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Das Gehirn den Nährstoff- und Flüssigkeitsbedarf des Körpers

Neue Forschungsergebnisse zeigen, wie das Gehirn den Nährstoff- und Flüssigkeitsbedarf des Körpers bewertet und darauf reagiert.

Damit wir genügend Kalorien und Flüssigkeit zu uns nehmen, ist das Gehirn auf ein komplexes Netzwerk von Zellen, Signalen und deren Informationswege angewiesen – es sagt uns, wann wir essen, trinken oder besser damit aufhören sollen. 

Dennoch ist wenig darüber bekannt, wie das Gehirn die Bedürfnisse des Körpers erkennt und die entsprechende Reaktion einleitet.

Forschende am Max-Planck-Institut für biologische Intelligenz haben in Zusammenarbeit mit der Universität Regensburg und der Standford University nun bestimmte Gruppen von Nervenzellen identifiziert, die dafür wichtig sind. Diese spezialisierten „Durst“- und „Hunger“-Nervenzellen befinden sich in der so genannten Amygdala, einer Hirnregion, die an der Regulation von Emotionen beteiligt ist. 

Die Nervenzellen beeinflussen über verschiedene Schaltkreise das Verlangen nach Essen oder Trinken. 

Die Studie an Mäusen wirft ein neues Licht auf die Rolle der Amygdala bei der Regulation des Nährstoffbedarfs – und könnte wichtige Erkenntnisse über Essstörungen und Suchterkrankungen liefern.

Mitten im Emotionszentrum des Gehirns

Die Amygdala ist eine Hirnregion, die häufig mit Emotionen und Entscheidungsfindung in Verbindung gebracht wird. 

Sie ist aber auch von Bedeutung, wenn es um unser Verlangen nach Essen und Trinken geht. Bereits in früheren Studien konnten Wissenschaftler*innen aus Rüdiger Kleins Abteilung am Max-Planck-Institut für biologische Intelligenz zeigen, dass Nervenzellen im zentralen Kern der Amygdala Nahrung mit Gefühlen verknüpfen: Schmackhaftes Essen wird mit positiven Emotionen in Verbindung gebracht, schlechtes Essen mit Abneigung. Außerdem wird der Appetit unterdrückt, wenn Übelkeit einsetzt. Das Team zeigte auch, dass eine Veränderung in der Aktivität dieser Nervenzellen das Verhalten beeinflusst. So konnten sie Mäuse zum Fressen anregen, selbst als diese satt waren oder sich unwohl fühlten.

Aufbauend auf diesen Erkenntnissen identifizierte das Team nun verschiedene Gruppen von Nervenzellen in derselben Region innerhalb der Amygdala: Solche, die spezifisch auf Durst reagieren, und andere, die auf Hunger reagieren – gesteuert durch ein komplexes Netzwerk molekularer Signale.

„Eine dieser Nervenzellgruppen reguliert ausschließlich das Bedürfnis zu trinken. Es ist die erste „Durst-Nervenzelle“, die in der Amygdala identifiziert wurde“, erklärt Federica Fermani, Erstautorin der Studie. „Als wir diese Nervenzellen aktivierten, tranken die Mäuse mehr, und als wir ihre Aktivität unterdrückten, tranken sie weniger. Außerdem haben wir in derselben Region eine weitere Gruppe von Nervenzellen gefunden: Sie ist ebenfalls für Durst zuständig, spielt aber auch eine Rolle bei der Regulierung des Hungergefühls. 

Es gibt also Nervenzellen mit einer bemerkenswerten Spezialisierung für bestimmte Verhaltensweisen und andere, die allgemeinere Aufgaben bei der Ernährung erfüllen.“

