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Tuberculose Nachweis Test


In vielen Teilen Europas ist Tuberkulose selten, doch für Menschen mit geschwächtem Immunsystem - etwa nach Organtransplantation oder bei einer HIV-Infektion - kann diese bakterielle Infektion nach wie vor sehr gefährlich sein. Standard zur Diagnose ist oft der „QuantiFERON-TB-Gold-Plus“-Test, der bei immungeschwächten Patienten allein jedoch nur geringe Aussagekraft hat. Das zeigte nun eine im Fachjournal The Lancet Regional Health – Europe veröffentlichte Studie aus elf Ländern, die von Martina Sester, Professorin für Immunologie an der Universität des Saarlandes und Christoph Lange, Medizinischer Direktor am Forschungszentrum Borstel, Leibniz Lungenzentrum geleitet wurde.

Die „Schwindsucht“, wie die Tuberkulose im Volksmund genannt wurde, war lange Zeit eine der tödlichsten Krankheiten. Erst nach der Entdeckung seines Erregers, des Mycobacterium tuberculosis, durch Robert Koch 1882, konnte man die Erkrankung durch neue Antibiotika wirksam bekämpfen. In der westlichen Welt ist Tuberkulose heute kein großes Problem mehr, obwohl weltweit geschätzt 25 Prozent aller Menschen den Erreger in sich tragen. In den meisten Fällen bleibt er aber inaktiv, und entwickelt sich in seltenen Fällen dennoch eine aktive Tuberkulose, kann diese meist wirksam medikamentös bekämpft werden.

Problematisch hingegen kann eine Tuberkulose für immungeschwächte Menschen, zum Beispiel nach einer Organtransplantation oder bei HIV-Infizierten, werden. „Bei immungeschwächten Patienten kann sich das Bakterium sehr viel besser vermehren“, gibt Martina Sester zu bedenken. Für Menschen mit geschwächtem Immunsystem ist es daher besonders wichtig zu wissen, ob bei ihnen möglicherweise eine aktive Tuberkulose droht. Die Professorin für Immunologie hat daher gemeinsam mit zahlreichen Kolleginnen und Kollegen bei Menschen aus elf europäischen Ländern untersucht, wie aussagekräftig der heutige „Goldstandard“ der Tuberkulose-Tests speziell bei der Gruppe von Immungeschwächten ist.

Der „QuantiFERON-TB-Gold-Plus“-Test, kurz QFT+, ist heutzutage häufig das Mittel der Wahl, wenn Mediziner feststellen möchten, ob jemand den Erreger in sich trägt oder gar eine aktive Tuberkulose hat. „Dieser Test ist ein indirekter Test, das heißt, er misst, ob es im Körper bereits eine Immunantwort auf den Erreger gegeben hat oder nicht“, erklärt Martina Sester das Wirkprinzip. 

Er weist also nicht den Erreger selbst nach, sondern die Reaktion des Immunsystems auf diesen. 

Ist das Immunsystem nun geschwächt, sei es gezielt, um die Abstoßung eines Spenderorgans zu verhindern, oder durch einen das Immunsystem schwächenden Erreger wie HIV, fällt auch die Immunantwort auf den Tuberkulose-Erreger schwächer aus.

 „Der QFT+-Test kann dann also häufiger falsch negativ ausfallen“, schlussfolgert Martina Sester.

In ihrer groß angelegten Studie haben sie und ihre Kolleginnen und Kollegen von 2015 bis 2019 bei über 2600 Patientinnen und Patienten untersucht, wie aussagekräftig der QFT+-Test zum Nachweis einer Infektion mit Mykobakterien und einer Tuberkuloseerkrankung ist. Zudem wurde durch Nachbeobachtung verfolgt, wie gut der Test zur Beurteilung des Risikos, eine Tuberkulose zu entwickeln, geeignet ist. 1788 Menschen stammten dabei aus einer von fünf Gruppen, deren Immunsystem geschwächt war: Menschen mit Organtransplantation, mit Stammzelltransplantation, mit rheumatoider Arthritis, chronischer Niereninsuffizienz oder einer HIV-Infektion. 861 weitere, immungesunde Personen dienten als Kontrollgruppe. Die Patienten wurden an 21 medizinischen Zentren in elf europäischen Ländern behandelt. „Damit ist diese Studie die größte multizentrische Studie dieser Art, die bisher durchgeführt wurde“, so Martina Sester.

