Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Früher Rhythmuserhalt nützt auch bei asymptomatischem Vorhofflimmern
- Asymptomatische Patienten mit Vorhofflimmern profitieren von einer frühen rhythmuserhaltenden Therapie ebenso wie symptomatische Patienten.
Das ist das Ergebnis einer Subgruppenanalyse der EAST – AFNET 4 Studie.
Es wurde beim europäischen Kardiologenkongress (ESC) am 27.08.2021 von Prof. Stephan Willems, Asklepios Hospital St. Georg, Hamburg, vorgestellt [1] und im European Heart Journal publiziert [2].
Ungefähr ein Drittel aller Vorhofflimmerpatienten ist asymptomatisch.
Vorhofflimmern geht einher mit einem hohen Risiko für Schlaganfall, Herztod und andere kardiovaskuläre Komplikationen, unabhängig davon, ob die Patienten Vorhofflimmer-typische Symptome haben oder nicht.
Die aktuellen Leitlinien für die Behandlung von Vorhofflimmern empfehlen Antikoagulation (Blutgerinnungshemmung) und Therapie von Begleiterkrankungen für alle Patienten mit Vorhofflimmern, während eine rhythmuserhaltende Therapie nur für symptomatische Patienten vorgesehen ist.
In der EAST – AFNET 4 Studie wurde der Nutzen einer frühen rhythmuserhaltenden Therapie für die gesamte Studienpopulation beobachtet.
Prof. Willems und Kollegen untersuchten
nun, ob die vorteilhafte Wirkung des frühen Rhythmuserhalts auch auf die
Subgruppe der asymptomatischen Patienten zutrifft.
Die EAST – AFNET 4 Studie hat untersucht, ob eine rhythmuserhaltende Therapie mittels Antiarrhythmika oder Katheterablation, wenn sie im ersten Jahr nach der Diagnose Vorhofflimmern begonnen wird, die Prognose der Patienten verbessert.
Das Hauptergebnis der Studie, das im vorigen Jahr publiziert wurde [3], zeigte einen Nutzen des frühen Rhythmuserhalts für alle Patienten:
- Eine frühzeitige rhythmuserhaltende Therapie mit Medikamenten und/oder Ablation führte im Vergleich zur üblichen Behandlung zu weniger Todesfällen, Schlaganfällen und Krankenhausaufenthalten wegen Verschlechterung einer Herzschwäche oder akutem Koronarsyndrom.
In der Studie wurden 2789 Patienten mit kürzlich
diagnostiziertem Vorhofflimmern (innerhalb eines Jahres nach Diagnose)
und kardiovaskulären Risikofaktoren in den beiden Studiengruppen „früher
Rhythmuserhalt“ und „übliche Behandlung“ über einen Zeitraum von fünf
Jahren behandelt und beobachtet.
In der aktuellen Substudie wurden die Auswirkungen der frühen
rhythmuserhaltenden Therapie für alle asymptomatischen Patienten der
EAST – AFNET 4 Studie analysiert und mit denen bei symptomatischen
Patienten verglichen.
Bei Einschluss in die Studie waren 801/2633 (30,4%) Patienten
asymptomatisch, 1832/2633 (69,6%) symptomatisch. Die Eigenschaften der
asymptomatischen Patienten ähnelten denen der symptomatischen mit
geringfügigen Unterschieden in den Begleiterkrankungen.
Herzschwäche
trat bei asymptomatischen Patienten (169/801 (21,1%)) seltener auf als
bei symptomatischen Patienten (569/1832 (31,1%)). Es gab weniger
asymptomatische Frauen (300/801 (37,5%)) als symptomatische (923/1832
(50,4%)).
Hinsichtlich der Antikoagulation und der Behandlung von
Begleiterkrankungen gab es keine Unterschiede zwischen asymptomatischen
und symptomatischen Patienten. Dem Studienprotokoll entsprechend
erhielten asymptomatische Patienten der Studiengruppe „früher
Rhythmuserhalt“ nahezu dieselbe frühe rhythmuserhaltende Therapie wie
symptomatische Patienten.
