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Mukovizidose: Salz- und Wasserhaushalt

Die jährliche Auswertung der umfassenden Daten aus dem Deutschen Mukoviszidose-Register zeigt positive Perspektiven für die Betroffenen: 

Die durchschnittliche Lebenserwartung steigt weiter an und liegt für ein heute Neugeborenes mit Mukoviszidose nun bei 67 Jahren. 

Eine deutliche Zunahme zeigt sich auch bei der Zahl der Elternschaften von Menschen mit der seltenen Erbkrankheit, während die Exazerbationshäufigkeit und die Zahl an Transplantationen sinken. Vorgestellt wurde der aktuelle Register-Berichtsband auf der Deutschen Mukoviszidose Tagung, der interdisziplinären jährlichen Fachtagung des Bundesverbands Mukoviszidose e.V. (Mukoviszidose: Cystische Fibrose, CF)

Deutlicher Anstieg der Lebenserwartung

„Im aktuellen Berichtsband werten wir Daten bis Ende 2023 aus und sehen erstmals mittelfristige Auswirkungen der hocheffektiven Modulatortherapie (Elexacaftor/Tezacaftor/Ivacaftor - ETI) .“, erläutert Prof. Dr. Lutz Nährlich, medizinischer Leiter des Deutschen Mukoviszidose-Registers. „Besonders eindrücklich ist die Entwicklung der durchschnittlichen Lebenserwartung: Sie liegt heute bei 67 Jahren und ist gegenüber dem Vorjahr um sieben Jahre gestiegen. Das ist sehr ermutigend, allerdings muss man dazu sagen, dass die statistische Berechnung der Lebenserwartung mit vielen Unsicherheiten behaftet ist, weil heute niemand wirklich abschätzen kann, wie sich neue Therapien langfristig auf den Gesundheitszustand der Betroffenen auswirken. Berechnet wird die durchschnittliche Lebenserwartung im Wesentlichen auf Basis der vergangenen Sterberaten und einer Fortführung des gegenwärtigen Trends. In den vergangenen Jahren ist die Anzahl jährlicher Todesfälle von Menschen mit Mukoviszidose stark zurückgegangen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Darstellung nicht zwischen CF-Betroffenen mit bzw. ohne CFTR-Modulatortherapie unterscheidet und daher die individuelle Vorhersage eingeschränkt ist. 


Dies erklärt auch, weshalb in 2023 das durchschnittliche Sterbealter von Menschen mit Mukoviszidose bei 39 Jahren und demnach immer noch rund 40 Jahre unter dem der Gesamtbevölkerung lag, die laut Statista in 2023 durchschnittlich im Alter von rund 80 Jahren verstorben ist.“

Im internationalen Vergleich rangiert Deutschland bzgl. der Lebenserwartung für Menschen mit CF aktuell im oberen Bereich – in den USA liegt diese beispielsweise derzeit bei 62 Jahren und in Großbritannien bei 64 Jahren.

Immer mehr Menschen mit Mukoviszidose werden Eltern

Die deutlich steigende Lebenserwartung und auch die Verbesserungen bzgl. der Lebensqualität führen dazu, dass sich für viele Menschen mit Mukoviszidose neue Perspektiven eröffnen, die noch vor einigen Jahren keine Option waren – eine davon ist die Familiengründung. 


So ist die Anzahl der im Deutschen Mukoviszidose-Register dokumentierten Mutterschaften von Frauen mit CF von 8 im Jahr 2000 auf 63 in 2023 angewachsen und die Zahl der Vaterschaften von Männern mit CF von 4 (2000) auf 16 (2023). Neben den Verbesserungen bei Lebensqualität und Lebenserwartung lässt sich diese Entwicklung auch mit einer direkten Wirkung von ETI auf die weibliche Fruchtbarkeit erklären: 


Die Verbesserung der Funktion des CFTR-Kanals in den Zellen durch den Modulator führt u.a. dazu, dass sich der bei CF verdickte Schleim im Gebärmutterhals verflüssigt und somit eine Befruchtung von Eizellen wahrscheinlicher wird. 


