Medizin am Abend Berlin Fazit: Weltgesundheitstag - Europäische Initiative
Die flächendeckende Einführung einer
Risikobestimmung für Typ-1-Diabetes bei Neugeborenen ist das Ziel von
GPPAD (Global Platform for the Prevention of Autoimmune Diabetes).
Die
europäische Initiative möchte im nächsten Schritt den ermittelten
Risikopersonen eine antigen-basierte Therapie zur Verhinderung der
Krankheit anbieten.
Das Modell könnte auch zur Behandlung weiterer
Kinderkrankheiten, insbesondere Autoimmunerkrankungen und Allergien
dienen.
Der Fokus des diesjährigen Weltgesundheitstags liegt auf dem Thema
Diabetes.
- Weltweit sind etwa 350 Millionen Menschen betroffen und die
Zahl steigt stetig an. Doch gerade im Bereich Typ-1-Diabetes tut sich
viel – auch und vor allem in Deutschland.
Mit einer langfristigen und umfassenden Vision startete das Projekt
GPPAD im vergangenen Jahr seine groß angelegte Initiative: Insgesamt
1.160 Kinder im Alter zwischen vier und neun Monaten mit einem
Erkrankungsrisiko für Typ-1-Diabetes von mindestens zehn Prozent sollen
an einer randomisierten kontrollierten Studie zur Primärprävention
teilnehmen können.
- Um diese große Anzahl an geeigneten Teilnehmern zu
gewinnen, sollen 400.000 bis 500.000 Säuglinge im Rahmen des
Neugeborenen-Screenings der Geburtskliniken oder der U2, U3 oder
U4-Untersuchung beim Kinderarzt auf Diabetesrisikogene getestet werden.
Noch 2016 Pilotstudie in Sachsen und Thüringen
- Darüber hinaus soll eine Plattform für verschiedene Studien geschaffen
werden, die neben den Screening-Zentren für Neugeborene auch ein
Datenkoordinationszentrum, eine eigene Apotheke sowie ein
Kommunikationszentrum umfassen soll. In Sachsen und Thüringen ist
bereits in diesem Jahr eine Pilotstudie mit 5.000 Neugeborenen geplant,
um die neu entwickelte Plattform auszutesten und die Durchführbarkeit
eines großangelegten Diabetesrisikoscreenings zu prüfen.
Primärpräventions-Studie als Herzstück
Das Herzstück der europäischen Initiative GPPAD soll eine
Primärpräventionsstudie mit
oraler Insulintherapie bilden, auf der
weitere Beobachtungsstudien und mechanistische Studien aufbauen werden.
Diese sollen neue Einblicke in
die Entstehungsmechanismen des
Typ-1-Diabetes liefern und die
Entwicklung weiterer Biomarker zur
Erkennung von Risikopersonen vorantreiben.
Die
antigen-basierte Therapie
wird auf den Erfolg versprechenden Ergebnissen der Pre-POINT Studie und
den Ergebnissen der gerade gestarteten Nachfolgestudie Pre-POINTearly
aufbauen.
Pre-POINT Studie wies den Weg
Bei Pre-POINT erhielten Kinder im Alter zwischen zwei und sieben Jahren
über bis zu 18 Monate einmal täglich
Insulinpulver mit der Nahrung.
„Unsere Ergebnisse deuten darauf hin,
dass orales Insulin das
Immunsystem stimuliert, ohne Hypoglykämien hervorzurufen“, so Prof. Ezio
Bonifacio vom DFG-Forschungszentrum für Regenerative Therapien Dresden
und Exzellenzcluster an der TU Dresden, der die multizentrische Studie
leitete.
- „Wird Insulin über die Mundschleimhaut aufgenommen, wird es
zersetzt, so dass es keinerlei Einfluss auf den Blutzuckerspiegel hat.
Gleichzeitig bewirkte es offenbar eine Immunantwort, die sich positiv
unterschied von derjenigen bei Kindern, die einen Typ-1-Diabetes
entwickelten“.
