Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Kaiserschnittgeburt: Kein erhöhtes Risiko für Atemwegserkrankungen
Eine umfangreiche Langzeitstudie geleitet durch Forscherinnen des Inselspitals, Universitätsspital und der Universität Bern konnte keine erhöhten Risiken für Atmungsprobleme nach Kaiserschnittgeburt ermitteln.
Die Publikation im «American Journal of Obstetrics and Gynecology» weist für Kaiserschnittgeborene weder nach einem Jahr noch nach sechs Jahren vermehrt auftretende Erkrankungen des Atmungssystems nach.
Spirometrie bei Kleinkind S. Yammine Inselspital, Universitätsspital
In der Schweiz kommen ca. 33% aller Neugeborenen per Kaiserschnitt (Sectio) zur Welt.
In entwickelten Ländern liegt dieser Wert zwischen 20-40%.
Verschiedene Studien haben einen Zusammenhang zwischen der Geburt per Sectio und dem Auftreten eines erhöhten Risikos für spätere Atemprobleme festgestellt.
Langzeit-Untersuchungen bei älteren Kindern sind noch spärlich, wobei ein möglicherweise erhöhtes Risiko für Allergien und Erkrankungen des Atmungssystems postuliert wird.
Es wird vermutet, dass weitere Faktoren, die die Entwicklung des Mikrobioms und des Immunsystems des Neugeborenen beeinflussen, eine grosse Rolle spielen.
Hier werden der Kontakt mit dem Mikrobiom der Mutter im
Geburtskanal aber auch der Zeitpunkt und die Art des Einsatzes von
Antibiotika unter der Geburt, sowie epigenetische Effekte von Stress
unter der Geburt erwähnt.
Kein erhöhtes Risiko für Atemwegserkrankungen nach Kaiserschnitt
Die Forschungsgruppe der Kinderklinik am Inselspital hat deshalb erstmals eine sehr eingehende und systematische Untersuchung von Erkrankungen des Atmungssystems bei einer Gruppe von Kindern in zwei Altersabschnitten vorgenommen:
Während des ersten Lebensjahrs und nach sechs Jahren.
Die Ergebnisse überraschen:
Schon im ersten Lebensjahr konnte kein Zusammenhang zwischen Kaiserschnitt-Geburten und Erkrankungen des Atmungssystems mehr nachgewiesen werden.
Die
Lungenfunktionen von Kindern nach Normalgeburt und nach Kaiserschnitt
wiesen keinen Unterschied auf, weder 6 Wochen nach Entbindung noch nach
sechs Jahren.
Was wurde genau untersucht?
Die Studie schloss 578 gesunde Termingeborene aus der SNF-geförderten
BILD-Kohorte (Basel Bern Infant Lung Development Cohort) ein. Während
des ersten Lebensjahres wurden wöchentlich detailliert die Symptome von
Atemwegserkrankungen erhoben, sowie im Alter von 6 Wochen eine
Lungenfunktion durchgeführt. Nach sechs Jahren wurden die
Lungenfunktion, sowie erworbene Erkrankungen des Atmungssystems und die
Allergieneigung erhoben. Eine solche Längsstudie über sechs Jahre ist
bisher einzigartig in der Tiefe und der Breite der beobachteten
Parameter. Die Aussagekraft der Resultate wird daher als hoch
eingestuft.
Schlussfolgerung für die Praxis und Beratung
Die Studienleiterin PD Dr. med. Sophie Yammine aus der pädiatrischen
Pneumologie interpretiert die Ergebnisse vorsichtig: «Wir können zum
jetzigen Zeitpunkt nur Aussagen über die Gruppe von Kindern machen, die
wir studiert haben.
Es gilt auch zu berücksichtigen, dass die Anzahl Kinder mit Asthmasymptomen relativ klein ist.
Daher ist Vorsicht vor voreiligen Schlüssen angebracht.
Was wir aber feststellen können, und das hat durchaus Relevanz für die Geburtsberatung, sind die fehlenden Unterschiede zwischen Normalgeborenen und per Kaiserschnitt geborenen Kindern.
- Schon nach einem Jahr und erst recht nach sechs Jahren waren in der untersuchten Gruppe die möglichen Nachteile durch Kaiserschnitt vollständig kompensiert worden.
Es konnte kein erhöhtes Risiko für Erkrankungen des Atmungssystems und für Allergien für Kaiserschnittgeborene nachgewiesen werden.»
PD Dr. med. Sophie Yammine, Oberärztin Kinderklinik, Inselspital, Universitätsspital Bern Insel Gruppe
PD Dr. med. Sophie Yammine, Oberärztin Kinderklinik, Inselspital, Universitätsspital Bern
Yasmin Salem Mahmoud, PhD Studentin, Kinderklinik, Inselspital, Universitätsspital Bern
Prof. Dr. med. Philipp Latzin, Abt.leiter Kinderklinik, Inselspital, Universitätsspital Bern
Prof. Dr. med. Daniel Surbek, Ordinarius und Chefarzt Geburtshilfe, Frauenklinik, Inselspital, Universitätsspital Bern
3010 Bern
Schweiz
Bern
Marcel Wyler
Telefon: 0041 31 632 3720
E-Mail-Adresse: marcel.wyler@insel.ch
Originalpublikation:
Originalpublikation: https://doi.org/10.1016/j.ajog.2021.07.027
Salem Y, Oestreich M-A, Fuchs O, Usemann J, Frey U, Surbek D, Amylidi
Mohr S, Latzin P, Ramsey K, Yammine S, on behalf of the BILD study
group, Are children born by cesarean section at higher risk for
respiratory sequelae?, American Journal of Obstetrics and Gynecology
(2021