Um zu untersuchen, wie Nervenzellen im zentralen Kern der Amygdala das Ess- und Trinkverhalten regulieren, setzten die Forschenden spezielle genetische Werkzeuge ein. Damit konnten sie die Gehirnaktivität der Mäuse in unterschiedlichen Situationen untersuchen: Wenn die Tiere Hunger oder Durst verspürten, oder wenn sie bereits satt waren und genug getrunken hatten. Eine Methode namens Optogenetik ermöglichte es dem Team mit Hilfe lichtempfindlicher Proteine und eines Lasers, bestimmte Nervenzellen an- und abzuschalten. So konnten die Forschenden beobachten, wie sich sowohl die Aktivierung als auch die Inaktivierung der Nervenzellen auf das Ess- und Trinkverhalten der Mäuse auswirkte. Diesen Ansatz kombinierten sie mit einer neuen Methode, die es erlaubt, einzelne Nervenzellen in verschiedenen Hirnregionen zu beobachten. Dadurch ließ sich feststellen, woher die Nervenzellen ihre Informationen erhalten und mit welchen anderen Hirnregionen sie kommunizieren.

Die Tür zu neuen Fragen

Die Kartierung der Kommunikationswege zeigte, dass die Nervenzellen mit Hirnregionen in Verbindung stehen, die sensorische Informationen über Nahrung und Wasser verarbeiten – wie zum Beispiel der parabrachiale Komplex. In der Studie wurde auch untersucht, welchen Einfluss andere Faktoren, wie der Geschmack, auf das Verhalten der Mäuse haben. Durch die Kombination eines unbeliebten Getränkegeschmacks mit einer gezielten Stimulation von Nervenzellen in der Amygdala, konnte das Team die Entscheidungen der Mäuse verändern: Der zuvor gemiedene Geschmack wurde zum neuen Lieblingsgetränk. Die Struktur der Amygdala ist bei Mäusen und Menschen ähnlich – die Erkenntnisse könnten daher unser Verständnis dafür verbessern, wie Emotionen unsere eigenen Ess- und Trinkgewohnheiten beeinflussen.

„Grundlegende Triebe wie Durst und Hunger sorgen dafür, dass wir zur richtigen Zeit essen und trinken – die Grundvoraussetzung dafür, dass unser Körper die überlebensnotwendige Flüssigkeit und Nahrung erhält“, erklärt Rüdiger Klein. „Dieselben neuronalen Schaltkreise können aber auch zu Über- oder Unterernährung beitragen, je nachdem, auf welche Signale sie im Gehirn treffen. Durch die Erforschung dieser Prozesse können wir vieles besser verstehen: Wie das Gehirn Essen und Trinken emotional bewertet; wie es lernt, sie mit Freude oder Abneigung zu verknüpfen; und wie die neuronale Entwicklung sowohl angeborenes als auch erlerntes Verhalten prägt.“

Diese Arbeit öffnet die Tür zu neuen Fragen – zum Beispiel, wie das Gehirn Appetit, Durst und Emotionen gegeneinander abwägt. Oder woher wir wissen, wann wir zu wenig oder zu viel gegessen und getrunken haben. Wie werden konkurrierende Bedürfnisse gleichzeitig bewältigt? Schließlich stellt sich auch die Frage, inwieweit diese Schaltkreise bei Krankheiten wie Übergewicht, Magersucht oder Alkoholabhängigkeit beeinträchtigt sind.

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Prof. Dr. Rüdiger Klein
Direktor
MPI für biologische Intelligenz
ruediger.klein@bi.mpg.de

Originalpublikation:
Federica Fermani, Simon Chang, Ylenia Mastrodicasa, Christian Peters, Louise Gaitanos, Pilar L. Alcala Morales, Charu Ramakrishnan, Karl Deisseroth & Rüdiger Klein

Food and water intake are regulated by distinct central amygdala circuits revealed using intersectional genetics

Nature Communications, online 29 March 2025

https://www.nature.com/articles/s41467-025-58144-3
Weitere Informationen finden Sie under


- Webseite der Abteilung

Behandlung von Prostatakrebs

Das Forschungsprojekt PROMOTE begegnet einem der größten Probleme in der Behandlung von Prostatakrebs: der Überdiagnose und -therapie von langsam wachsenden Tumoren bei gleichzeitig unzureichender Therapie aggressiver Formen. PROMOTE zielt darauf ab, mithilfe molekularer Analysen und künstlicher Intelligenz Diagnostikverfahren weiterzuentwickeln, die die Zahl unnötiger Biopsien reduziert, und die Therapie für fortgeschrittene Formen der Erkrankung zu verbessern. Das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, ist maßgeblich an dem internationalen Projekt beteiligt, das von der Europäischen Union gefördert wird.