- Insulin gilt als Schlüsselantigen, das den Autoimmunprozess
möglicherweise in Gang setzt, der letztlich zu einem Typ-1-Diabetes
führen kann.
Die Wissenschaftler hoffen, die Erkrankung verhindern zu
können, sofern das Immunsystem durch die Therapie mit Insulinpulver eine
Toleranz gegenüber dem Insulin entwickeln sollte.
Je früher desto besser?
Auf genau dem gleichen Prinzip fußt auch die Pre-POINTearly Studie, die
nun schon Kinder im Alter zwischen neun Monaten und zwei Jahren mit
oralem Insulin behandelt. Die Direktorin des an der GPPAD maßgeblich
beteiligten Instituts für Diabetesforschung, Prof. Dr. Anette-G.
Ziegler, erläutert, warum sich dieses Lebensalter besonders für die
präventive Insulintherapie eignet: „Hierfür gibt es zwei Gründe:
Zum
einen beginnt in diesem frühen Zeitfenster häufig der Autoimmunprozess.*
Wir erwarten die höchste Wirksamkeit präventiver Therapien, wenn dieser
Prozess bei Beginn der Behandlung noch nicht eingesetzt hat.
Zum
anderen sind die natürlichen Mechanismen, die zum Aufbau einer
Immuntoleranz gegen nützliche Mikroorganismen und Nahrungsbestandteile
führen, im Säuglingsalter noch voll aktiv.“
Falls sich die
Pre-POINTearly Studie als genauso sicher und wirkungsvoll erweisen
sollte wie Pre-POINT – und davon gehen die Wissenschaftler aus – kann
die von der GPPAD geplante Studie an den Start gehen.
Weitere Informationen
Hintergrund:
An GPPAD beteiligt sind neben dem Institut für Diabetesforschung,
Helmholtz Zentrum München, weitere Studienzentren in Dresden, Hannover,
Leipzig und Großbritannien. Unterstützt wird die Initiative durch den
US-amerikanischen Leona M. & Harry B. Helmsley Charitable Trust.
- * Wird ein Kind geboren, muss das Immunsystem erst einmal trainiert
werden, damit es zwischen fremden und körpereigenen Strukturen zu
unterscheiden lernt. Das passiert zunächst im Thymus: Immunzellen, die
spezifische Antigene erkennen und mit ihnen eine Bindung eingehen,
werden durch Zelltod „aussortiert“. Dadurch wird im Normalfall
verhindert, dass autoreaktive Immunzellen in den Körper gelangen. Das
heißt: Es verlassen nur diejenigen Zellen den Thymus, welche nicht auf
körpereigene Strukturen reagieren, dagegen jedoch fremde Strukturen wie
Viren oder Bakterien erkennen. Entwischt eine autoreaktive Immunzelle
diesem natürlichen Selektionsprozess, greifen die regulatorischen
T-Zellen als zweites Kontrollsystem ein. Diese Zellen verhindern
überschießende Immunreaktionen, indem sie Immunzellen, und im speziellen
Fall auch autoreaktive Immunzellen, in ihrer Aktivität unterdrücken.
Regulatorische T-Zellen können unter anderem durch Kontakt mit
Anti-genen gebildet werden, die über die Schleimhaut von Mund und
Magen-Darmtrakt aufgenommen werden. Dadurch entsteht eine sogenannte
„orale Toleranz“ gegenüber dem spezifischen Antigen.
Webseiten zum Thema:
Originalpublikation:
Ziegler A et al. (2016) Primary Prevention of Beta-cell Autoimmunity and
Type 1 Diabetes – The Global Platform for the Prevention of Autoimmune
Diabetes (GPPAD). Molecular Metabolism (2016), doi:
10.1016/j.molmet.2016.02.003.
