Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Mukoviszidose & COPD: Zäher Schleim programmiert Immunzellen um und fördert Entzündungen der Atemwege
Forscherinnen und Forscher des DZL am Translational Lung Research Center Heidelberg (TLRC) haben herausgefunden, wie die Verstopfung der Atemwege mit zähem Schleim Entzündungsreaktionen fördert, die bei Mukoviszidose und chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) zum Krankheitsbild gehören.
- Das Forschungsteam zeigte, dass Schleim in den Atemwegen bestimmte Zellen des Immunsystems, sogenannte Makrophagen, umprogrammiert, damit ihre Funktionen stört und sie entzündungsfördernde Eigenschaften entwickeln.
In der Zukunft könnten Atemwegsmakrophagen zum Ziel neuer Therapien zur Behandlung von Mukoviszidose und COPD werden. Die Studie wurde im Fachmagazin Nature Communications veröffentlicht.
Die Atemwege von Patienten mit Mukoviszidose und COPD sind mit zähem Schleim verstopft. Forschende des Deutschen Zentrums für Lungenforschung fanden heraus, dass die Verschleimung zu einer chronischen Entzündung der Atemwege beiträgt. Dr. Joschka Hey Dr. Joschka Hey /DKFZ / biorender.com
- Lungenerkrankungen wie Mukoviszidose und COPD gehen mit einer starken Verschleimung und Entzündung der Atemwege einher.
Normalerweise sind Entzündungsreaktionen ein wichtiger Teil des Heilungsprozesses.
- Bei Patientinnen und Patienten mit Mukoviszidose und COPD führen anhaltende Entzündungen jedoch zu einer fortschreitenden Zerstörung des Lungengewebes und verstärkten Infektionen.
Forscherinnen und Forscher
konnten sich die Ursache der dauerhaften Atemwegsentzündungen bisher
nicht erklären. „Selbst junge Kinder mit Mukoviszidose, bei denen keine
Infektion der Lunge mit Krankheitserregern nachgewiesen werden kann,
haben bereits chronisch entzündete Atemwege. Wir fragten uns also, wie
diese chronischen Entzündungen ausgelöst werden und hatten den Schleim
selbst in Verdacht“, sagt Prof. Marcus Mall, Direktor der Klinik für
Pädiatrie mit Schwerpunkt Pneumologie, Immunologie und Intensivmedizin
an der Charité – Universitätsmedizin Berlin und Co-Letztautor der
Veröffentlichung.
Zäher Schleim verändert Eigenschaften von Atemwegsmakrophagen
Die TLRC Forscher am Universitätsklinikum Heidelberg und dem Deutschen
Krebsforschungszentrum Heidelberg (DKFZ) testeten, inwieweit die
Verstopfung der Atemwege mit zähem Schleim bestimmte Immunzellen –
Makrophagen – verändert.
- Makrophagen werden auch als „Fresszellen“ bezeichnet und beseitigen zum Beispiel Bakterien, Viren oder abgestorbene Zellen, womit sie einer chronischen Entzündung entgegenwirken.
Überraschenderweise beobachteten die Forscher aber, dass
Makrophagen aus den Atemwegen kranker Mäuse mit stark verschleimten
Atemwegen entzündungsfördernde Eigenschaften besitzen. Die kranken Mäuse
waren genetisch so verändert worden, dass sie vermehrt Atemwegsschleim
produzieren. Sie dienen damit als Tiermodell für die Erforschung von
Mukoviszidose und COPD beim Menschen. „Die Makrophagen aus den Lungen
dieser Mäuse erfüllten ihre Funktion als Fresszellen nicht mehr und
produzierten entzündungsfördernde Botenstoffe“, erklärt Dr. Michelle
Paulsen, Co-Erstautorin der Arbeit. Diese Ergebnisse wurden durch
weitere Experimente bestätigt, bei denen Makrophagen gesunder Mäuse mit
Schleim behandelt wurden. In Folge des Kontakts zeigten die
Atemwegsmakrophagen die gleichen Veränderungen wie die aus den Lungen
der genetisch veränderten Mäuse.