Prostatakrebs ist die häufigste bösartige Erkrankung bei Männern weltweit. Das internationale Forschungsprojekt PROMOTE (PRostate cancer OMics Oriented inTErvention) zielt darauf ab, mithilfe molekularer Analysen und künstlicher Intelligenz Diagnostikverfahren weiterzuentwickeln, die die Zahl unnötiger Biopsien reduziert. Außerdem soll die Therapie für fortgeschrittene Formen der Erkrankung verbessert werden. Die Klinik für Urologie des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH), Campus Lübeck, ist maßgeblich an PROMOTE beteiligt, das von der Europäischen Union im Rahmen des Programms Horizon Europe mit über zwei Millionen Euro gefördert wird.

Im Fokus steht die Entwicklung eines Urintests auf Basis modernster proteombasierter Methoden sowie zusätzlicher Radiomik- und Pathomikmodelle. „Die EU-Kommission hat unter 13.000 geförderten Innovationen die Proteomanalyse als Schlüsseltechnologie ausgewiesen. Sie erlaubt die frühe und genaue Erkennung des Prostatakrebses und die Bestimmung seiner Aggressivität – allein anhand einer Urinprobe, die als Filtrat des Blutes wichtige krankheitsspezifische Informationen enthält“, sagt Prof. Dr. Axel Merseburger, Direktor der Klinik für Urologie, Campus Lübeck. Invasive Diagnostikmethoden wie Biopsien sollen durch das neue Vorgehen weitgehend überflüssig werden. Bislang werden Biopsien in der Regel bei Patienten durchgeführt, bei denen zum Beispiel eine Magnetresonanztomografie keine eindeutige Diagnose erbracht hat. Allerdings liegt nur in 16 Prozent dieser Fälle tatsächlich ein bösartiger Tumor vor.

Übertherapie von langsam wachsenden Tumoren

Im Rahmen des Projekts werden außerdem mithilfe KI-gestützter Modelle bis zu 68 Wirkstoffkandidaten gegen aggressive Prostatakrebserkrankungen getestet. 

Das Forschungsteam nutzt dabei eine Datenbank des Unternehmens Mosaiques Diagnostics mit über 85.000 Proteomprofilen. So sollen Vorhersagemodelle entstehen, die Behandlungsstrategien auf Grundlage des individuellen molekularen und medizinischen Profils der Patienten ermöglichen.

„Das Projekt PROMOTE begegnet einem der größten Probleme in der Behandlung von Prostatakrebs: der Überdiagnose und -therapie von langsam wachsenden Tumoren bei gleichzeitig unzureichender Behandlung aggressiver Formen. Studien zeigen, dass bis zu 90 Prozent der Prostatakarzinome übertherapiert werden – mit entsprechend belastenden Folgen für die Patienten“, sagt PD Dr. Marie Christine Roesch, Oberärztin und Ärztliche Leitung des Forschungslabors Urologie, Campus Lübeck. PROMOTE soll dieses Behandlungsparadoxon auflösen: durch präzise, molekular fundierte Diagnostik und personalisierte Therapien auf Basis spezifischer Biomarker.

PROMOTE wird von einem interdisziplinären Konsortium aus 13 Forschungseinrichtungen und Unternehmen getragen, darunter die Universität zu Lübeck, die Medizinische Universität Innsbruck und das Universitätsklinikum Reina Sofía in Córdoba, Spanien.

Weltweit 1,4 Millionen Neuerkrankungen jährlich

Das Projekt, das insbesondere Doktorandinnen und Doktoranden in Zukunftstechnologien einbinden will, läuft bis August 2028. Die Verantwortlichen erwarten, dass die Ergebnisse zu einer deutlichen Verbesserung der Behandlung des Prostatakarzinoms und zu erheblichen Entlastungen der Gesundheitssysteme der EU-Länder führen wird. Mit relevanten Teilergebnissen wird 2026 gerechnet.