Das Helmholtz Zentrum München verfolgt als Deutsches Forschungszentrum
für Gesundheit und Umwelt das Ziel, personalisierte Medizin für die
Diagnose, Therapie und Prävention weit verbreiteter Volkskrankheiten wie
Diabetes mellitus und Lungenerkrankungen zu entwickeln. Dafür
untersucht es das Zusammenwirken von Genetik, Umweltfaktoren und
Lebensstil. Der Hauptsitz des Zentrums liegt in Neuherberg im Norden
Münchens. Das Helmholtz Zentrum München beschäftigt rund 2.300
Mitarbeiter und ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, der 18
naturwissenschaftlich-technische und medizinisch-biologische
Forschungszentren mit rund 37.000 Beschäftigten angehören. Das Helmholtz
Zentrum München ist Partner im Deutschen Zentrum für Diabetesforschung
e.V.
http://www.helmholtz-muenchen.de
Das Institut für Diabetesforschung (IDF) befasst sich mit der Entstehung
und Prävention von Typ 1 Diabetes und Typ 2 Diabetes als Spätfolge
eines Gestationsdiabetes. Ein vorrangiges Projekt ist die Entwicklung
einer Insulin-Impfung gegen Typ 1 Diabetes. In groß angelegten
Langzeitstudien untersucht das IDF den Zusammenhang von Genen,
Umweltfaktoren und Immunsystem für die Pathogenese von Typ 1 Diabetes.
Mit den Daten der Geburtskohorte BABYDIAB, die 1989 als weltweit erste
prospektive Diabetes-Geburtskohorte etabliert wurde, konnten Risikogene
sowie Antikörperprofile identifiziert werden. Diese lassen Vorhersagen
über Entwicklung und Ausbruch von Typ 1 Diabetes zu und werden die
Klassifizierung und den Diagnosezeitpunkt verändern. Das IDF ist Teil
des Helmholtz Diabetes Center (HDC).
http://www.helmholtz-muenchen.de/idf
Das CRTD wurde als interdisziplinäres, eng verbundenes Netzwerk mit 17
Forschungsgruppen im Kernzentrum sowie mehr als 75 Vollmitgliedern an
sieben verschiedenen Dresdner Forschungsinstituten gegründet. Zurzeit
forschen sieben Professoren und zehn Forschungsgruppenleiter am CRTD.
Die Mitglieder des CRTD-Netzwerks arbeiten unter anderem am
Biotechnologischen Zentrum der TU Dresden, am Max-Planck-Institut für
molekulare Zellbiologie und Genetik, am Max-Bergmann-Zentrum für
Biomaterialien, in Kliniken des Universitätsklinikums "Carl Gustav
Carus" oder an der Medizinischen Fakultät der TU Dresden. 8 Partner aus
der Wirtschaft unterstützen ebenfalls das Netzwerk des CRTD, das die
notwendige Expertise bündelt, um neuartige regenerative Therapien
schnell und effizient zu entwickeln.
http://www.crt-dresden.de
The Leona M. and Harry B. Helmsley Charitable Trust aspires to improve
lives by supporting exceptional nonprofits and other mission-aligned
organizations in health, selected place-based initiatives, and education
and human services. Since 2008, when the Trust began its active
grantmaking, it has committed more than $1 billion. The Helmsley Type 1
Diabetes Program is the largest private foundation funder of T1D in the
United States focused on understanding the disease, developing better
treatments and improving care and access. For more information, visit
http://www.helmsleytrust.org.
Medizin am Abend Berlin DirektKontakt
www.medizin-am-abend.blogspot.com
Über Google: Medizin am Abend Berlin
Prof. Dr. Anette-Gabriele Ziegler
Helmholtz Zentrum München
Deutsches
Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt (GmbH)
Institut für
Diabetesforschung
Ingolstädter Landstr. 1
85764 Neuherberg
Tel. +49
89 3187 3405
E-Mail: anette-g.ziegler@helmholtz-muenchen.de
Sonja Opitz
Helmholtz Zentrum München - Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt