Medizin am Abend Fazit: Singles in Deutschland: Ursachen zunehmender Partnerlosigkeit
Hintergrundlink für Medizin am Abend Beteiligte:
https://www.statistik-berlin-brandenburg.de/publikationen/Stat_Berichte/2015/SB_A01-05-00_2014h02_BE.pdf
https://www.statistik-berlin-brandenburg.de/pms/2015/15-02-12a.pdf
In den vergangenen Jahrzehnten hat die Zahl der Singles in Deutschland
immer mehr zugenommen. Zwischen 1993 und 2009 ist der Anteil der Menschen
ohne Partner im Alter bis zu 60 Jahren um 8,5 Prozent gestiegen. Die
Ursachen dafür hat der Heidelberger Soziologe Jan Eckhard auf Basis der
für Deutschland repräsentativen Daten des Sozio-oekonomischen Panels
(SOEP) im DIW Berlin näher ergründet. Unterschiedliche
sozialwissenschaftliche Theorien zum Singledasein wurden dabei empirisch
überprüft. Eine überraschend große Rolle für die zunehmende Zahl der
Singles spielen demnach „demografische Engpässe“ auf dem sogenannten
„Partnermarkt“.
„Für die Männer und Frauen einiger Geburtsjahrgänge besteht ein
gravierendes Unterangebot an möglichen künftigen Partnerinnen oder
Partnern“, sagt Eckhard. „Dies hat dazu geführt, dass diese Männer und
Frauen im Laufe ihres Lebens sehr viel häufiger ohne Partner lebten als
Menschen älterer Generationen.“ Außerdem trugen unter anderem die
zunehmende Berufstätigkeit der Frauen und der Anstieg der Arbeitslosigkeit
in den 90er Jahren dazu bei, dass immer mehr Menschen immer häufiger
alleine leben. Die Studie wurde in der letzten Ausgabe der Zeitschrift für
Soziologie veröffentlicht.
Für seine Untersuchung hatte Jan Eckhard die SOEP-Daten von mehr als
20.000 Männern und Frauen ausgewertet, die jährlich wiederholt befragt
worden waren zu Partnerschaften innerhalb und außerhalb des eigenen
Haushalts, Einkommen, beruflicher Position, Familiengeschichte und
weiteren Faktoren. Anhand statistischer Analysen dieser Daten überprüfte
der Soziologe mehrere Theorien zu den Ursachen der Partnerlosigkeit.
Die Analyse der SOEP-Daten zeigt: Eine überraschend große Rolle für die
zunehmende Zahl der Singles spielen „demografische Engpässe“ auf dem
„Partnermarkt“. Beispielsweise kamen Mitte der 1960er Jahre besonders
viele Kinder zur Welt – die geburtenstarken Jahrgänge. Anschließend sanken
die Geburtenzahlen so stark ab, dass in den nachfolgenden Jahrgängen bis
zu 40 Prozent weniger Kinder geboren wurden. Da sich – wie bereits mehrere
frühere Studien belegt haben – Männer bei der Partnersuche meist auf die
zwei bis vier Jahre jüngeren Frauen, die Frauen sich umgekehrt auf die
zwei bis vier Jahre älteren Männer konzentrieren, kann dies zu Engpässen
bei der Partnersuche führen: Die vielen Männer aus den geburtenstarken
Jahrgängen „konkurrieren“ um die wenigen Frauen aus den zahlenmäßig
kleineren Jahrgängen.
Auch gesellschaftliche und kulturelle Veränderungen begünstigen das
Singleleben. Ein Beispiel hierfür ist die zunehmende Erwerbstätigkeit von
Frauen. „Durch das eigene Einkommen der Frauen verliert die traditionelle
Versorgungsfunktion einer Beziehung an Bedeutung“, sagt Jan Eckhard.
„Beziehungen, die nicht funktionieren, werden nicht mehr wie in der
Vergangenheit aus rein finanziellen Gründen aufrecht erhalten.“ Das weit
verbreitete Bild, dass vor allem beruflich erfolgreiche „Karrierefrauen“
ohne Partner leben, würden die SOEP-Daten jedoch nicht bestätigen. Jan
Eckhard: „Die Entscheidung für ein Singledasein ist unabhängig von der
beruflichen Position der Frauen. Ausschlaggebend ist viel mehr, ob die
Frauen überhaupt ein eigenes Einkommen haben.“
Dass Frauen immer öfter ohne Partner leben, liegt teilweise auch an der
immer häufigeren Erfahrung, als Kind einer allein erziehenden Mutter
aufzuwachsen. Eckhard erklärt diesen Unterschied durch den sogenannten
„Transmissionseffekt“. Darunter versteht man in der Familiensoziologie,
dass die Frauen Verhaltensmuster und Bewältigungsstrategien ihrer allein
lebenden Mütter lernen können und somit gut auf ein Leben ohne Partner
vorbereitet sind.