Der primäre Studienendpunkt (zusammengesetzt aus kardiovaskulärem Tod,
Schlaganfall oder Krankenhausaufenthalt wegen Verschlechterung einer
Herzschwäche akutem Koronarsyndrom) ereignete sich bei 79/395
asymptomatischen Patienten der Gruppe „früher Rhythmuserhalt“ und bei
97/406 asymptomatischen Patienten der Gruppe „übliche Behandlung“,
nahezu genauso wie in der Gesamtstudienpopulation.
Der Nutzen der frühen
rhythmuserhaltenden Therapie zur Verhinderung kardiovaskulärer
Komplikationen bei asymptomatischen Patienten unterscheidet sich also
nicht von dem bei symptomatischen Patienten.
Prof. Willems fasst zusammen:
„Der Vorteil des frühen Rhythmuserhalts, den wir in der Gesamtpopulation der EAST – AFNET 4 Studie gesehen haben, ist auch bei asymptomatischen Patienten gegeben.
Unsere Ergebnisse sprechen für einen gemeinsamen Entscheidungsprozess, in dem die Vorteile einer rhythmuserhaltenden Therapie bei allen Patienten mit neu diagnostiziertem Vorhofflimmern diskutiert werden, unabhängig von Vorhofflimmer-typischen Symptomen.“
Der wissenschaftliche Leiter der EAST – AFNET 4 Studie und Letztautor der Substudie, Prof. Paulus Kirchhof, UKE Hamburg, bemerkt:
„Diese neue Analyse unterstreicht die Sicherheit und Wirksamkeit der frühen rhythmuserhaltenden Therapie bei asymptomatischem Vorhofflimmern.
Die Ergebnisse haben Auswirkungen auf die optimale Versorgung unserer asymptomatischen Patienten mit Vorhofflimmern in der klinischen Praxis.“
Literatur
[1] Willems S, Borof K, Brandes A, Breithardt G, Camm AJ, Crijns HJGM, Eckardt L, Gessler N, Haegeli LM, Heidbuchel H, Schnabel R, Szumowski L, van Gelder IC, Wegscheider K, Kirchhof P. Benefit of early rhythm control therapy in patients with asymptomatic AF – insights from the EAST – AFNET 4 trial. Abstract ESC congress 2021
[2] Willems S, Borof K, Brandes A, Breithardt G, Camm AJ, Crijns HJGM, Eckardt L, Gessler N, Goette A, Haegeli LM, Heidbuchel H, Kautzner J, Ng GA, Schnabel R, Suling A, Szumowski L, Themistoclakis S, Vardas P, van Gelder IC, Wegscheider K, Kirchhof P. Systematic, early rhythm control therapy equally improves outcomes in asymptomatic and symptomatic patients with atrial fibrillation: the EAST-AFNET 4 Trial. Eur Heart J. 2021 (published ahead of print)
[3] Kirchhof P, Camm AJ, Goette A, Brandes A, Eckardt L, Elvan A, Fetsch T, van Gelder IC, Haase D, Haegeli LM, Hamann F, Heidbüchel H, Hindricks G, Kautzner J, Kuck K-H, Mont L, Ng GA, Rekosz J, Schön N, Schotten U, Suling A, Taggeselle J, Themistoclakis S, Vettorazzi E, Vardas P, Wegscheider K, Willems S, Crijns HJGM, Breithardt G, for the EAST–AFNET 4 trial investigators. Early rhythm control therapy in patients with atrial fibrillation. N Engl J Med 2020; 383:1305-1316.
DOI: 10.1056/NEJMoa2019422
Twitter: @afnet_ev, hashtag #EASTtrial.