„Es hat sich gezeigt, dass der QFT+-Test nicht aussagekräftig genug ist, um ihn für die Diagnose der aktiven Erkrankung alleine einzusetzen. Außerdem ist die Vorhersagekraft des Tests für eine zukünftige Erkrankung sehr gering“, erklärt Martina Sester. Denn auch nach zwei Jahren gab es weder bei den positiv noch bei den negativ getesteten Personen eine aktive Tuberkulose-Erkrankung – selbst dann nicht, wenn der QFT+-Test positiv war und keine vorbeugende Therapie erfolgte. „Lediglich einige HIV-positive Personen entwickelten in Einzelfällen aktive Tuberkulose“, nennt Martina Sester die einzige Ausnahme von dieser Beobachtung.

„Für die Diagnose der Tuberkulose gibt es bessere Tests, als den QFT+-Test. Dieser erfüllt nicht die Anforderungen, welche die Weltgesundheitsorganisation (WHO) an einen Tuberkulosetest stellt“, so das Fazit von Christoph Lange. „Der QFT+-Test reicht auch nicht aus, um das individuelle Risiko einer Tuberkulose in Niedriginzidenz-Ländern zuverlässig vorherzusagen. Künftig sollten zusätzliche Risikofaktoren – wie HIV-Status, Immunlage und Herkunft – stärker in die Entscheidung für eine präventive Behandlung einfließen.“

Die Studie ist im Rahmen des Forschungsnetzwerks zur Tuberkuloseforschung TBnet entstanden. Dabei handelt es sich um ein europaweites Netzwerk von Ärztinnen und Ärzten sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, dass sich der klinischen Forschung, Ausbildung und Vernetzung im Bereich Tuberkulose widmet. Gegründet 2006, umfasst TBnet mehr als 500 Mitglieder aus über 70 Ländern. Ziel ist die Verbesserung von Diagnostik, Therapie und Prävention der Tuberkulose, insbesondere bei multiresistenten Formen. TBnet organisiert multizentrische Studien, entwickelt konsensbasierte Leitlinien und fördert Nachwuchskräfte durch Kurse, Akademien und Stipendien. TBnet arbeitet eng mit europäischen und internationalen Partnern wie der WHO und dem DZIF zusammen. Neben wissenschaftlicher Arbeit legt TBnet großen Wert auf Wissenstransfer und regelmäßigen Austausch – etwa bei jährlichen Symposien oder Webinaren. Durch Forschung, Ausbildung und Vernetzung trägt TBnet wesentlich zur besseren Versorgung und Bekämpfung von Tuberkulose in Europa und darüber hinaus bei.
https://www.tbnet.eu/

Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Martina Sester
Universität des Saarlandes
Tel.: (06841) 1623557
E-Mail: martina.sester@uks.eu

Prof. Dr. Dr. h.c. Christoph Lange
Forschungszentrum Borstel, Leibniz Lungenzentrum
E-Mail: clange@fz-borstel.de

