Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Kann Oxytocin gegen Einsamkeit helfen? Studie des Universitätsklinikums Bonn liefert neue Erkenntnisse
Einsamkeit ist keine Krankheit.
- Und dennoch stellt sie ein erhebliches Gesundheitsproblem dar. Depression, Herzerkrankungen oder Demenz - wer dauerhaft einsam ist, hat ein höheres Risiko krank zu werden.
Wie man gezielt gegen Einsamkeit vorgehen könnte, hat das Team um Dr. Jana Lieberz vom Universitätsklinikum Bonn (UKB), die auch an der Universität Bonn forscht, und Prof. Dr. Dirk Scheele (Ruhr-Universität Bochum) untersucht.
In einer kontrollierten Studie, an der die Universitäten Oldenburg, Bochum, Freiburg und Haifa (Israel) ebenfalls beteiligt waren, haben 78 Frauen und Männer, die sich einsam fühlen, das sogenannte „Kuschelhormon“ Oxytocin als Nasenspray erhalten.
Seniorautorin der Studie zu Effekten von Oxytocin konnte zusammen mit einem internationalen Team zeigen, dass das „Kuschelhormon“ kurzfristig das Einsamkeitsgefühl verringern kann, was für psychotherapeutische Interventionen vorteilhaft sein würde. Universitätsklinikum Bonn
- Einsamkeit, ein negatives Gefühl, das auftritt, wenn die eigenen sozialen Beziehungen quantitativ oder qualitativ als nicht ausreichend wahrgenommen werden, kennt vermutlich jeder.
- Bleibt es jedoch bestehen, kann es mit vielen psychischen, aber auch physischen Erkrankungen einhergehen.
- Trotzdem mangelt es bisher an effektiven Interventionen, um chronische Einsamkeit bei Betroffenen zu verringern.
Ob das Bindungshormon Oxytocin helfen könnte, die Effektivität einer Gruppentherapie gegen Einsamkeit zu stärken, haben die Seniorautoren Dr. Jana Lieberz und Prof. Dr. Scheele zusammen mit Erstautor Ruben Berger (UKB) jetzt in einer aktuellen Studie untersucht.
Die Effekte, die die
Forscherinnen und Forscher dabei beobachtet haben, könnten zukünftig
helfen, die Einsamkeit und die möglichen schwerwiegenden Folgen
abzumildern.
In der Proof-of-Concept-Studie haben Teilnehmerinnen und Teilnehmer fünf
wöchentliche Gruppentherapiesitzungen durchlaufen, die durch die Gabe
von Oxytocin in Form eines Nasensprays ergänzt wurden. Eine
Kontrollgruppe erhielt ein Placebo-Präparat. Die Wahrnehmung des eigenen
Einsamkeitsgefühls wurde zu Beginn der Studie, nach dem Durchlaufen
aller Termine und noch einmal zu zwei Nachbeobachtungszeitpunkten (drei
Wochen und drei Monate) von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern
bewertet. Zusätzlich wurden akute Einsamkeitsgefühle, das Stresslevel,
die Lebensqualität sowie die therapeutische Beziehung bei jeder Sitzung
bewertet.
Die Seniorautorin der Studie Dr. Lieberz resümiert: „Die psychologische
Intervention war in allen Behandlungsgruppen mit einer verringerten
Stresswahrnehmung und einer Verbesserung der generellen Einsamkeit
verbunden, was auch bei der Nachuntersuchung nach drei Monaten noch
sichtbar war.“ Zwar hatte Oxytocin keinen signifikanten Einfluss auf die
generell empfundene Einsamkeit, die Lebensqualität oder den
wahrgenommenen Stress.
Im Vergleich zu Placebo berichteten die
Teilnehmenden, die Oxytocin erhalten hatten, jedoch ein verringertes
akutes Gefühl der Einsamkeit nach den Sitzungen. Zusätzlich verbesserte
die Oxytocin-Gabe die positive Bindung zwischen den Gruppenmitgliedern.
- „Das ist eine sehr wichtige Beobachtung, die wir gemacht haben – Oxytocin konnte die positive Beziehung zu den anderen Gruppenmitgliedern stärken und von Beginn an die akuten Einsamkeitsgefühle reduzieren.
Es könnte daher hilfreich sein, Patientinnen und Patienten zu Beginn einer Psychotherapie damit zu unterstützen.
Denn wir wissen, dass sich Patientinnen und Patienten anfangs – sobald Probleme benannt werden – auch erst einmal schlechter als vor Beginn einer Therapie fühlen können.
Durch die beobachteten Effekte der Oxytocin-Gabe könnten Betroffene wiederum besser am Ball bleiben und weitermachen“, erläutert Dr. Lieberz.
Dabei betont die Psychologin, dass Oxytocin nicht als Allheilmittel gesehen werden dürfe – und es zur Verringerung von Einsamkeit auch keinesfalls immer einer Therapie bedarf.
Zwar konnten in der Studie keine langfristigen Effekte durch die Oxytocin-Gabe beobachtet werden, dennoch deuten die Ergebnisse der Studie darauf hin, dass mithilfe von Oxytocin positive Effekte bei Interventionen erzielt werden.
Weitere Studien sind jetzt erforderlich, um optimale
Interventionsdesigns zu ermitteln, sodass die beobachteten akuten
Auswirkungen von Oxytocin in langfristige Vorteile umgesetzt werden
können.
Die Studie wurde von der German-Israel Foundation for Scientific
Research and Development (Deutsch-israelische Stiftung für
wissenschaftliche Forschung und Entwicklung) gefördert; Dirk Scheele und
René Hurlemann wurden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft
gefördert.
Daria Siverina
Universitätsklinikum Bonn
Telefon: (+49) 228 287-14416
E-Mail: daria.siverina@ukbonn.de
Venusberg-Campus 1
53127 Bonn
Deutschland
Nordrhein-Westfalen
Daria Siverina
E-Mail-Adresse: daria.siverina@ukbonn.de
Originalpublikation:
Publikation: Oxytocin-augmented modular-based group intervention for loneliness: A proof-of-concept randomized-controlled trial; Ruben Berger, Rene Hurlemann, Simone G. Shamay-Tsoory, Alisa Kantermann, Maura Brauser, Jessica Gorni, Maike Luhmann, Elisabeth Schramm, Johannes Schultz, Alexandra Philipsen, Jana Lieberz, Dirk Scheele; Psychother Psychosom 2024; https://doi.org/10.1159/000538752
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