Da bei Männern die durch die Mukoviszidose bedingten Schädigungen am Samenleiter auch unter ETI nicht reversibel sind und sie weiterhin auf künstliche Befruchtungsmethoden angewiesen sind, steigt die Anzahl der Vaterschaften von Männern mit CF weniger stark an.

Rückgang bei Exazerbationen, Transplantationen und der Basistherapie

Weitere positive Trends bei der jährlichen Auswertung der Registerdaten verweisen auf einen deutlichen Rückgang von Exazerbationen (akuten Krankheitsverschlechterungen) und Hospitalisierungen, deren Häufigkeit sich in den letzten 8 Jahren mehr als halbiert haben sowie auf eine signifikante Abnahme der Zahl von Transplantationen (von 35 Transplantationen in 2020 auf 6 in 2023). Auffällig ist außerdem ein Rückgang bei der Durchführung der Inhalationstherapie, einem Bestandteil der klassischen CF-Basistherapie. So sind beispielsweise Inhalationen mit Antibiotika und DNase (Dornase alfa) seit 2020 um rund 20 Prozent zurückgegangen – ein durch die Modulatoren bedingter Paradigmenwechsel in der Therapie, der hier sichtbar wird.

Die Zahl der Patienten, die ETI nehmen, ist nochmal gestiegen im Vergleich zum Vorjahr: so sind es aktuell 64 Prozent der Kinder und Jugendlichen (2022: 59 Prozent) und 83 Prozent der Erwachsenen (2022: 81 Prozent). Die Dreifachtherapie ist derzeit für Menschen mit Mukoviszidose ab 2 Jahren zugelassen, Zulassungserweiterungen werden erwartet.

Informationen zum Deutschen Mukoviszidose-Register: 

https://www.muko.info/register

Hintergrund-Informationen

Über Mukoviszidose

In Deutschland sind mehr als 8.000 Kinder, Jugendliche und Erwachsene von der unheilbaren Erbkrankheit Mukoviszidose betroffen. 


Durch eine Störung des Salz- und Wasserhaushalts im Körper bildet sich bei Mukoviszidose-Betroffenen ein zähflüssiges Sekret, das Organe wie die Lunge und die Bauchspeicheldrüse irreparabel schädigt. 

Jedes Jahr werden in Deutschland etwa 150 bis 200 Kinder mit der seltenen Krankheit geboren.


Über den Mukoviszidose e.V.

Der Mukoviszidose e.V. vernetzt die Patienten, ihre Angehörigen, Ärzte, Therapeuten und Forscher. Er bündelt unterschiedliche Erfahrungen, Kompetenzen sowie Perspektiven mit dem Ziel, jedem Betroffenen ein möglichst selbstbestimmtes Leben mit Mukoviszidose zu ermöglichen. Um die vielfältigen Aufgaben und Ziele zu verwirklichen, ist der gemeinnützige Verein auf die Unterstützung engagierter Spender und Förderer angewiesen. Die Mukoviszidose Institut gGmbH ist eine hundertprozentige Tochter des Mukoviszidose e.V.

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Mukoviszidose e.V.
Carola Wetzstein
Telefon: +49 (0)228 9 87 80-22
Mobil: +49 (0)171 9582 382
E-Mail: CWetzstein@muko.info

Chronische Gelenkschmerzen - Hämophilie

Hämophilie, besser bekannt als Bluter-Krankheit, kann für unbehandelte Betroffene bereits gefährlich sein, wenn sie sich einen Zahn ziehen lassen. 

Setzt bei Gesunden die Blutgerinnung ein und verschließt die Wunde, so hört die Wunde bei Hämophilie-Patienten einfach nicht auf zu bluten. 

Wissenschaftlern der Universität des Saarlandes ist nun gemeinsam mit dem Pharmakonzern Novo Nordisk ein Durchbruch bei der Behandlung der schweren Hämophilie gelungen. Sie konnten die Wirksamkeit und Sicherheit eines völlig neuartig wirkenden Medikaments nachweisen. Veröffentlicht wurde die Studie im renommierten Fachjournal „The Lancet Haematology“.