Epigenetische Veränderungen programmieren Atemwegsmakrophagen um
Um zu erklären, warum Atemwegsmakrophagen die in Kontakt mit zähem
Atemwegsschleim gekommen sind andere Eigenschaften aufweisen als
Makrophagen aus gesunden Atemwegen, schauten sich die Forscherinnen und
Forscher das Erbgut der Immunzellen genau an. Dabei legten sie
besonderes Augenmerk auf die Struktur der DNA im Zellkern. „Wir konnten
zeigen, dass bestimmte Abschnitte der Makrophagen-DNA so verändert
waren, dass Gene für entzündungsfördernde Botenstoffe vermehrt abgelesen
werden“, fasst Prof. Christoph Plass, Abteilungsleiter am DKFZ und
Co-Letztautor der Veröffentlichung zusammen. Bei den Veränderungen der
DNA handelte es sich nicht um Veränderungen in der DNA-Sequenz, sondern
um sogenannte epigenetische Veränderungen, die die Struktur der DNA
beeinflussen. Die beobachteten Veränderungen an der Makrophagen-DNA
bewirkten eine Lockerung der DNA-Struktur.
Atemwegsmakrophagen als Angriffspunkt für neue Therapien
Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass die starke Verschleimung der
Atemwege durch eine Umprogrammierung von Atemwegsmakrophagen zur
chronischen Entzündung der Atemwege beiträgt und die Symptome von
Patientinnen und Patienten mit Mukoviszidose und COPD verschlimmert. Die
Ergebnisse der Studie unterstreichen die Bedeutung schleimlösender
Therapien zur Behandlung beider Lungenerkrankungen und öffnen neue Wege
für die Forschung. „Zukünftig könnten die veränderten
Atemwegsmakrophagen als Angriffspunkt für die Entwicklung
zielgerichteter Therapien für Mukoviszidose und COPD dienen“, postuliert
Dr. Joschka Hey, Wissenschaftler am DKFZ und Co-Erstautor der Arbeit.
Deutsches Zentrum für Lungenforschung (DZL)
Das DZL ist ein Zusammenschluss aus 29 führenden universitären und
außeruniversitären Einrichtungen, die sich der Erforschung von
Atemwegserkrankungen widmen. Im DZL wird die grundlagen-, krankheits-
und patientenorientierte Forschung auf dem Gebiet der Lungenerkrankungen
koordiniert und auf internationalem Spitzenniveau durchgeführt, um so
die Translation grundlagenwissenschaftlicher Erkenntnisse in neue
klinische Konzepte zur Verbesserung der Patientenversorgung zu
beschleunigen.
Translational Lung Research Center Heidelberg (TLRC)
Das TLRC ist einer von fünf Standorten des DZL und eine Kollaboration
zwischen dem Universitätsklinikum Heidelberg und der Medizinischen
Fakultät Heidelberg, einem der führenden medizinischen Zentren und
medizinischen Forschungseinrichtungen Europas, der Thoraxklinik am
Universitätsklinikum Heidelberg, einem der größten klinischen Zentren
für Lungenkrankheiten in Deutschland, und zwei renommierten
Forschungseinrichtungen mit ausgewiesener Expertise in der
Grundlagenforschung, dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) und dem
European Molecular Biology Laboratory (EMBL).
Dr. Birgit Teucher
TLRC-Standortmanager
Tel.: 06221 – 5632144
Birgit.Teucher@med.uni-heidelberg.de
Dr. Doreen Penso Dolfin
Dr. Christian Kalberlah Deutsches Zentrum für Lungenforschung e.V.
Aulweg 130
35392 Gießen
Deutschland
Hessen
E-Mail-Adresse: contact@dzl.de
Dr. Christian Kalberlah
Geschäftsführer
E-Mail-Adresse: c.kalberlah@dzl.de
Prof. Dr. med. Marcus A. Mall
Klinikdirektor, Ärztlicher Centrumsleiter CC17
Klinik für Pädiatrie m.S. Pneumologie, Immunologie und Intensivmedizin
Charité – Universitätsmedizin Berlin - Campus Virchow-Klinikum
Augustenburger Platz 1
D-13353 Berlin
Tel.: +49 30 450 566 131
Fax: +49 30 450 7 566 931
E-Mail: marcus.mall@charite.de
Originalpublikation:
Joschka Hey, Michelle Paulsen,
Reka Toth, Dieter Weichenhan, Simone Butz, Jolanthe Schatterny, Reinhard
Liebers, Pavlo Lutsik, Christoph Plass & Marcus A. Mall. Epigenetic
reprogramming of airway macrophages promotes polarization and
inflammation in muco-obstructive lung disease. (2021). Nature
Communications. DOI: 10.1038/s41467-021-26777-9
https://www.nature.com/articles/s41467-021-26777-9
Weitere Informationen für international Medizin am Abend Berlin
http://www.dzl.de Webseiten des Deutschen Zentrums für Lungenforschung
http://www.tlrc-heidelberg.de Webseiten des DZL-Standorts TRLC