Pro Jahr erhalten etwa 1,4 Millionen Männer weltweit die Diagnose Prostatakrebs. In fast 45 Prozent der Fälle handelt es sich um langsam wachsende Krebsformen mit guter Prognose. Gleichzeitig ist Prostatakrebs im fortgeschrittenen oder metastasierten Stadium schwer zu behandeln und nicht heilbar.

Die Klinik für Urologie, Campus Lübeck, kooperiert bei der Versorgung von Patienten mit Prostatakrebs eng mit dem Universitären Cancer Center Schleswig-Holstein (UCCSH), einem Zusammenschluss aller onkolgisch tätigen Einrichtungen des UKSH und der Universitäten in Kiel und Lübeck.

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Universitätsklinikum Schleswig-Holstein
Klinik für Urologie, Campus Lübeck
Prof. Dr. Axel Merseburger, Tel. 0451 500-43601, axel.merseburger@uksh.de
PD Dr. Marie Christine Roesch, Tel.: 0451 500-43601, mariechristine.roesch@uksh.de
Weitere Informationen finden Sie unter
https://www.eu-promote.com/

Das Hepatitis-A-Virus (HAV)

Das Hepatitis-A-Virus (HAV) ist einer der Hauptverursacher viraler Hepatitis und für schätzungsweise 159.000 Infektionen und 39.000 Todesfälle jährlich verantwortlich. 

Um einer Ansteckung vorzubeugen, sollten Oberflächen desinfiziert werden, besonders bei hohen Infektionszahlen. 

Die Forschenden der Abteilung für Molekulare und Medizinische Virologie der Ruhr-Universität Bochum haben neun verschiedene Flächendesinfektionsmittel gegen HAV getestet. Ergebnis: Nur zwei Produkte auf Aldehydbasis waren in der Lage, HAV wirksam zu inaktivieren. Das Team berichtet im Journal of Hospital Infection vom 14. März 2025.

Zwei Mittel wirken

Die Forschenden brachten HAV-Partikel auf Stahloberflächen auf und bestimmten die Anzahl ansteckender Viruspartikel über 60 Tage. „Wir konnten bis zu 40 Tage lang infektiöse Partikel auf einer solchen Oberfläche nachweisen, was für eine hohe Stabilität des Virus spricht“, berichtet Doktorandin Lilli Pottkämper. Erst nach rund 18 Tagen hatte sich die Anzahl ansteckender Partikel um jeweils die Hälfte reduziert.

Das Forschungsteam wandte dann verschiedene Desinfektionsmittel auf den Proben an. Unter den neun getesteten Produkten waren solche auf Alkoholbasis, auf Aldehydbasis, ein Produkt auf Peressigsäurebasis, ein Produkt auf Sauerstoffbasis und eins auf Wasserstoffperoxidbasis. „Mit Ausnahme der beiden Aldehyd-basierten Produkte konnte keines der Desinfektionsmittel die Ansteckungsgefahr ausreichend herabsetzen“, so Lilli Pottkämper.

Ansteckungen vermeiden

Inwiefern die Ansteckung über kontaminierte Oberflächen zum Infektionsgeschehen mit Hepatitis A beiträgt, ist nicht bekannt. 


Die Viren werden über Fäkalien ausgeschieden und dann oral aufgenommen, häufig über verunreinigte Lebensmittel oder Trinkwasser. 

„Eine funktionierende Flächendesinfektion könnte aber besonders bei hohen Infektionszahlen dazu beitragen, Ansteckungen zu verhindern“, so Lilli Pottkämper.


