Medizin am Abend Berlin Fazit: Ende des Patts: Kardiologen und Neurologen empfehlen Schirmchen zum Schutz vor Schlaganfall
Ein vergleichsweise einfacher Eingriff zum Verschluss des offenen
Foramen ovale (PFO) kann das Risiko für einen Schlaganfall deutlich
verringern, wenn zuvor eine sorgfältige Diagnostik keine Hinweise auf
andere Schlaganfallursachen erbrachte.
Das ist die wichtigste Aussage
der heute veröffentlichten gemeinsamen S2e-Leitlinie „Kryptogener
Schlaganfall und offenes Foramen ovale“ der Deutschen Gesellschaft für
Neurologie (DGN), der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft (DSG) und der
Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK).
„Wir wussten zwar, dass viele Patienten im Alter von unter 60 Jahren
mit diesem Kurzschluss
zwischen rechtem und linkem Herzvorhof besonders
gefährdet sind, wenn sie einen Schlaganfall erlitten hatten“, sagt
Hans-Christoph Diener, Seniorprofessor an der Medizinischen Fakultät der
Universität Duisburg-Essen, der als Erstautor für die DGN an der neuen
Leitlinie mitgewirkt hat.
„Der Nachweis, dass der interventionelle
Verschluss des PFO sekundäre Ereignisse bei gefährdeten Personen
verhindern kann, ist jedoch erst in den vergangenen beiden Jahren
gelungen.“ Eine interdisziplinäre Autorengruppe überprüfte nun die
Datenlage und fixierte sie in der Leitlinie: „Diese Leitlinie formuliert
nach Jahren der Unsicherheit
für Neurologen und Kardiologen klare
Behandlungsempfehlungen bei Patienten mit kryptogenem Schlaganfall“,
stellt DGK-Erstautor Professor Stephan Baldus, Direktor der Klinik für
Kardiologie am Herzzentrum der Uniklinik zu Köln, fest.
Die bisherige PFO-Leitlinie der DGN zur Sekundärprävention des
Schlaganfalls wurde im Jahr 2012 veröffentlicht.
Die aktuellen Studien
zum interventionellen Verschluss eines offenen Foramen ovale waren noch
nicht enthalten. Die neue Leitlinie schließt diese Lücke und wendet sich
nicht nur an Neurologen, sondern auch an Kardiologen, die
PFO-Patienten, die im Alter zwischen 16 und 60 Jahren einen kryptogenen
Schlaganfall erlitten haben, betreuen.
- Denn bei 25 Prozent aller
Menschen schließt sich das Foramen ovale nachgeburtlich nicht
vollständig, gleichzeitig verursacht der Schlaganfall eine hohe
Morbidität.
- Die Empfehlungen haben eine große praktische Relevanz.
Ein PFO zählt bei jüngeren Menschen ohne sonstige Ursachen zu den
Risikofaktoren für einen Schlaganfall.
Diese Insulte, denen per
Definition keine eindeutige sonstige Ursache zugewiesen werden kann,
machen etwa 20 Prozent aller Schlaganfälle aus. Standardbehandlung für
Patienten nach einem kryptogenen Schlaganfall ist die Gabe
gerinnungshemmender Medikamente, wodurch die Rate erneuter Ereignisse
gesenkt werden kann.
Medikamente oder Intervention? Lange Zeit ein klares „Jein“
In Studien wurde mehrfach versucht, im Rahmen einer Intervention mit
einem von der Leiste vorgeschobenen Katheter den Durchgang zwischen den
beiden Herzvorhöfen mittels eines schirmchenförmigen Verschlusses
(„Okkluder“) zu versiegeln.
Drei ältere Studien (CLOSURE I, PC-Studie,
RESPECT) hatten jedoch keinen klaren Vorteil dieser Methode zur
Schlaganfallvorbeugung gezeigt.
