Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Neue Biomarker für den Kaffeekonsum
Auf der Suche nach neuen Biomarkern für Ernährungs- und Gesundheitsstudien, hat ein Forschungsteam vom Leibniz-Institut für Lebensmittel- Systembiologie an der Technischen Universität München (LSB) drei Stoffwechselprodukte identifiziert und strukturell charakterisiert, die als spezifische Marker für den individuellen Kaffeekonsum in Frage kämen.
- Es handelt sich um Abbauprodukte einer Substanzgruppe, die bei der Kaffeeröstung in größeren Mengen entsteht, sonst aber nur selten in anderen Nahrungsmitteln vorkommt.
Dies und die Tatsache, dass sich die potenziellen Biomarker bereits in sehr geringen Urinmengen nachweisen lassen, machen sie für künftige Humanstudien interessant.
- Mit rund 168 Litern pro Jahr und Person ist Kaffee laut Statista das mit Abstand beliebteste Heißgetränk Deutschlands.
Dabei ist es nicht nur ein Genussmittel, sondern weist auch gesundheitlich positive Eigenschaften auf.
So sprechen zahlreiche Beobachtungsstudien dafür,
dass ein moderater Kaffeekonsum mit einem verminderten Risiko für
Alterszucker oder Lebererkrankungen assoziiert ist.
Biomarker statt Selbstauskunft
Hinsichtlich der getrunkenen Kaffeemengen sind solche
Beobachtungsstudien jedoch auf die Selbstauskünfte der Teilnehmenden
angewiesen, die schwer zu überprüfen sind. „Ergänzende Untersuchungen
wären daher wünschenswert, bei denen sich der Kaffeekonsum objektiv
anhand von Biomarkern überprüfen ließe, um den Gesundheitswert von
Kaffee noch verlässlicher bestimmen zu können“, sagt Roman Lang, der am
LSB die Arbeitsgruppe Biosystems Chemistry & Human Metabolism
leitet.
Obwohl frühere Studien bereits auf Biomarker-Kandidaten hingewiesen
hatten, waren die Forschungsarbeiten hierzu jahrelang ins Stocken
geraten. Bei den ehemals nachgewiesenen Substanzen handelte es sich um
Stoffwechsel-Zwischen- oder Abbauprodukte (Metaboliten) verschiedener
Kaffeeinhaltsstoffe, deren Urin-Konzentrationen stark mit der Höhe des
Kaffeekonsums korrelierte. Den Forschenden war es damals jedoch nicht
gelungen, die molekulare Struktur der Metaboliten eindeutig zu
identifizieren.
Einsatz analytischer Hochleistungstechnologien
Daher untersuchte das Team um Roman Lang im Rahmen einer Pilotstudie die
Urinproben von sechs Personen, nachdem sie drei Stunden zuvor 400 ml
Kaffee konsumiert hatten. Mit Hilfe analytischer
Hochleistungstechnologien sowie unter Zuhilfenahme selbst hergestellter
Referenzsubstanzen ist es dem Team gelungen, drei infrage kommende
Biomarker-Kandidaten im Urin zu identifizieren und erstmals deren
chemische Struktur eindeutig zu bestimmen.
- Bei diesen handelt es sich um ein Glucuronsäure-Konjugat von Atractyligenin, dessen Glykoside in relativ hohen Konzentrationen in Kaffeegetränken enthalten sind, sowie zwei Glucuronsäure-Derivate eines Atractyligenin-Oxidationsproduktes.
„Unsere Erkenntnisse tragen dazu bei, die Biomarkerforschung
voranzubringen“, sagt Roman Lang.
Es müssten nun Dosis-Wirkungs-Studien,
Studien zur Pharmakokinetik sowie Humanstudien mit deutlich größeren
Probandenzahlen folgen, um die Biomarker-Tauglichkeit der
identifizierten Substanzen zu prüfen, so der Wissenschaftler weiter.
Veronika Somoza, Direktorin des Freisinger Leibniz-Instituts ergänzt:
„Lebensmittelspezifische Biomarker sind wichtige Werkzeuge, um die
gesundheitlichen Wirkungen von Nahrungsmitteln zu erforschen. Daher ist
ein Teil unserer wissenschaftlichen Arbeiten am LSB auch auf die Suche
nach Biomarkern für den Lebensmittelkonsum ausgerichtet.“
Publikation: Lang, R., Beusch, A., and Dirndorfer, S. (2022).