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Lilli Pottkämper
Abteilung für Molekulare und Medizinische Virologie
Medizinische Fakultät
Ruhr-Universität Bochum
Tel.: +49 234 32 17451
E-Mail: lilli.pottkaemper@ruhr-uni-bochum.de

Prof. Dr. Eike Steinmann
Abteilung für Molekulare und Medizinische Virologie
Medizinische Fakultät
Ruhr-Universität Bochum
Tel.: +49 234 32 28189
E-Mail: eike.steinmann@ruhr-uni-bochum.de

Webseite der Abteilung: 

https://virologie-bochum.de/

Originalpublikation:
Lilli Pottkämper, Michelle Jagst, Daniel Todt, Eike Steinmann: Stability and Inactivation of Hepatitis A Virus on Inanimate Surfaces, in: Journal of Hospital Infection, 2025, DOI: 10.1016/j.jhin.2025.02.020, https://doi.org/10.1016/j.jhin.2025.02.020

Die Wit am Abeitsplatz

Studie der Uni Hohenheim: Wie wütend jemand ist, lässt sich mithilfe einer Wut-Skala messen. 

Konflikte unter Teammitgliedern lassen sich dadurch schneller identifizieren.

Wut kann sich im Stillen aufbauen. 

Am Arbeitsplatz kann das nicht nur der Produktivität schaden, sondern auch dem Arbeitsklima. Eine von Arbeitspsycholog:innen der Universität Hohenheim in Stuttgart durchgeführte Studie zeigt: Wie wütend Menschen sind, lässt sich innerhalb kürzester Zeit durch einen Fragebogen ermitteln: Im Anschluss gibt die sogenannte State-Trait-Wut-Skala Aufschluss über das aktuelle Wut-Maß einer Person – und misst, wie stark diese generell zu Wutausbrüchen neigt. Hilfreich kann das zum Beispiel für Führungskräfte und Personaler:innen sein: Unstimmigkeiten und Konfliktpotentiale unter Teammitgliedern lassen sich mithilfe der Wut-Skala frühzeitig identifizieren und entschärfen.

„Wut wird häufig negativ bewertet und hat in unserer Gesellschaft ein schlechtes Image“, sagt Dr. Robin Umbra vom Fachgebiet Wirtschafts- und Organisationspsychologie der Universität Hohenheim.

Evolutionär betrachtet sei Wut nicht unbedingt nachteilig: „Wut signalisiert uns, dass wir jemanden angreifen beziehungsweise konfrontieren müssen. Das konnte sich in bestimmten Situationen als evolutionärer Vorteil erweisen“, so der Arbeitspsychologe.

Unterdrückte Wut am Arbeitsplatz schadet dem Arbeitsklima

„Wut ist ein wesentlicher Treiber von Konflikten am Arbeitsplatz. Oft wird sie aber erst bemerkt, wenn es schon zu spät ist“, erklärt Prof. Dr. Ulrike Fasbender, Inhaberin des Lehrstuhls für Wirtschafts- und Organisationspsychologie an der Universität Hohenheim und Co-Autorin der Studie.

„Viele Menschen möchten ihre Wut gar nicht erst zeigen und unterdrücken ihre Emotionen. Das kann Folgen für die mentale Gesundheit haben. Es schadet aber auch der Gruppendynamik, wenn Konflikte unerkannt bleiben.“

Um diesem Problem entgegenzuwirken, entwickelten die Arbeitspsycholog:innen die State-Trait-Wut-Skala: „Mit der Skala können wir nicht nur messen, wie stark jemand generell zur Wut neigt. Wir können auch erfassen, ob jemand dazu neigt, schnell zu explodieren oder seine Wut erst einmal lange in sich hineinzufressen“, erklärt Dr. Umbra.

Acht Fragen messen Wut-Veranlagung und fungieren als Frühwarnsystem

Die State-Trait-Wut-Skala umfasst insgesamt acht Fragen: „Die Skala ist simpel geschrieben und sowohl für deutschsprachige als auch englischsprachige Kontexte konzipiert. Sie fragt mithilfe von Synonymen ab, wie wütend man sich in diesem Moment bzw. im Allgemeinen fühlt“, so Dr. Umbra.

Befragte vervollständigen dabei acht verschiedene Sätze und geben zum Beispiel an, ob sie sich in diesem Moment, „gar nicht“, „ein bisschen“, „mittelmäßig“, „sehr“ oder „extrem“ aufgebracht oder zornig fühlen. Um die Skala zu entwickeln, arbeiteten Dr. Umbra und Prof. Dr. Fasbender mit rund 100 Psycholog:innen zusammen.