Originalpublikation:
Sester, M., Altet-Gomez, N., Andersen, Å.B., Arias-Guillén, M., Avsar, K., Bakken Kran, A.-M., Bothamley, G., Nordholm Breschel, A.C., Brown, J., Chesov, D., Ciobanu, N., Cirillo, D.M., Crudu, V., de Souza Galvao, M., Dilektasli, A.G., Dominguez, J., Duarte, R., Dyrhol-Riise, A.M., Goletti, D., Hoffmann, H., Ibraim, E., Kalsdorf, B., Krawczyk, M., Kunst, H., Lange, B., Lipman, M., Matteelli, A., Milkiewicz, P., Neyer, D., Nitschke, M., Oral, H.B., Palacios-Gutiérrez, J.J., Petruccioli, E., Raszeja-Wyszomirska, J., Ravn, P., Rupp, J., Spohn, H.-E., Toader, C., Villar-Hernandez, R., Wagner, D., van Leth, F., Martinez, L., Pedersen, O.S., and Lange, C. Diagnostic accuracy and predictive value of the QuantiFERON-TB gold plus assay for tuberculosis in immunocompromised individuals: a prospective TBnet study. The Lancet Regional Health - Europe 2025; 57:101416.
DOI: https://doi.org/10.1016/j.lanepe.2025.101416

Herzinfarkt Therapie mit Patch

Ein neuartiges, gewebeverstärktes Patch könnte defekte Stellen im Herzen nicht nur wie bis anhin verschliessen, sondern heilen. Ein interdisziplinäres Team unter Leitung der ETH Zürich hat das Pflaster erfolgreich in Tieren implantiert.

Nach einem Herzinfarkt ist der Blutfluss zum Herzen unterbrochen, und der dadurch verursachte Sauerstoffmangel kann Schäden am Herzmuskel auslösen. 

In schweren Fällen kann dies zu einem Riss in der Herzwand führen, was einen sofortigen chirurgischen Eingriff erfordert. Heute werden solche Herzdefekte mit Pflastern aus Rinderherzbeuteln geschlossen, weil sie stabil, durchlässig und leicht zu implantieren sind.

Nun hat ein interdisziplinäres Forschungsteam der ETH Zürich und des Universitätsspitals Zürich unter Leitung von Professor Robert Katzschmann und Professor Omer Dzemali ein neuartiges, dreidimensionales Herzpflaster entwickelt. Dieses haben sie soeben im Fachmagazin Advanced Materials vorgestellt.

Nicht nur verschliessen, sondern heilen

Die derzeit verwendeten Rinderperikardpatches, kurz BPPs, haben erhebliche Nachteile: 

Sie sind biologisch inaktiv. Das heisst, sie bleiben als Fremdkörper im Herzen und können nicht abgebaut werden. 

Ausserdem können sie unerwünschte Reaktionen wie Verkalkung, Thrombosen oder Entzündungen hervorrufen. «Bisherige Herzpflaster integrieren sich nicht in das Gewebe und bleiben dauerhaft im Körper. Mit unserem Patch wollten wir dieses Problem lösen und ein Pflaster schaffen, das sich in das bestehende Herzgewebe integriert», erklärt Lewis Jones, Erstautor der Studie.

Der sogenannte ‘RCPatch’ (Reinforced Cardiac Patch) könnte langfristig eine Alternative zu herkömmlichen Patches aus Rinderperikard werden: «Unser Ziel war es, ein Pflaster zu entwickeln, das einen Defekt nicht nur verschliesst, sondern dazu beiträgt, diesen ganz zu beheben», erklärt Katzschmann.

Ein Patch, drei Komponenten

Der neuartige RCPatch hat erhebliche Vorteile gegenüber dem Rinderperikard, da er aus drei Teilen besteht: einem feinmaschigen Netz, das den Schaden abdichtet, einem 3D-gedruckten Gerüst für Stabilität und einem Hydrogel, das mit Herzmuskelzellen besiedelt ist. Das Stützgerüst kann man sich als eine verwinkelte Gitterstruktur vorstellen, die aus abbaubaren Polymeren besteht. Die Forschenden können diese im 3D-Drucker produzieren. «Das Gerüst ist stabil genug und bietet uns gleichzeitig die Möglichkeit, es mit einem Hydrogel mit lebenden Zellen zu füllen», erklärt Jones.