Metabolites of dietary atractyligenin glucoside in coffee drinkers'
urine. Food Chemistry, 135026. 10.1016/j.foodchem.2022.135026. https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0308814622029880
Hintergrundinformation:
Funktion von Glucuronsäure-Konjugaten
Im menschlichen Stoffwechsel dient Glucuronsäure insbesondere der
sogenannten „Entgiftung“ von unpolaren Substanzen.
Zu letzteren zählen zum Beispiel aufgenommene Arznei- oder Pflanzenstoffe, aber auch körpereigene Steroidhormone.
Der Körper wandelt die Stoffe in der Leber durch die Bindung an Glucuronsäure zu Glucuroniden um.
Diese
Glucuronsäure-Konjugate sind deutlich wasserlöslicher als die
Ursprungsstoffe und lassen sich so leicht über die Nieren mit dem Urin
ausscheiden.
https://www.leibniz-lsb.de
Informationen zum Institut:
Das Leibniz-Institut für Lebensmittel-Systembiologie an der Technischen
Universität München (LSB) besitzt ein einzigartiges Forschungsprofil an
der Schnittstelle zwischen Lebensmittelchemie & Biologie,
Chemosensoren & Technologie sowie Bioinformatik & Maschinelles
Lernen. Weit über die bisherige Kerndisziplin der klassischen
Lebensmittelchemie hinausgewachsen, leitet das Institut die Entwicklung
einer Systembiologie der Lebensmittel ein. Sein Ziel ist es, neue
Ansätze für die nachhaltige Produktion ausreichender Mengen an
Lebensmitteln zu entwickeln, deren Inhaltsstoff- und Funktionsprofile an
den gesundheitlichen und nutritiven Bedürfnissen, aber auch den
Präferenzen der Verbraucherinnen und Verbraucher ausgerichtet sind.
Hierzu erforscht es die komplexen Netzwerke sensorisch relevanter
Lebensmittelinhaltsstoffe entlang der gesamten Wertschöpfungskette mit
dem Fokus, deren physiologische Wirkungen systemisch verständlich und
langfristig vorhersagbar zu machen.
Das Leibniz-Institut ist ein Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft, die 97
selbständige Forschungseinrichtungen verbindet. Ihre Ausrichtung reicht
von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die
Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den
Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute widmen sich gesellschaftlich,
ökonomisch und ökologisch relevanten Fragen. Sie betreiben erkenntnis-
und anwendungsorientierte Forschung, auch in den übergreifenden
Leibniz-Forschungsverbünden, sind oder unterhalten wissenschaftliche
Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an. Die
Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer, vor allem
mit den Leibniz-Forschungsmuseen. Sie berät und informiert Politik,
Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit. Leibniz-Einrichtungen
pflegen enge Kooperationen mit den Hochschulen - u.a. in Form der
Leibniz-WissenschaftsCampi, mit der Industrie und anderen Partnern im
In- und Ausland. Sie unterliegen einem transparenten und unabhängigen
Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung
fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft
gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen rund 20.000 Personen,
darunter 10.000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Der Gesamtetat
der Institute liegt bei mehr als 1,9 Milliarden Euro.
Dr. Roman Lang Joseph Krpelan Leibniz-Institut für Lebensmittel-Systembiologie an der TU München (LSB)
Dr. Roman Lang
Leiter der Arbeitsgruppe Biosystems Chemistry & Human Metabolism
Leibniz-Institut für Lebensmittel-Systembiologie
an der Technischen Universität München (LSB)
Lise-Meitner-Str. 34
85354 Freising
Tel.: +49 8161 71-2978
E-Mail: r.lang.leibniz-lsb@tum.de
Dr. Gisela Olias Leibniz-Institut für Lebensmittel-Systembiologie
Lise-Meitner-Str. 34
85354 Freising
Deutschland
Bayern
Telefon: 08161 71-2980
E-Mail-Adresse: g.olias.leibniz-lsb@tum.de
Originalpublikation:
Lang, R., Beusch, A., and Dirndorfer, S. (2022). Metabolites of dietary atractyligenin glucoside in coffee drinkers' urine. Food Chemistry, 135026. 10.1016/j.foodchem.2022.135026. https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0308814622029880
Weitere Informationen für international Medizin am Abend Berlin Beteiligte
https://de.statista.com/themen/171/kaffee/#topicHeader__wrapper Kaffee: Konsum und Anbau – Statistiken und Daten
https://www.leibniz-lsb.de Website des LSB