Um emotionale Spannungen im Berufsalltag zu erkennen, sei es wichtig, dass der Fragebogen in regelmäßigen Abständen erneut von den Mitarbeiter:innen ausgefüllt werde – zum Beispiel morgens und nachmittags. „Macht man das über mehrere Tage, lässt sich einschätzen, welches Arbeitsklima in einem Team vorherrscht. Wenn Mitarbeiter:innen bei den einzelnen Antwortmöglichkeiten häufig „sehr“ und „extrem“ auswählen, sollte das Gespräch gesucht werden“, erklärt Prof. Dr. Fasbender.

Die Skala sei daher vor allem als ein Instrument für Führungskräfte, HR-Teams und Organisationsberater:innen zu verstehen: „Zu erkennen, wer wütend ist oder schnell zur Wut neigt, kann helfen, Konflikte direkt anzugehen und Spannungen am Arbeitsplatz auf konstruktive Weise zu managen.“

Praxistest in deutschen und US-amerikanischen Unternehmen

Ihre Skala testeten die Forschenden in einer Online-Befragung von rund 600 Arbeitnehmer:innen. Dabei wurden Teilnehmer:innen aus unterschiedlichen Unternehmen und Industrien ausgewählt. Die Proband:innen stammten zur Hälfte aus Deutschland. Bei der anderen Hälfte handelte es sich um US-amerikanische Arbeitnehmer:innen.

„Wir wollten messen, ob sich kulturelle Unterschiede finden lassen, wie wütend Menschen auf der Arbeit werden und ob sich dabei Unterschiede zwischen langfristigen und kurzfristen Wutreaktionen zeigen“, erklärt Dr. Umbra

Unterschiedliche Wutneigung in internationalen Teams

Das Ergebnis: „Bei kurzfristigen Wutreaktionen zeigen sich kaum Unterschiede zwischen Deutschen und Amerikaner:innen. Die Wut ist hier ähnlich intensiv.“

Leichte Unterschiede zeigten sich jedoch bei der langfristigen Wutneigung: „Unsere Studie gibt Hinweise darauf, dass Deutsche generell über andere Dinge wütend werden als US-Amerikaner:innen, möglicherweise aufgrund anderer Moral- und Wertevorstellungen.“ Die sogenannte Trait-Wut, bei der es sich um ein Persönlichkeitsmerkmal handelt, sei daher kulturell bedingt.

Dieses Ergebnis sei vor allem für internationale Teams von Bedeutung: „Kulturelle Unterschiede spielen eine große Rolle dabei, wie und ob wir Emotionen ausdrücken. Die State-Trait-Wut-Skala kann helfen, diese Wutneigungen sichtbar zu machen.“

Wut äußert sich oft in indirekter Form

In einer weiteren Studie beschäftigten sich Dr. Umbra und Prof. Dr. Fasbender mit den verschiedenen Formen von Wut. Für diese Fragestellung erhoben sie Daten von rund 170 berufstätigen Personen in Deutschland.

„Wut kann sich z.B. in direkten oder indirekten Aggressionen äußern“, erläutert Dr. Umbra. „Wir können unsere Wut direkt zeigen, indem wir beispielsweise jemanden beschimpfen oder Gewalt anwenden. Zu den indirekten Formen von Aggression gehören zum Beispiel Schuldzuweisungen und Sarkasmus.“

Ergebnis: „Neben offensichtlichen Konflikten, wie verbalen Auseinandersetzungen, zeigt unsere Studie, dass Wut am Arbeitsplatz oft in indirekter Form auftritt: zum Beispiel, indem man sich von jemandem fernhält, sarkastische Bemerkungen macht oder ein passiv-aggressives Verhalten an den Tag legt.“

Gerade diese subtilen Ausprägungen von Wut blieben bislang oft unbemerkt, was sie besonders gefährlich macht. „Auch in dieser Hinsicht ist der Wut-Meter deshalb ein wertvolles Instrument, um proaktiv mit der Wut von Mitarbeiter:innen umzugehen und ein positives Arbeitsklima zu schaffen.“

MaAB - Text: Moormann/Klebs

MaAB - Medizin am Abend Berlin Fortbildungen VOR ORT.


