmerzende Rötungen im Genitalbereich, eine Aufhellung der Genitalhaut und narbige Veränderungen der Genitalarchitektur kennzeichnen den Lichen sclerosus (LS). 

Die Symptome der chronisch verlaufenden, entzündlichen und nicht-infektiösen Dermatose sind für Betroffene (Frauen, Männer und Kinder) sehr belastend. 

Die klinischen Symptome und Komplikationen mindern die Lebensqualität. 

Die neue S3-Leitlinie zu Lichen sclerosus, die unter der gemeinsamen Federführung der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft e.V. (DDG) und der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V. (DGGG) entstanden ist, will Fachleute und Laien für die Erkrankung sensibilisieren.

Nur durch eine frühe Diagnose und eine Therapie mit hochpotenten topischen Glukokortikoiden kann die Krankheitskontrolle verbessert werden.

Die Symptome sind belastend und unangenehm: Es juckt und brennt in der Genitalregion, es schmerzt beim Wasserlassen, beim Stuhlgang oder beim Geschlechtsverkehr. 

Lichen sclerosus (LS) ist eine chronische, nicht-infektiöse, nicht heilbare chronisch entzündliche Erkrankung der Haut, die bei Männern, Frauen und Kindern vorkommt. Sie kann in jedem Alter auftreten, die Verteilung zwischen den Geschlechtern, Männer zu Frauen, ist nicht sicher zu sagen, Frauen sind aber deutlich häufiger betroffen. Über die Ursachen gibt es noch keine Klarheit und auch die Verbreitung lässt sich nur schätzen. Expertinnen und Experten betonen, dass Lichen sclerosus nicht selten sei, oft aber nicht erkannt werde. Die vermutete Prävalenz variiert zwischen 0,1% und 3% bei Kindern bzw. postmenopausalen Frauen.

 „Lichen sclerosus ist bei Medizinerinnen und Medizinern zu wenig bekannt. Daher ist die Therapie häufig mangelhaft“, kritisiert Dr. med. habil. Gudula Kirtschig, Dermatologin am Medbase Gesundheitszentrum Frauenfeld (Schweiz). Um Fachleute und auch Laien umfassend über das Krankheitsbild, Komorbidität, Diagnostik, Therapie und Nachsorge zu informieren, ist nun die aktuelle europäische Leitlinie zu LS für Deutschland angepasst worden. „Früherkennung und Therapie sind das A und O. Zudem muss konsequent behandelt werden, denn Folgeschäden können für die betroffenen Menschen massiv sein“, erklärt Kirtschig, die federführend sowohl an der europäischen als auch der deutschen Leitlinie beteiligt war. Zu den möglichen Komplikationen gehören sexuelle Dysfunktion und auch die Entwicklung anogenitaler Karzinome. Vor allem auch die psychische Komponente ist nicht zu unterschätzen. „Ängste und psychische Erkrankungen, depressive Phasen, der Verlust des Selbstwertgefühls – diese Begleiterscheinungen dürfen nicht übersehen werden“, sagt Kirtschig.

LS führt zu veränderten Schamlippen und kann Scheideneingang verengen

LS macht sich anfangs durch unangenehme Beschwerden wie Juckreiz oder Brennen bemerkbar, es treten Rötungen und feine Risse auf und die kleinen Schamlippen verändern sich. 

Später entstehen elfenbeinfarbene, ovale und scharf umschriebene Papeln und Plaques der Haut im Anogenitalbereich. Die Haut wird dünner (Atrophie) und verletzlicher, im Verlauf bildet sich Narbengewebe. Häufig treten Probleme beim Wasserlassen, Störungen bei der Stuhlentleerung und Schmerzen beim Geschlechtsverkehr (Dyspareunie) auf. Die Folge der Erkrankung ist bei Frauen möglicherweise eine Verengung des Scheideneinganges, was beim Geschlechtsverkehr Schmerzen und Einrisse verursacht oder ihn sogar unmöglich macht. Juckreiz und ein brennendes Gefühl gehört bei Frauen zum Leitsymptom, Männern klagen eher über Schmerzen und eine Vorhautverengung mit sexueller Dysfunktion.

Frühzeitige Therapie mit Kortison auf der äußeren Genitalhaut ist essenziell
„Mit der Behandlung können wir das Fortschreiten der Krankheit stoppen und Beschwerden lindern. Allerdings soll diese möglichst früh einsetzen, um Folgen wie Vernarbungen, die Entstehung von Karzinomen aufgrund der chronischen Entzündung und Einbußen der Lebensqualität zu verhindern“, sagt Prof. Dr. med. Linn Wölber, Koordinatorin der Leitlinie und Leiterin des Dysplasiezentrums Hamburg am Krankenhaus Jerusalem und am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Zentral bleibt eine frühzeitige Therapie mit potenten lokalen Glukokortikoiden der Klasse III oder IV. Dabei empfehlen die Expertinnen und Experten der Leitliniengruppe Glukokortikoide in Salben- anstelle von Cremes- oder Lotions-Grundlage. „Das Wort Kortison ruft noch immer bei vielen Menschen Ängste hervor. Diese sind aber bei lokaler Anwendung im Bereich der äußeren Genitalhaut aufgrund der begrenzten Fläche unbegründet“, sagt Wölber.