Eine weitere Ursache dafür, dass die Partnerlosigkeit in der Vergangenheit
zugenommen hat, ist bei beiden Geschlechtern die Zunahme der
Arbeitslosenzahlen ab Beginn der 90er Jahre. Die Zahl der Arbeitslosen
stieg seit 1990 von unter 2,5 Millionen auf zeitweilig 4,5 Millionen in
den Jahren 2003 – 2006. Der Anteil der Singles im Alter zwischen 20 und 35
Jahren erhöhte sich in diesem Zeitraum um 12 Prozent. „Schlechte
Arbeitsmarktchancen verlangen ein höheres Maß an Flexibilität und lassen
eine gemeinsame Zukunftsplanung in einer stabilen Partnerschaft oft nicht
zu“, erklärt Jan Eckhard.
STICHWORT SOEP
Das Sozio-oekonomische Panel (SOEP) ist die größte und am längsten
laufende multidisziplinäre Langzeitstudie in Deutschland. Das SOEP im DIW
Berlin wird als Teil der Forschungsinfrastruktur in Deutschland unter dem
Dach der Leibniz-Gemeinschaft (WGL) von Bund und Ländern gefördert. Für
das SOEP werden seit 1984 jedes Jahr vom Umfrageinstitut TNS Infratest
Sozialforschung mehrere tausend Menschen befragt. Zurzeit sind es etwa
25.000 Befragte in knapp 15.000 Haushalten. Die Daten des SOEP geben unter
anderem Auskunft über Einkommen, Erwerbstätigkeit, Bildung, Gesundheit und
Lebenszufriedenheit. Weil jedes Jahr dieselben Personen befragt werden,
können nicht nur langfristige gesellschaftliche Trends, sondern auch die
gruppenspezifische Entwicklung von Lebensläufen besonders gut analysiert
werden. Mehr als 500 Forscherinnen und Forscher im In- und Ausland nutzen
die SOEP-Daten für ihre Studien. Bis heute sind mehr als 7.000
Veröffentlichungen auf Basis der SOEP-Daten erschienen.
Medizin am Abend DirektKontakt
jan.eckhard@soziologie.uni-heidelberg.de
Sozio-oekonomisches Panel (SOEP), Monika Wimmer
Die Studie:
Eckhard, Jan (2014): Der sozialstrukturelle Kontext der zunehmenden
Partnerlosigkeit in Deutschland. Zeitschrift für Soziologie, Jg. 43, Heft
5: 341-360
www.zfs-online.org/index.php/zfs/article/view/3179
Hintergrundlink für Medizin am Abend Beteiligte:
https://www.statistik-berlin-brandenburg.de/publikationen/Stat_Berichte/2015/SB_A01-05-00_2014h02_BE.pdf
https://www.statistik-berlin-brandenburg.de/pms/2015/15-02-12a.pdf
In den vergangenen Jahrzehnten hat die Zahl der Singles in Deutschland
immer mehr zugenommen. Zwischen 1993 und 2009 ist der Anteil der Menschen
ohne Partner im Alter bis zu 60 Jahren um 8,5 Prozent gestiegen. Die
Ursachen dafür hat der Heidelberger Soziologe Jan Eckhard auf Basis der
für Deutschland repräsentativen Daten des Sozio-oekonomischen Panels
(SOEP) im DIW Berlin näher ergründet. Unterschiedliche
sozialwissenschaftliche Theorien zum Singledasein wurden dabei empirisch
überprüft. Eine überraschend große Rolle für die zunehmende Zahl der
Singles spielen demnach „demografische Engpässe“ auf dem sogenannten
„Partnermarkt“.
„Für die Männer und Frauen einiger Geburtsjahrgänge besteht ein
gravierendes Unterangebot an möglichen künftigen Partnerinnen oder
Partnern“, sagt Eckhard. „Dies hat dazu geführt, dass diese Männer und
Frauen im Laufe ihres Lebens sehr viel häufiger ohne Partner lebten als
Menschen älterer Generationen.“ Außerdem trugen unter anderem die
zunehmende Berufstätigkeit der Frauen und der Anstieg der Arbeitslosigkeit
in den 90er Jahren dazu bei, dass immer mehr Menschen immer häufiger
alleine leben. Die Studie wurde in der letzten Ausgabe der Zeitschrift für
Soziologie veröffentlicht.
Für seine Untersuchung hatte Jan Eckhard die SOEP-Daten von mehr als
20.000 Männern und Frauen ausgewertet, die jährlich wiederholt befragt
worden waren zu Partnerschaften innerhalb und außerhalb des eigenen
Haushalts, Einkommen, beruflicher Position, Familiengeschichte und
weiteren Faktoren. Anhand statistischer Analysen dieser Daten überprüfte
der Soziologe mehrere Theorien zu den Ursachen der Partnerlosigkeit.
