Medizin am Abend Fazit: Krankenhaus Rating Report 2015
Und die Bundeskanzlerin:
Die Insolvenzwahrscheinlichkeit deutscher Krankenhäuser ist im Jahr
2013 leicht gestiegen, gleichzeitig hat sich aber ihre Ertragslage
verbessert. Nach wie vor ist die Kapitalausstattung der Krankenhäuser
jedoch unzureichend, der kumulierte Investitionsstau beträgt mindestens
12 Milliarden Euro.
Mittelfristig wird der demographische Wandel ein
deutlich effizienteres Gesundheitswesen erfordern. Ansätze hierzu sind
strukturelle Veränderungen und eine stärkere Digitalisierung der
Medizin. Eine Art „Bad Bank“ für Krankenhäuser könnte dabei helfen,
Klinikschließungen besser zu bewerkstelligen. Ein solcher Fonds würde
eine Anfangsausstattung von ca. 2,7 Milliarden Euro benötigen.
Die Insolvenzwahrscheinlichkeit deutscher Krankenhäuser hat sich im
Jahr 2013 gegenüber dem Vorjahr leicht erhöht. 16% befanden sich im
„roten Bereich“ mit erhöhter Insolvenzgefahr. Gleichzeitig besserte sich
aber ihre Ertragslage: die durchschnittliche Umsatzrendite stieg von
0,7 auf 1,4%. Auf Konzernebene schrieben 30% der Krankenhäuser einen
Jahresverlust, 2012 waren es noch 33%. Aufgrund der verbesserten
Ertragslage waren 2013 zudem 56% der Kliniken voll investitionsfähig,
nach nur 48% im Jahr zuvor. Nach wie vor ist die Kapitalausstattung der
Krankenhäuser jedoch unzureichend. Ihr jährlicher Investitionsbedarf
(ohne Universitätskliniken) beträgt rund 5,3 Milliarden Euro. Die Länder
steuern derzeit nur die Hälfte davon bei. Der kumulierte
Investitionsstau beträgt mindestens 12 Milliarden Euro. Bei
Fortschreibung des Status quo würde der Anteil der Krankenhäuser mit
erhöhter Insolvenzgefahr bis 2020 weiter auf 27% steigen. Das anstehende
Krankenhausstrukturgesetz dürfte zu einer Verbesserung der Lage führen,
allerdings nur in dem Sinne, dass es zu keiner weiteren
Verschlechterung bis 2020 kommt. Produktivitätsfortschritte und
Marktaustritte von wirtschaftlich schwachen Häusern sind daher
zusätzlich nötig, um den Anteil der Kliniken im „roten“ Bereich wieder
zu verringern.
Zu diesen Ergebnissen kommt der elfte „Krankenhaus Rating Report“, den
das RWI, die Institute for Healthcare Business GmbH (hcb), die Stiftung
Münch und die Philips GmbH gemeinsam erstellt haben und dessen
Ergebnisse im Rahmen des „Hauptstadtkongress 2015 – Medizin und
Gesundheit“ in Berlin der Öffentlichkeit vorgestellt wurden. Der Report
basiert auf einer Stichprobe von 600 Jahresabschlüssen aus dem Jahr 2012
sowie 143 Jahresabschlüssen aus dem Jahr 2013. Sie umfassen insgesamt
rund 950 Kliniken.
Ostdeutschen Kliniken geht es wirtschaftlich weiter am besten
In den ostdeutschen Bundesländern war die wirtschaftliche Lage der
Krankenhäuser 2013 wie im Vorjahr am besten, gefolgt von
Nordrhein-Westfalen.
Am schwierigsten war die Lage in
Niedersachsen/Bremen, Baden-Württemberg, Bayern und Hessen. Im Vergleich
zum Vorjahr hat sich die Situation insbesondere in Hessen, Bayern und
Baden-Württemberg verschlechtert. In vielen Regionen sind die
Krankenhausstrukturen ungünstig, es gibt zu viele kleine Einheiten, eine
zu hohe Krankenhausdichte und zu wenig Spezialisierung. In
Ostdeutschland haben die Strukturanpassungen der vergangenen Jahrzehnte
indessen Früchte getragen.
Bei einer Betrachtung nach Trägern lagen im Jahr 2013 29% der
öffentlich-rechtlichen Häuser im „roten Bereich“, 14% der
freigemeinnützigen
und 5% der privaten. Dabei mussten alle
Trägerschaften in den vergangenen Jahren eine Verschlechterung
hinnehmen. Vor allem in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und im
Nordwesten war die Lage vieler öffentlich-rechtlicher Häuser kritisch.
Vorteilhaft sowohl in wirtschaftlicher als auch in qualitativer Hinsicht
war ein hoher Spezialisierungsgrad.
Ferner zeigte sich, dass
Krankenhäuser mit hohem Kapitaleinsatz, d.h. Investitionen,
wirtschaftlich stärker aufgestellt waren.