Dr. Robin Umbra, Universität Hohenheim, Fachgebiet Wirtschafts- und Organisationspsychologie
T +49 711 459 24 752, E robin.umbra@uni-hohenheim.de

Prof. Dr. Ulrike Fasbender, Universität Hohenheim, Fachgebiet Wirtschafts- und Organisationspsychologie
T +49 711 459 24754, E ulrike.fasbender@uni-hohenheim.de

Originalpublikation:
https://www.tandfonline.com/doi/full/10.1080/00223891.2024.2390990

Rotorblaetter - Windkraftanlagen

Die Windenergie ist essenzieller Bestandteil der Energiewende und damit Hoffnungsträger für Deutschlands Nachhaltigkeitsstrategie bis zum Jahr 2045. 

Doch rund ein Drittel der Windkrafträder in Deutschland haben ihre vorgesehene Nutzungsdauer bereits überschritten und stehen laut Fachagentur Wind und Energie kurz vor ihrem Abbau. Wir haben mit unserem Recycling-Experten für Verbundmaterialien – Fabian Rechsteiner – gesprochen, was mit den ausrangierten Anlagen passiert. Dabei gibt der Experte auch spannende Einblicke in die technischen und politischen Herausforderungen, die auf dem Weg zu einer Kreislaufwirtschaft im Bereich Windenergie noch zu überwinden sind.

Warum werden in Deutschland viele Windenergieanlagen über ihre technische Lebensdauer von 20 bis 25 Jahren betrieben?

Wir als Endverbraucher kaufen den Strom immer zu dem Preis der teuersten Stromerzeugungstechnologie (Merit-Order) ein. 

Aktuell ist das Gas, das mit rund 11 Cent pro Kilowattstunde zu Buche schlägt.

Windenergie kann hingegen unter optimalen Bedingungen sehr günstig produziert werden. 

Der Preis pro Kilowattstunde liegt derzeit bei rund 4 Cent. 

Darum ist es für Betreiber meist rentabler, ihre Anlagen 30 Jahre und länger zu betreiben. Sie sparen sich damit aufwendige Genehmigungs- und Planungsverfahren für den Bau neuer Anlagen. Das dauert in Deutschland leider oft zwischen sechs und acht Jahre. Auch die Logistik und der Transport neuer Anlagen sind komplex. Die Bauteile sind so groß, dass ihr Transport auf den Straßen und unter Brücken Millimeterarbeit ist. Nicht selten müssen dafür Bäume gefällt werden. Das stellt Betreiber vor eine Vielzahl von Herausforderungen und hohe Kosten. Die Alternative heißt dann oft Repowering. Dabei werden alte Anlagen mit Neueren ausgetauscht. Da der Standort bleibt, ist die Genehmigung dafür auch deutlich schneller zu bekommen.

Und was passiert mit den Anlagen, die nicht mehr weiterbetrieben werden können?

Die Anlagen werden abgebaut und recycelt. Der Turm aus Stahl wird wiederverwertet und das Fundament aus Zement wird zum Beispiel im Straßenbau genutzt. Das umfasst fast 90 Prozent der Anlage. Die größte Herausforderung stellt jedoch das Rotorblatt dar. Das besteht meist aus einem bunten Materialstrauß wie faserverstärkten Kunststoffen, Holz, Schaum, Metallen und vielem mehr. Leider machen sich Hersteller noch nicht allzu viele Gedanken darüber, was am Ende mit dem Material passiert. Auch politisch ist recyclinggerechtes Konstruieren noch nicht so stark eingefordert, wie es meiner Einschätzung nach sein sollte. Das macht das Recycling auch so schwer. Abhilfe könnte ein digitaler Produktpass schaffen. Durch ihn lassen sich die Materialien, die in Rotorblättern verbaut sind, besser nachzuvollziehen. Viele Windräder sind rund 30 Jahre alt und niemand weiß mehr genau, welche Materialien damals verwendet wurden. Aktuell gibt es noch keine standardisierte Dokumentation oder ein System, das diese Informationen langfristig speichert. Wenn man die Rotorblätter recyceln will, ist es aber wichtig zu wissen, welche Materialien verwendet wurden. Das wäre ein wichtiger Schritt, um das Recycling zu optimieren. Da das bislang noch nicht der Fall ist, arbeiten wir am Fraunhofer IGCV daran, Recyclingprozesse zu entwickeln, die diese Materialien besser verwertbar machen.