Die Analyse der SOEP-Daten zeigt: Eine überraschend große Rolle für die
zunehmende Zahl der Singles spielen „demografische Engpässe“ auf dem
„Partnermarkt“. Beispielsweise kamen Mitte der 1960er Jahre besonders
viele Kinder zur Welt – die geburtenstarken Jahrgänge. Anschließend sanken
die Geburtenzahlen so stark ab, dass in den nachfolgenden Jahrgängen bis
zu 40 Prozent weniger Kinder geboren wurden. Da sich – wie bereits mehrere
frühere Studien belegt haben – Männer bei der Partnersuche meist auf die
zwei bis vier Jahre jüngeren Frauen, die Frauen sich umgekehrt auf die
zwei bis vier Jahre älteren Männer konzentrieren, kann dies zu Engpässen
bei der Partnersuche führen: Die vielen Männer aus den geburtenstarken
Jahrgängen „konkurrieren“ um die wenigen Frauen aus den zahlenmäßig
kleineren Jahrgängen.
Auch gesellschaftliche und kulturelle Veränderungen begünstigen das
Singleleben. Ein Beispiel hierfür ist die zunehmende Erwerbstätigkeit von
Frauen. „Durch das eigene Einkommen der Frauen verliert die traditionelle
Versorgungsfunktion einer Beziehung an Bedeutung“, sagt Jan Eckhard.
„Beziehungen, die nicht funktionieren, werden nicht mehr wie in der
Vergangenheit aus rein finanziellen Gründen aufrecht erhalten.“ Das weit
verbreitete Bild, dass vor allem beruflich erfolgreiche „Karrierefrauen“
ohne Partner leben, würden die SOEP-Daten jedoch nicht bestätigen. Jan
Eckhard: „Die Entscheidung für ein Singledasein ist unabhängig von der
beruflichen Position der Frauen. Ausschlaggebend ist viel mehr, ob die
Frauen überhaupt ein eigenes Einkommen haben.“
Dass Frauen immer öfter ohne Partner leben, liegt teilweise auch an der
immer häufigeren Erfahrung, als Kind einer allein erziehenden Mutter
aufzuwachsen. Eckhard erklärt diesen Unterschied durch den sogenannten
„Transmissionseffekt“. Darunter versteht man in der Familiensoziologie,
dass die Frauen Verhaltensmuster und Bewältigungsstrategien ihrer allein
lebenden Mütter lernen können und somit gut auf ein Leben ohne Partner
vorbereitet sind.
Eine weitere Ursache dafür, dass die Partnerlosigkeit in der Vergangenheit
zugenommen hat, ist bei beiden Geschlechtern die Zunahme der
Arbeitslosenzahlen ab Beginn der 90er Jahre. Die Zahl der Arbeitslosen
stieg seit 1990 von unter 2,5 Millionen auf zeitweilig 4,5 Millionen in
den Jahren 2003 – 2006. Der Anteil der Singles im Alter zwischen 20 und 35
Jahren erhöhte sich in diesem Zeitraum um 12 Prozent. „Schlechte
Arbeitsmarktchancen verlangen ein höheres Maß an Flexibilität und lassen
eine gemeinsame Zukunftsplanung in einer stabilen Partnerschaft oft nicht
zu“, erklärt Jan Eckhard.
STICHWORT SOEP
Das Sozio-oekonomische Panel (SOEP) ist die größte und am längsten
laufende multidisziplinäre Langzeitstudie in Deutschland. Das SOEP im DIW
Berlin wird als Teil der Forschungsinfrastruktur in Deutschland unter dem
Dach der Leibniz-Gemeinschaft (WGL) von Bund und Ländern gefördert. Für
das SOEP werden seit 1984 jedes Jahr vom Umfrageinstitut TNS Infratest
Sozialforschung mehrere tausend Menschen befragt. Zurzeit sind es etwa
25.000 Befragte in knapp 15.000 Haushalten. Die Daten des SOEP geben unter
anderem Auskunft über Einkommen, Erwerbstätigkeit, Bildung, Gesundheit und
Lebenszufriedenheit. Weil jedes Jahr dieselben Personen befragt werden,
können nicht nur langfristige gesellschaftliche Trends, sondern auch die
gruppenspezifische Entwicklung von Lebensläufen besonders gut analysiert
werden. Mehr als 500 Forscherinnen und Forscher im In- und Ausland nutzen
die SOEP-Daten für ihre Studien. Bis heute sind mehr als 7.000
Veröffentlichungen auf Basis der SOEP-Daten erschienen.
Medizin am Abend DirektKontakt
jan.eckhard@soziologie.uni-heidelberg.de
Sozio-oekonomisches Panel (SOEP), Monika Wimmer
Die Studie:
Eckhard, Jan (2014): Der sozialstrukturelle Kontext der zunehmenden
Partnerlosigkeit in Deutschland. Zeitschrift für Soziologie, Jg. 43, Heft
5: 341-360
www.zfs-online.org/index.php/zfs/article/view/3179