Mengenwachstum fand nicht mehr statt
Bemerkenswert ist, dass die Zahl der Krankenhausfälle 2013 nur um 0,9%
stieg und das gesamte Leistungsvolumen (Casemixvolumen) sogar nahezu
unverändert blieb. Dagegen stiegen die Preise für Krankenhausleistungen
stärker als in den vergangenen Jahren. Es scheint sich hier in Bezug auf
das in der Vergangenheit beobachtete Mengenwachstum eine Trendwende
abzuzeichnen.
Überdies konnte erstmals der Anteil von Einrichtungen
untersucht werden, die nicht an der Notfallversorgung teilnehmen. Er
betrug 2013 nur 1,4%. Deutlich wird, dass sich darunter vorwiegend
kleine Kliniken mit weniger als 50 Betten befinden. Unter ihnen sind
viele Spezialversorger. Dagegen nahmen nahezu alle Grundversorger an der
Notfallversorgung teil.
Demographischer Wandel macht effizienteres Gesundheitswesen nötig
Insbesondere nach dem Jahr 2020 wird sich nach Einschätzung der
Wissenschaftler der demographische Wandel verstärkt im Gesundheitswesen
bemerkbar machen. Mehr Alte und weniger Junge werden nicht nur die
sozialen Sicherungssysteme finanziell überfordern,
sondern auch das
Krankenhauspersonal knapper und teurer machen. Mittelfristig ist daher
ein deutlich effizienteres Gesundheitswesen nötig, um einer Rationierung
in der Medizin entgegenwirken zu können. Effizienzverbesserungen des
nötigen Ausmaßes scheinen nur auf der Ebene regionaler oder nationaler
und integrierter Verbünde erzielbar. Dabei geht es nicht nur um
Kostensenkungen, sondern auch um eine verbesserte medizinische
Versorgungsqualität und ein besseres Case Management.
Im Personalbereich werden insbesondere im ärztlichen Bereich neue Wege
beschritten werden müssen.
2013 entfiel erstmals der größte Teil der
Personalkosten von Krankenhäusern nicht mehr auf den Pflegedienst,
sondern mit 31% auf den ärztlichen Dienst.
Dieser immer weiter steigende
Anteil wird die Krankenhäuser mittelfristig dazu zwingen, ärztliche
Tätigkeiten stärker zu delegieren und zu substituieren.
Ein Ansatz
hierzu könnte die Digitalisierung der Medizin sein. Voraussetzungen
hierfür sind die elektronische Patientenakte, eine offene
Telematikinfrastruktur und sektorenübergreifende Medizin.
„Bad Bank“ für Krankenhäuser könnte Marktaustritte begleiten
Im Krankenhaussektor finden nur wenige Marktaustritte statt, obwohl die
Versorgungssicherheit in kaum einer Region dadurch gefährdet würde. Um
Marktaustritte besser bewerkstelligen zu können, schlagen die
Wissenschaftler eine Weiterentwicklung des vom Gesetzgeber geplanten
Strukturfonds hin zu einer Art „Bad Bank“ für Krankenhäuser vor. Dieser
„aktive Strukturfonds“ würde Krankenhäuser zur Abwicklung aufnehmen,
wenn für den Träger weder eine Sanierung noch ein Verkauf in Frage kommt
und der Standort nicht aus Versorgungsgründen aufrechterhalten werden
muss.
Parallel dazu sollten bundesweit einheitliche Mindestanforderungen
an die Erreichbarkeit und die Qualität der Krankenhäuser sowie an die
Notfallversorgung formuliert werden.
Der Fonds sollte einerseits die Kosten für den Abriss oder ggf. die
Umwidmung der Immobilie sowie für die Aufstellung eines Sozialplans
tragen. Andererseits könnte er auch Einnahmen erzielen, wenn er die
bislang vereinbarten Casemixpunkte des zu schließenden Krankenhauses
ohne Fixkostendegressionsabschlag anderen Trägern in der Region
anbietet.
Geht man davon aus, dass alle insolvenzgefährdeten, nicht
versorgungsrelevanten Krankenhäuser mit einem Jahresverlust und mit
weniger als 400 Betten an den Fonds übergingen, entstünden ihm
Abwicklungskosten von rund 4,3 Milliarden Euro. Demgegenüber stünden
Erlöse aus dem Verkauf der Casemixpunkte-Lizenzen in einer Größenordnung
von schätzungsweise 1,6 Milliarden Euro. Insgesamt würde der Fonds
damit eine Anfangsausstattung von 2,7 Milliarden Euro benötigen.
Er
sollte aus Bundesmitteln gespeist werden und unabhängig von den Ländern
agieren können.
Medizin am Abend DirektKontakt
Dr. Boris Augurzky (RWI) Tel.: (0201) 81 49-203
Sabine Weiler Tel.: (0201) 81 49-213
Dr. Sebastian Krolop (Philips) Tel.: (0151) 29 908 758
Dieser Information liegt die Studie "Krankenhaus Rating Report
2015: ,Bad Bank‘ für Krankenhäuser - Krankenhausausstieg vor der Tür?"
zugrunde. Sie enthält unter anderem zahlreiche grafisch aufbereitete
Darstellungen und Krankenhausbenchmarks. Die Studie kann bis zum 30.
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