Vier weitere Studien leiteten dann die
Wende ein: REDUCE, CLOSE, RESPECT extended follow up und zuletzt die
DEFENSE-PFO-Studie haben gezeigt, dass der Verschluss des PFO die Rate
von erneuten Schlaganfällen signifikant senken kann.
Die Mehrzahl der
Rezidive bestand aus leichten, nicht behindernden Schlaganfällen. Bei
der Intervention kann Vorhofflimmern auftreten, das in den meisten
Fällen jedoch wieder spontan sistierte.
Die Evidenz aus diesen Studien wird in der neuen Leitlinie ausführlich
diskutiert und bewertet.
„Bemerkenswert ist, dass sie die zweithöchste
Qualitätsstufe (S2e) einer Leitlinie erreicht und in sehr kurzer Zeit
von den Beteiligten ehrenamtlich erstellt wurde. Auf eine externe
Finanzierung konnten wir deshalb verzichten“, so Baldus.
Fünf Empfehlungen
Die Auswertung von 22 Publikationen und ein mehrstufiges
Konsensusverfahren durch das 13-köpfige Redaktionskomitee führten
schließlich zu fünf Empfehlungen, von denen vier einstimmig
verabschiedet wurden und eine mit lediglich einer Enthaltung.
Die wohl
wichtigste Empfehlung hat den Empfehlungsgrad A und die Evidenzebene I.
Sie lautet: „Bei Patienten zwischen 16 und 60 Jahren mit einem (nach
neurologischer und kardiologischer Abklärung) kryptogenen ischämischen
Schlaganfall und offenem Foramen ovale mit moderatem oder ausgeprägtem
Rechts-Links-Shunt soll ein interventioneller PFO-Verschluss
durchgeführt werden.“
Dafür sprachen sich zehn Experten aus. Drei
Experten befürworteten eine abgeschwächte Version dieser Empfehlung,
wonach solch ein Eingriff „erwogen“ werden soll.
-
Zu den peri- und postoperativen Risiken gehören Vorhofflimmern,
Perikardtamponaden sowie Lungenembolien, jedoch treten diese so selten
auf, dass sie der Implantation eines Okkluders nicht im Weg stehen
sollten, heißt es in einer weiteren Empfehlung.
Zudem haben die Experten
sich mit der idealen Bauart des Okkluders beschäftigt.
Sie kommen zu
dem Ergebnis, dass
sogenannte Disc-Okkluder zu bevorzugen sind. Und sie
geben Rat zur Medikation nach dem Eingriff sowie bei Patienten, welche
die Operation ablehnen.
Leitlinie entbindet nicht von akribischer Ursachensuche
„Es ist ein Fortschritt, dass der Nutzen eines PFO-Verschlusses bei
jüngeren Patienten mit einem ansonsten ursächlich ungeklärten
Schlaganfall jetzt besser belegt ist“, sagt Professor Armin Grau von der
Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft (DSG).
„Wichtig ist es aber, dass
immer eine ausführliche Suche nach anderen Ursachen erfolgt und ein
erfahrener Neurologe die Indikation prüft. Denn längst nicht jeder
jüngere Schlaganfallpatient mit einem PFO benötigt einen Verschluss des
Foramen ovale“, so der Direktor der Neurologischen Klinik am Klinikum
der Stadt Ludwigshafen.
„Vieles hängt auch davon ab, dass Neurologen und Kardiologen in dieser
Indikation gut zusammenarbeiten“, sagt Diener.
„Wenn wir alles richtig
machen und die richtigen Patienten auswählen, kann der PFO-Verschluss
das Risiko für einen erneuten Schlaganfall um 75 Prozent senken.“
Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V. (DGN)
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Originalpublikation:
Diener H.-C., Grau A., Baldus S.
et al., Kryptogener Schlaganfall und offenes Foramen ovale,
S2e-Leitlinie, 2018; in: Deutsche Gesellschaft für Neurologie (Hrsg.),
Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. Online:
www.dgn.org/leitlinien (abgerufen am 13.8.2018)