Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Neue synthetische Peptide könnten Arterienverkalkung aufhalten
- Die Atherosklerose, umgangssprachlich Arterienverkalkung genannt, ist die Hauptursache von Schlaganfall und Herzinfarkt.
Münchner Forscherinnen und Forscher der Technischen Universität München (TUM) und des LMU Klinikums haben jetzt mit einem internationalen Team neuartige synthetische Peptide entwickelt, die die Atherosklerose in vitro, also im Reagenzglas, und im Tiermodell hemmen.
Forschung der letzten 20 Jahre hat gezeigt, dass Atherosklerose durch Entzündungsprozesse in der arteriellen Gefäßwand entsteht.
- Diese so genannte vaskuläre Entzündung wird durch Botenstoffe, die Zytokine und Chemokine, vermittelt.
Die Entwicklung von entsprechenden
entzündungshemmenden Therapeutika für diese Krankheit hat sich jedoch
trotz vielversprechender jüngerer Studien als schwierig herausgestellt.
Bisherige gegen Botenstoffe gerichtete Therapiestrategien bei
Atherosklerose, Herzinfarkt, Schlaganfall, Rheumatoider Arthritis und
anderen Entzündungskrankheiten setzen vor allem auf Antikörper und
Medikamente auf Basis kleiner Moleküle.
Die Münchner Forschungsgruppe
hat nun kurze Aminosäureketten synthetisch hergestellt, so genannte
Peptide, die wie ein Chemokinrezeptor funktionieren. Im Tiermodel halten
sie Atherosklerose auf.
Forschende designen neuartige Peptide gegen Atherosklerose
- Chemokine sind im Körper dazu da, die Wanderung von Immunzellen zu lenken.
Sie sind zentrale Akteure bei verschiedenen
Entzündungskrankheiten, einschließlich Atherosklerose, und daher für die
Forschenden so interessant.
Die jetzt von Münchner Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern
designten synthetischen Peptide ahmen bestimmte Chemokinrezeptoren nach
und sind in der Lage, genau die Chemokinmechanismen selektiv zu hemmen,
die die Atherosklerose fördern. Hingegen werden Chemokinmechanismen, die
andere physiologisch wichtige Prozesse im Körper steuern, nicht
gehemmt. Sie bleiben also „verschont“.
Frühere Studien hatten zwar die Wirksamkeit von Therapeutika, die auf
Zytokine und Chemokine abzielen, nachgewiesen. Die Medikamente
schalteten aber nicht nur die Wirkungen des Botenstoffs auf die
Arterienverkalkung aus, sondern auch solche Wirkungen, die durchaus
wertvoll sind, weil sie beispielsweise zur Infektabwehr vonnöten sind.
„Die hier entwickelten Mini-CXCR4-Mimetika können selektiv zwischen zwei
Botenstoffen eines Rezeptors, in diesem Fall dem atypischen Chemokin
MIF und dem klassischen Chemokin CXCL12, unterscheiden und so spezifisch
die Wirkungen auf die Atherosklerose hemmen“, erklärt Aphrodite
Kapurniotu, Professorin für Peptidbiochemie an der TUM.
Peptidtherapeutika sind geeignet und günstig
„Peptid-basierte Therapeutika werden oft als wenig stabil angesehen, da
sie von bestimmten Enzymen im Körper, den Proteasen, schnell abgebaut
werden. Hier helfen aber Methoden der Peptidchemie zur Verbesserung der
Stabilität von Peptiden, beispielsweise, wenn man unnatürliche Bausteine
einbaut“, so Prof. Kapurniotu.
„Aktuell konnten wir unseren Ansatz zwar nur im Tiermodell bestätigen,
aber eine zukünftige klinische Anwendung scheint möglich, zumal
Peptidtherapeutika deutlich kostengünstiger sind als Antikörper“, sagt
Prof. Jürgen Bernhagen vom Institut für Schlaganfall- und
Demenzforschung (ISD) am LMU Klinikum München).