Wie sehen diese Recyclingprozesse konkret aus?

Wir verwenden einen Pyrolyse-Prozess, bei dem der zerkleinerte, faserverstärkte Kunststoff unter Ausschluss von Sauerstoff erhitzt wird. Das passiert unter Stickstoffatmosphäre, damit der Kunststoff nicht verbrennt, sondern sich thermisch zersetzt. Das Ziel des Prozesses ist es, die Fasern– meist Carbon- oder Glasfasern – vom Kunststoff zu trennen. Im Anschluss versuchen wir aus der Faser wieder ein Textil zu gewinnen. Die Fasern verarbeiten wir dann nicht mehr in ihrer ursprünglichen, endlosen Form, sondern als kürzere Varianten zu einem Vlies. Eine Herausforderung liegt für uns darin, die Fasern so gerichtet wie möglich in diesem Vlies anzuordnen. Denn je zielgerichteter und gleichmäßiger die Faser, desto besser sind die Eigenschaften des Vlieses in die gerichtete Richtung und desto ähnlicher sind sie neuen Materialien, was wiederum ihren Einsatz vereinfacht. Um das zu erreichen, entwickeln wir bei uns einerseits die Recyclingprozesse und andererseits die Anwendungsprozesse und Fertigungsprozesse aus den recycelten Fasern. Wir charakterisieren und analysieren die Eigenschaften der Recyclingmaterialien und vergleichen sie mit neuen Materialien.

Was unterscheidet denn das recycelte von neuem Material?

Die recycelte Carbonfaser hat größtenteils vergleichbare Eigenschaften. Das würde ihren Einsatz zum Beispiel sehr interessant für die Automobil- oder Sportindustrie machen. Ausnahme bilden Anwendungen mit sehr hohen Anforderungen an die Struktur. In einem neuen Rotorblatt oder in der tragenden Struktur eines Flugzeuges wird man das recycelte Material daher nicht finden. Aber das ist ja auch gar nicht der Anspruch.

Wie steht es um die Forschung zum Recycling von Rotorblättern?

Die Prozesse sind schon weit entwickelt, sodass wir jetzt in die industrielle Umsetzung gehen könnten. Es gibt bereits Unternehmen, die sich in Deutschland mit Rotorblatt-Recycling beschäftigen. Das größte Problem ist jedoch, dass es noch keine ausreichende Nachfrage nach recycelten Materialien gibt. Viele Unternehmen scheuen Investitionen, weil der Markt noch unklar und unsicher ist. Politische Maßnahmen wie eine Recyclingquote wären hier sehr hilfreich, um die Nachfrage nach recyceltem Material zu steigern und die Wirtschaftlichkeit zu verbessern.

Fabian, zum Abschluss – gäbe es einen Wiederverwendungszweck für recycelte Windkraftanlagen, über den du dich ganz persönlich freuen würdest?

Da ich ein begeisterter Radfahrer bin, fände ich es natürlich großartig, wenn das recycelte Material in meinem Fahrrad landen würde. So würde sich nicht nur wirtschaftlich, sondern auch für mich ganz persönlich der Kreislauf schließen.

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Fabian Rechsteiner | Wissenschaftlicher Mitarbeiter | Recycling von Composites | Fraunhofer-Institut für Gießerei-, Composite- und Verarbeitungstechnik IGCV | fabian.rechsteiner@fraunhofer.igcv.de | Am Technologiezentrum 10 | 86159 Augsburg, Germany | www.igcv.fraunhofer.de
Weitere Informationen finden Sie unter
Informationen unter: www.igcv.fraunhofer.de/de/forschung/kompetenzen/recycling-von-composites