Entfernung der Vorhaut als Therapieoption für Jungen und Männer
Aufgrund ihrer nachgewiesenen Wirksamkeit und Sicherheit werden topische Glukokortikoide der Klasse III oder IV wie Clobetasolpropionat 0,05% oder Mometasonfuroat 0,1% Salbe (oder Creme) als bevorzugte Behandlung empfohlen, sowohl bei akuten Schüben als auch in der Erhaltungstherapie. Sie bewirken in der Regel eine rasche Verbesserung der subjektiven Symptome und klinischen Zeichen. Zudem können Emollientien (feuchtigkeitsspendende und hautpflegende Substanzen) nach einer initialen Behandlung mit topischen Glukokortikoiden bei LS eine zusätzliche Linderung der Symptome bewirken. „Wir empfehlen unseren Patientinnen und Patienten mindestens zweimal täglich Emollientien aufzutragen, um die Hautbarriere zu stärken“, ergänzt Kirtschig. Wenn der therapeutische Effekt bei Jungen und Männern nicht überzeugt, sollte – so die Empfehlung in der Leitlinie – eine vollständige Zirkumzision (Entfernung der Vorhaut) erfolgen.

Schulung der Betroffenen kann Therapietreue verbessern
Ein ebenfalls in der Leitlinie akzentuiertes Thema ist die Patientinnen- und Patientenschulung, die mit einer ausführlichen Informationsvermittlung (bei betroffenen Kindern auch der Eltern) einhergehen soll. „Eine umfassende Aufklärung zur Anatomie und zum klinischen Erscheinungsbild des LS ist wichtig. Die Patientin oder der Patient soll unterstützt werden, mit ihrer oder seiner Erkrankung konstruktiv umzugehen. Dazu gehört auch, den Krankheitsverlauf selbst zu beobachten. Das kann die Therapietreue immens verbessern“, ist sich Kirtschig sicher.

Für optimale Behandlung sind fachübergreifende Teams notwendig
„Die Leitlinie zu Lichen sclerosus fördert die interdisziplinäre Zusammenarbeit“, sagt Prof. Dr. med. Silke Hofmann, Direktorin des Zentrums für Dermatologie, Allergologie und Dermatochirurgie, HELIOS Universitätsklinikum Wuppertal und Beauftragte für die Öffentlichkeitsarbeit der DDG. „Für die Behandlung des LS bräuchte es idealerweise interdisziplinäre Teams oder LS-Zentren mit fachübergreifenden Teams“, sagt Hofmann. Nach dem Vorbild interdisziplinärer Kliniken in den Niederlanden, Dänemark oder dem Vereinigten Königreich sollten auch in Deutschland Spezialistinnen und Spezialisten aus Dermatologie, Gynäkologie, Urologie, Kinderchirurgie, Physiotherapie, Psychotherapie und Sexualtherapie zusammenarbeiten.

Zu der Leitlinie von DDG und DGGG, an deren Zustandekommen zahlreiche weitere Fachgesellschaften und Organisationen beteiligt waren, gibt es eine Implementierungshilfe in Form eines Vortragsfoliensatzes, der ausdrücklich für die ärztliche Weiterbildung genutzt werden darf.

Tipps für Patientinnen und Patienten:

+ Seife oder andere reizende lokale Anwendungen vermeiden
+ Tägliche, lebenslange Basispflege (2-mal pro Tag eine fetthaltige, parfümfreie Salbe)
+ Zustimmen, dass Befund und Verlauf von Arzt oder Ärztin mit Fotos dokumentiert werden für Verlaufskontrollen
+ Kratzen unbedingt unterlassen, da sich sonst die Symptomatik erheblich verschlimmern kann
+ Auf enge Kleidung verzichten
+ Baumwoll- oder Seidenwäsche bevorzugen
+ Bei Sport wie Reiten oder Fahrradfahren auf geeigneten Sattel und eine angepasste Sitzposition achten
+ Den Austausch mit anderen suchen (Patientenorganisationen)

Literatur:
Deutsche Dermatologische Gesellschaft e. V. (DDG), Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e. V. (DGGG): S3 Leitlinie Lichen sclerosus (AWMF-Reg.-Nr. 013-105). Version 1.0, 06/2025. https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/013-105
Kirtschig G et al., 2023. Guideline on lichen sclerosus https://www.guidelines.edf.one//uploads/attachments/clmub3q4l0an5uhjrluc4r0yq-li...

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Deutsche Dermatologische Gesellschaft (DDG)
Prof. Dr. med. Silke Hofmann
Dagmar Arnold
Robert-Koch-Platz 7, 10115 Berlin
Tel.: +49 30 246 253-35
E-Mail: d.arnold@derma.de