Für Patientinnen und Patienten, die unter Hämophilie, besser bekannt als „Bluter-Krankheit“, leiden, ist das Leben ein einziger, ewiger Alarmzustand. Schneiden sie sich beim Gemüseschnippeln in den Finger, müssen sie umgehend den fehlenden Gerinnungsfaktor zuführen. Ein normaler Zahnarztbesuch, bei dem es hier und da etwas bluten kann, ist für sie hochriskant. „Wenn zum Beispiel ein Zahn gezogen wird, ist es schon vorgekommen, dass ein nicht ausreichend behandelter Hämophilie-Patient danach verblutet ist“, erklärt Hermann Eichler, Professor für Transfusionsmedizin und Klinische Hämostaseologie an der Universität und Direktor des Instituts für Klinische Hämostaseologie und Transfusionsmedizin am Universitätsklinikum des Saarlandes.

Er ist Leiter eines von nur rund 30 Zentren in ganz Deutschland, die sich auf die Behandlung der schweren Hämophilie-Varianten spezialisiert haben. Mit enormem Aufwand – pro Patient kostet die Behandlung ca. 200.000 Euro pro Jahr – werden hier diejenigen Patienten behandelt, die an einem angeborenen Mangel bestimmter Gerinnungsfaktoren leiden. Im Blut sorgen diese Faktoren dafür, dass das Blut im Bedarfsfall gerinnt (gerinnungsfördernde Faktoren), wohingegen sogenannte Inhibitoren (gerinnungshemmende Faktoren) dafür sorgen, dass die Blutgerinnung nicht überschießend aktiviert wird und damit keine Thrombosen entstehen. „Man kann sich das vorstellen wie auf einer Balkenwaage“, so Hermann Eichler. „Auf der einen Seite liegen die gerinnungsfördernden Faktoren in der Waagschale, die dafür sorgen, dass eine Wunde verschlossen wird. Auf der anderen Seite der Waagschale liegen gerinnungshemmende Faktoren, die dafür sorgen, dass das Blut im Blutkreislauf nicht gerinnt.“ Wird dieses empfindliche Gleichgewicht gestört, überwiegt eine Seite, es kommt in der Folge zur Thrombose oder eben zur unstillbaren Blutung.

Besonders schwerwiegende Folgen für die Betroffenen hat der Mangel an den Gerinnungsfaktoren 8 und 9. 


Fehlen diese gerinnungsfördernden Faktoren komplett, liegt eine schwere Hämophilie vor und diese Menschen können sogar spontane Blutungen entwickeln, bevorzugt in die großen Gelenke. 


In der bisher gängigen Therapie spritzen sich die Patienten daher den jeweils fehlenden Gerinnungsfaktor 8 oder 9 ein- bis dreimal wöchentlich zur Blutungsprophylaxe in eine Vene. 


„Hierbei wird aber immer nur so viel Faktor substituiert, dass die Patienten nicht mehr spontan bluten“, erläutert Hermann Eichler. 


„Sie sind mit dieser Prophylaxe aber noch nicht gerinnungsgesund, wie wir sagen. 


Es ist noch nicht optimal, aber wenigstens bluten die Patienten nicht mehr spontan in die Gelenke, was diese auf Dauer zerstören würde“, beschreibt der Fachmann den Status quo der Hämophilie-Behandlung.

Mit dieser Behandlung lassen sich die schwerwiegenden Folgen der Hämophilie in der Regel nur hinauszögern. 


„Zumeist treten die Gelenkprobleme, die bis hin zur vollständigen Gelenkzerstörung reichen, dann erst im Erwachsenenalter auf“, so Hermann Eichler weiter. 


Spätestens ab dem 40. Lebensjahr leiden Patienten mit schwerer Hämophilie aber sehr häufig unter chronischen Gelenkschmerzen und unter einer starken Einschränkung der Lebensqualität.

Für Abhilfe könnte bald ein neuartiges Medikament des Pharmakonzerns Novo Nordisk sorgen, an dessen klinischer Entwicklung Hermann Eichler und sein Team maßgeblich beteiligt waren und dessen Wirksamkeit und Verträglichkeit sie in einer nun vorgelegten Studie unter Beweis stellen konnten. Concizumab, so der Name des therapeutischen monoklonalen Antikörpers, sorgt nicht dafür, dass, wie in der bislang üblichen Therapie, die fehlenden Gerinnungsfaktoren 8 oder 9 ersetzt werden. Viel mehr gingen die Wissenschaftler hier einen anderen Weg:


 „Statt dem Blut die fehlenden Faktoren zuzufügen, blockieren wir auf der anderen Seite der Waage einen gerinnungshemmenden Faktor, so dass das diffizile Gleichgewicht zwischen gerinnungsfördernden und -hemmenden Faktoren wieder hergestellt ist“, erläutert Professor Eichler das Grundprinzip.