Um die Gitterstruktur im Herzen gut anbringen zu können, haben die ETH-Forschenden diese mit einem dünnen Netz kombiniert. Auch dieses Netz haben Katzschmann und sein Team mit dem gleichen Hydrogel angereichert. Dadurch kann sich der RCPatch vollständig in das umliegende Gewebe integrieren und mit den Herzmuskelzellen verwachsen. «Der grosse Vorteil besteht darin, dass sich das Stützgerüst vollständig auflöst, nachdem die Zellen sich mit dem Gewebe verbunden haben. Es bleibt also kein Fremdkörper mehr übrig», erläutert Jones.

Erste Tests am Herzen

Ein erster Tierversuch zeigte, dass sich das Pflaster gut implantieren lässt, und dem hohen Druck im Herzen standhält. Den Forschenden ist es dabei gelungen, Blutungen zu verhindern und die Herzfunktion wiederherzustellen. In präklinischen Tests an Schweinemodellen konnte der RCPatch einen künstlich erzeugten Defekt in der linken Herzkammer erfolgreich verschliessen. 

«Wir konnten zeigen, dass sich der Patch gut entwickelt und die Struktur selbst unter echtem Blutdruck standhält», so Katzschmann.

Damit schafft die Forschungsgruppe eine vielversprechende Grundlage, um ein implantierbares, mechanisch verstärktes und gewebebasiertes Herzpflaster für Menschen zu entwickeln. Langfristig soll der RCPatch bei Myokardschäden eingesetzt werden, mit dem Ziel, den Defekt nicht nur zu reparieren, sondern das Gewebe zu regenerieren und damit das Herz zu heilen. In den nächsten Schritten wollen die Forschenden das Material weiterentwickeln und seine Stabilität in länger dauernden Tierstudien untersuchen.

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Lewis Jones, ETH Zürich, ljones@ethz.ch

Originalpublikation:
Lewis S. Jones et al. Volumetric 3D Printing and Melt-Electrowriting to Fabricate Implantable Reinforced Cardiac Tissue Patches, Advanced Materials. DOI: 10.1002/adma.202504765

Erschoepfung

Ergebnis der reCOVer-Studie: Medikament BC007 lindert Erschöpfung

Ein interdisziplinäres Forschungsteam um Funktionsoberärztin PD Dr. Dr. Bettina Hohberger von der Augenklinik (Direktor: Prof. Dr. Friedrich E. Kruse) des Uniklinikums Erlangen fand im Rahmen der klinischen randomisierten Medikamentenstudie „reCOVer“ heraus: 

Das Medikament Rovunaptabin, besser bekannt als BC007, kann bei bestimmten Long-COVID-Betroffenen die mit der Krankheit verbundene belastende Erschöpfung (Fatigue) deutlich lindern und die Lebensqualität der Betroffenen verbessern. 

Die Ergebnisse wurden jetzt in der renommierten Fachzeitschrift „eClinicalMedicine“, herausgegeben von „The Lancet“, veröffentlicht.

Die reCOVer-Studie untersuchte ab Herbst 2023 insgesamt 30 Patientinnen und Patienten mit Long COVID, auch Post-COVID-Syndrom genannt, die auch Monate nach einer Coronainfektion noch unter typischen Langzeitfolgen litten – vor allem unter starker körperlicher und geistiger Erschöpfung. Gemeinsam war ihnen, dass sie bestimmte Autoantikörper im Blut aufwiesen, die dazu in der Lage sein können, Körperzellen fehlzusteuern.

Gezielte Behandlung gegen Autoantikörper::

Im Rahmen der reCOVer-Studie erhielten die Teilnehmenden zuerst entweder das Medikament BC007 oder ein Placebo. Nach einigen Wochen wurde die Therapie gewechselt, sodass jede Teilnehmerin und jeder Teilnehmer die Möglichkeit bekam, BC007 zu erhalten. Das Medikament neutralisiert jene funktionellen Autoantikörper, die sich gegen G-Protein-gekoppelte Rezeptoren (GPCR-fAAbs) richten und die im Verdacht stehen, die Beschwerden bei Long COVID mitzuverursachen.