Therapeutisches Potenzial für entzündliche Krankheiten
Den Forschenden zufolge ist die aktuelle Studie als „Show-case“
einzuordnen. Der Ansatz zeigt, dass solche
Mini-Chemokinrezeptor-Mimetika-Ansätze prinzipiell möglich sind und
deutet darauf hin, dass sie sich entsprechend auch auf andere Chemokine
übertragen lassen könnten.
Das neue molekulare Konzept könnte aus Sicht der Wissenschaftlerinnen
und Wissenschaftler therapeutisches Potenzial für die Atherosklerose und
andere entzündliche Krankheiten haben.
Mehr Informationen:
Es handelt sich um eine gemeinschaftliche Studie der Forschungsgruppe
von Prof. Aphrodite Kapurniotu (TUM) mit Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftlern vom Institut für Schlaganfall- und Demenzforschung
(ISD) des LMU Klinikums (Prof. Jürgen Bernhagen) sowie weiteren
Kooperationspartnern um die Arbeitsgruppen von Prof. Christian Weber
(Institut für Prophylaxe und Epidemiologie der Herz-Kreislaufkrankheiten
(IPEK) an der LMU und Sprecher des Sonderforschungsbereichs SFB1123
„Atherosklerose“), Prof. Lars Mägdefessel und Prof. Hans-Henning
Eckstein (Klinik für Gefäßchirurgie an der TUM), Prof. Martin Dichgans
(ISD, LMU Klinikum) und Prof. Richard Bucala (Universität Yale).
Das zugrundeliegende molekulare Konzept (bzw. die neuartigen
synthetischen Peptide) wurden von TUM und LMU zum Patent angemeldet und
wird durch die BayPat vermarktet.
Die Arbeiten wurden im Rahmen des Sonderforschungsbereichs SFB1123
Atherosklerose durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), im
Rahmen des Exzellenzclusters SyNergy sowie durch das National Institute
of Health (NIH) gefördert.
Prof. Dr. Aphrodite Kapurniotu
Technische Universität München
TUM School of Life Sciences
Fachgebiet Peptidbiochemie
Campus Weihenstephan
Tel. 0049-8161-713542
E-Mail: akapurniotu@wzw.tum.de
https://www.pbch.wzw.tum.de/home/
https://www.professoren.tum.de/kapurniotu-aphrodite
Prof. Dr. Jürgen Bernhagen
Ludwig-Maximilians-Universität München
LMU Klinikum
Institut für Schlaganfall- und Demenzforschung (ISD)
Lehrstuhl für Vaskuläre Biologie
Campus Großhadern
Telefon: +49 (0)89 4400 – 46151
E-Mail: juergen.bernhagen@med.uni-muenchen.de
Dr. Katharina Baumeister Technische Universität München
Arcisstr. 21
80333 München
Deutschland
Bayern
Ulrich Meyer
Telefon: 089 / 289 22779
E-Mail-Adresse: ulrich.meyer@tum.de
Originalpublikation:
Christos Kontos, Omar El
Bounkari, Christine Krammer, Dzmitry Sinitski, Kathleen Hille, Chunfang
Zan, Guangyao Yan, Sijia Wang, Ying Gao, Markus Brandhofer, Remco T.A.
Megens, Adrian Hoffmann, Jessica Pauli, Yaw Asare, Simona Gerra,
Priscila Bourilhon, Lin Leng, Hans-Henning Eckstein, Wolfgang E. Kempf,
Jaroslav Pelisek, Ozgun Gokce, Lars Maegdefessel, Richard Bucala, Martin
Dichgans, Christian Weber, Aphrodite Kapurniotu & Jürgen Bernhagen:
Designed CXCR4 mimic acts as a soluble chemokine receptor that blocks atherogenic inflammation by agonist-specific targeting.
Nature Communications, 11, 5981 (2020) – DOI: 10.1038/s41467-020-19764-z
https://doi.org/10.1038/s41467-020-19764-z
Weitere Informationen für international Medizin am Abend Berlin Beteiligte
https://www.dfg.de/gefoerderte_projekte/programme_und_projekte/listen/projektdet... (Sonderforschungsbereich SFB 1123 "Atheroklerose")
http://www.wzw.tum.de (TUM School of Life Sciences)