Im Detail unterbindet Concizumab die Funktion des gerinnungshemmenden Faktors TFPI (Tissue factor pathway inhibitor). Dieser Inhibitor sorgt bei gesunden Menschen dafür, dass an der Verletzungsstelle während der einsetzenden Wundheilung nicht zu viel Thrombin, das zentrale Gerinnungsenzym, gebildet wird. Thrombin sorgt dafür, dass der Faserstoff Fibrin an der Wunde entsteht, das Blut dadurch gerinnt und die Wunde in der Folge verschlossen wird. Statt also direkt die fehlenden Faktoren 8 oder 9 hinzuzugeben, hemmen die Wissenschaftler mit Concizumab stattdessen einen Inhibitor und erreichen somit die Bildung einer ausreichenden Menge an Thrombin für die Blutstillung. 


„Die Thrombin-Produktion wird durch das Ausschalten von TFPI an der Verletzungsstelle deutlich erhöht und in der Folge kann die Blutgerinnung einsetzen und die Wunde verschlossen werden“, lautet die für die Patienten entscheidende Schlussfolgerung.

In die klinische Phase-3-Studie, die vor Kurzem im renommierten Fachjournal The Lancet Haematology veröffentlicht wurde, sind die Daten von insgesamt 148 Personen eingeflossen, die an einer schweren Hämophilie A oder B (also ohne Gerinnungsfaktor 8 oder 9) leiden.


 „Die Blutungsrate war bei den Probanden signifikant niedriger, und gleichzeitig ist das Medikament, das wie bei Diabetikern mit einem Einmal-Pen unter die Haut gespritzt wird, sehr gut verträglich“, fasst Hermann Eichler die ermutigenden Ergebnisse zusammen. Schwerwiegende Folgeerkrankungen der Hämophilie, wie das Auftreten von Gelenkzerstörungen, sind mit diesem neuen Therapieprinzip wahrscheinlich vermeidbar, was aber noch durch Langzeituntersuchungen bestätigt werden muss. „Mit der Inhibition von TFPI zeigen die Patienten im Gegensatz zur bisherigen Behandlung eine normalisierte Thrombin-Bildung, was sonst nur bei gerinnungsgesunden Menschen der Fall ist“, so der Mediziner weiter.

Was diese wissenschaftlichen Ergebnisse in der Praxis bedeuten, macht Hermann Eichler an einem eindrucksvollen Beispiel klar: „Einer der Patienten, die an der Studie teilgenommen haben, ist vor Kurzem schwer mit dem Fahrrad gestürzt und hatte eine große Wunde davongetragen. Der Mann hätte ohne eine Hämophilie-Therapie mit hoher Wahrscheinlichkeit eine schwere Blutungskomplikation erlitten. Jetzt, nur ein paar Tage später, sitzt er da wie Sie und ich und seine Wunden verheilen ganz normal.“

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Univ.-Prof. Dr. med. Hermann Eichler
Tel.: (06841) 16-22530
E-Mail: hermann.eichler@uks.eu

Originalpublikation:
Pratima Chowdary, Pantep Angchaisuksiri, Shashikant Apte, Jan Astermark, Gary Benson, Anthony K C Chan, Victor Jiménez Yuste, Tadashi Matsushita, Amalie Rhode Høgh Nielsen, Jameela Sathar, Christopher Sutton, Sonata Šaulytė Trakymienė, Huyen Tran, Laura Villarreal Martinez, Allison P Wheeler, Jerzy Windyga, Guy Young, Jay Jay Thaung Zaw, Hermann Eichler, Concizumab prophylaxis in people with haemophilia A or haemophilia B without inhibitors (explorer8): a prospective, multicentre, open-label, randomised, phase 3a trial, The Lancet Haematology, 2024, ISSN 2352-3026, https://doi.org/10.1016/S2352-3026(24)00307-7.