Studienleiterin Dr. Hohberger sagt: „Die Ergebnisse sind vielversprechend: Wir haben gesehen, dass die speziellen Autoantikörper nach der BC007-Therapie verschwanden. Die Erschöpfungssymptome nahmen nicht nur statistisch, sondern für die Patientinnen und Patienten auch spürbar ab. Die Lebensqualität verbesserte sich messbar.“ BC007 wurde insgesamt von allen Probandinnen und Probanden gut vertragen. „Unsere Studie liefert erste Hinweise auf eine ursächliche Therapie für eine bestimmte Gruppe von Long-COVID-Patientinnen und -Patienten“, so Bettina Hohberger weiter. „Das macht Hoffnung – für Betroffene, deren Alltag bislang massiv eingeschränkt ist und für die es bisher keine gezielte ursächliche Behandlung gab. Eine individuelle Diagnostik ist künftig entscheidend, um geeignete Zielgruppen für die Therapie präzise zu identifizieren.“

Die reCOVer-Studie wurde vom Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt und der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert. An dem Forschungsprojekt waren ebenfalls Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Ärztinnen und Ärzte der Medizinischen Klinik 1 – Gastroenterologie, Pneumologie und Endokrinologie (Direktor: Prof. Dr. Markus F. Neurath), der Medizinischen Klinik 3 – Rheumatologie und Immunologie (Direktor: Prof. Dr. med. univ. Georg Schett), des Virologischen Instituts – Klinische und Molekulare Virologie (Direktor: Prof. Dr. Klaus Überla), der Medizinischen Klinik 2 – Kardiologie und Angiologie (Direktor: Prof. Dr. Stephan Achenbach) und des Center for Clinical Studies (Leiterin: Dr. Stefanie Maas) des Uniklinikums Erlangen beteiligt.

Direkt zur Originalstudie: https://www.thelancet.com/journals/eclinm/article/PIIS2589-5370(25)00290-1/fullt...

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PD Dr. Dr. Bettina Hohberger
Augenklinik des Uniklinikums Erlangen
Tel.: 09131/85-33001
recover.au@uk-erlangen.de


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Augenklinik des Uniklinikums Erlangen
Tel.: 09131/85-33001
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Originalpublikation:
https://www.thelancet.com/journals/eclinm/article/PIIS2589-5370(25)00290-1/fullt...

Die Einsamkeit

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat erstmals einen Bericht über Einsamkeit und ihre Folgen herausgegeben. Demnach birgt der tief empfundene, unfreiwillige Kontaktmangel unter anderem erhebliche Risiken für die Gesundheit. „Das Thema Einsamkeit und seine Folgen wird in Deutschland über die Generationen hinweg noch unterschätzt“, ist Dr. Alexia Zurkuhlen, Vorstandsvorsitzende des Kuratoriums Deutsche Altershilfe (KDA), sicher. Sie fordert, das mögliche Vorliegen von Einsamkeit bei der Prävention stärker zu berücksichtigen.

Laut WHO ist Einsamkeit für nahezu 880 000 Todesfälle pro Jahr weltweit verantwortlich. „Das Thema Einsamkeit und seine Folgen wird in Deutschland über die Generationen hinweg noch unterschätzt“, ist Dr. Alexia Zurkuhlen, Vorstandsvorsitzende des Kuratoriums Deutsche Altershilfe (KDA), sicher. Während und nach Corona seien junge Leute und ältere Menschen - letztere insbesondere in Pflegeeinrichtungen - in den Fokus gekommen. Der aktuelle Deutsche Alterssurvey zeige aber, so Zurkuhlen, dass sich Menschen in der Lebensmitte einsamer fühlen als Menschen im Rentenalter.