Finanzielle Unterstützung: AFNET, BMBF, DZHK, EHRA, Deutsche Herzstiftung, Abbott, Sanofi
EAST – AFNET 4 Studie
EAST – AFNET 4 ist eine wissenschaftsinitiierte Studie, in der zwei unterschiedliche Behandlungsstrategien bei Vorhofflimmern verglichen wurden. Die EAST – AFNET 4 Studie testete, ob eine frühe und umfassende rhythmuserhaltende Therapie bei Patienten mit Vorhofflimmern kardiovaskuläre Komplikationen besser verhindert als die übliche Behandlung.
Insgesamt 2789 Patienten mit frühem Vorhofflimmern (weniger als ein Jahr nach der ersten Diagnose) nahmen an der EAST – AFNET 4 Studie teil. Sie wurden von 2011 bis 2016 in 135 Kliniken und Praxen in elf europäischen Ländern in die Studie eingeschlossen. Die Studienteilnehmer wurden einer der beiden Behandlungsgruppen „früher Rhythmuserhalt“ oder „übliche Behandlung“ nach dem Zufallsprinzip zugeordnet (Randomisierung). Die Patienten in beiden Gruppen erhielten eine leitlinienkonforme Therapie, bestehend aus der Behandlung ihrer kardiovaskulären Begleiterkrankungen, Blutgerinnungshemmung und Frequenzregulierung.
- Alle Patienten der Gruppe „früher Rhythmuserhalt“ erhielten nach der Randomisierung zusätzlich Antiarrhythmika oder eine Katheterablation.
- Sobald bei einem Patienten dieser Gruppe Vorhofflimmern erneut auftrat, wurde die Therapie intensiviert mit dem Ziel, den normalen Sinusrhythmus durch eine Katheterablation und/oder antiarrhythmische Medikamente wiederherzustellen und möglichst dauerhaft zu erhalten.
Patienten der Gruppe „übliche Behandlung“ erhielten nur dann eine
rhythmuserhaltende Therapie, wenn diese notwendig war, um durch
Vorhofflimmern verursachte Symptome zu bessern, die trotz
leitlinienkonformer frequenzregulierender Behandlung auftraten.
Kompetenznetz Vorhofflimmern e.V. (AFNET)
Das Kompetenznetz Vorhofflimmern e.V. (AFNET) ist ein interdisziplinäres
Forschungsnetz, in dem Wissenschaftler und Ärzte aus Kliniken und
Praxen deutschlandweit zusammenarbeiten. Ziel des Netzwerks ist es, die
Behandlung und Versorgung von Patienten mit Vorhofflimmern in
Deutschland, Europa und den USA durch koordinierte Forschung zu
verbessern. Dazu führt das Kompetenznetz Vorhofflimmern e.V.
wissenschaftsinitiierte klinische Studien (investigator initiated trials
= IIT) und Register auf nationaler und internationaler Ebene durch. Der
Verein ist aus dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung
(BMBF) geförderten Kompetenznetz Vorhofflimmern hervorgegangen. Seit
Januar 2015 werden einzelne Projekte und Infrastrukturen des AFNET vom
Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) gefördert.
Kompetenznetz Vorhofflimmern e.V. (AFNET)
Mendelstraße 11
48149 Münster
Tel.: 0251 9801330
info@kompetenznetz-vorhofflimmern.de
Dr. Angelika Leute
Tel: 0202 2623395
a.leute@t-online.de
Originalpublikation:
Willems S, Borof K, Brandes A, Breithardt G, Camm AJ, Crijns HJGM, Eckardt L, Gessler N, Goette A, Haegeli LM, Heidbuchel H, Kautzner J, Ng GA, Schnabel R, Suling A, Szumowski L, Themistoclakis S, Vardas P, van Gelder IC, Wegscheider K, Kirchhof P. Systematic, early rhythm control therapy equally improves outcomes in asymptomatic and symptomatic patients with atrial fibrillation: the EAST-AFNET 4 Trial. Eur Heart J. 2021
Weitere Informationen für international Medizin am Abend Berlin Beteiligte
http://www.kompetenznetz-vorhofflimmern.de