„Dieses Ergebnis mag erst einmal überraschen“, sagte Zurkuhlen. „Es muss uns aber alarmieren. Wir sollten frühzeitig gegensteuern“, forderte sie mit Blick auf die Folgen, die Einsamkeit unter anderem für die Gesundheit haben kann. „Wir müssen mit dem Thema viel offensiver umgehen und Einsamkeit auch in der Prävention stärker mitdenken“, forderte die KDA-Vorständin. Hier sollten Kontaktstellen wie Praxen, Apotheken, Gesundheits- und Sozialämter, lokale Beratungsstellen sowie Vereine eingebunden werden. „Ein guter Ansatz bietet sich etwa, wenn jemand Freude am ehrenamtlichen Engagement hat“, so Zurkuhlen. Manchmal müsse man auf Möglichkeiten hingewiesen werden, konkrete Zugangsmöglichkeiten sollten aufgezeigt werden.

Viele Menschen im mittleren Alter fühlen sich einsam

Etwa jede elfte befragte Person ab 43 Jahren fühlte sich „sehr einsam“. Dabei fühlen sich die ab 76-Jährigen durchschnittlich weniger einsam als die Gruppe der 43- bis 55-Jährigen. Neben Alter und Geschlecht spielt der sozio-ökonomische Status – abgebildet über Einkommen und Erwerbsstatus - eine wichtige Rolle. Das ist das Ergebnis einer Auswertung des Deutschen Alterssurveys, die das Deutsche Zentrum für Altersfragen (DZA) im Auftrag des Bundesfamilienministeriums zum Thema Einsamkeit vorgenommen hat.

Der Druck, unter dem die „Sandwich-Generation“ zwischen Kindererziehung, familiären Verpflichtungen, beruflichem Anspruch, Engagement und in nicht wenigen Fällen der Pflege eines Angehörigen oder Freundes stehe, könne leicht zu einem Gefühl von „einsamem Funktionieren“ führen, gab Zurkuhlen zu bedenken. Das gelte ganz besonders für alleinerziehende Elternteile und Personen, die neben dem Beruf eine private Pflegeverantwortung haben. Auch die WHO-Studie nennt diese Gruppen ausdrücklich. „Hier liefern unsere Projekte unmissverständlich die Erkenntnis, dass die Betreuung eines An- oder Zugehörigen zwar oft selbstverständlich ist, aber tatsächlich auch sehr einsam machen kann, unabhängig vom eigenen Alter“, bestätigte die KDA-Vorständin.

Einsamkeitsfallen aufbrechen

Wichtig ist Zurkuhlen, klarzustellen, dass Einsamkeit nicht Alleinsein meint. Einsamkeit beschreibe vielmehr ein individuelles Empfinden und Erleben. Während das Alleinsein durchaus als Pause vom Alltagstrubel propagiert werde, unterliege Einsamkeit „weitgehend einem gesellschaftlichen Tabu“, so Zurkuhlen. „Dies müssen wir aufbrechen und offensiv sowie präventiv Einsamkeitsfallen angehen“, forderte Zurkuhlen. Das subjektive Erleben von Einsamkeit sei eine „existenzielle und schmerzvolle Erfahrung“ mit vielfältigen Auswirkungen auf Psyche und Körper, aber auch auf das Verhalten im sozialen Umfeld.

Die Wissenschaftler der WHO haben für den Einsamkeits-Report weltweit Studien ausgewertet. Allein zu sein, ist demnach mit einem etwa 30 Prozent erhöhtem Risiko für einen vorzeitigen Tod verbunden, wobei allerdings die Daten vor allem aus wohlhabenden Staaten stammen. Ebenfalls um bis zu 30 Prozent steigt das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Die Gefahr eines kognitiven Abbaus im Alter sei bei den Betroffenen um etwa 15 Prozent erhöht - bei der Alzheimererkrankung kann die Wahrscheinlichkeit sogar um bis zu 70 Prozent ansteigen. Auch ein Zusammenhang zwischen Einsamkeit und psychischen Leiden wie Depressionen, Abhängigkeitserkrankungen und Suizidalität wird gesehen.

MaAB - Medizin am Abend Berlin Fortbildungen VOR ORT

Dr. Alexia Zurkuhlen, Vorstandsvorsitzende des Kuratoriums Deutsche Altershilfe (KDA): info@kda.de