Medizin am Abend Berlin: Gesünder im Alter durch neuen Genschalter
Der Funktionsverlust von Stammzellen des blutbildenden Systems führt
im Alter zu einer immer schlechteren Immunabwehr.
Forscher vom
Leibniz-Institut für Alternsforschung – Fritz-Lipmann-Institut (FLI) in
Jena identifizierten nun ein Gen, bei dessen Abschaltung die Anzahl von
Abwehrzellen im Blut von alten Mäusen stabil bleibt und ihnen eine
längere Lebenszeit beschert. Die Ergebnisse werden am 18. April online
im Journal Nature Cell Biology veröffentlicht.
Das Ausschalten des Gens Per2 führt in Mäusen zu einer Verbesserung
der Immunabwehr sowie zu einer Verlängerung der Lebensspanne um bis zu
15%. [Grafik: iStock/FLI/Wang et al. 2016]
-
Wie kaum eine andere Altersgruppe leiden Senioren unter den Folgen
von Infektionen, die sie mit zunehmendem Alter immer häufiger treffen
und einen schwereren Verlauf nehmen.
- Eine der Hauptursachen dafür ist
die abnehmende Funktion der hämatopoetischen Stammzellen (HSZ), die für
Blutbildung und Immunabwehr zuständig sind.
- Besonders die mit dem Alter
nachlassende Bildung von Lymphozyten verändert die Zusammensetzung des
Blutes und führt zu Immundefekten, die die körperliche Fitness
einschränken und die Lebensspanne verkürzen.
Ein Grund dafür liegt in
der zunehmenden Anzahl von DNA-Schäden, die sich im Laufe des Lebens in
den HSZ ansammeln.
Forschern um Karl Lenhard Rudolph, Wissenschaftlicher
Direktor am Leibniz-Institut für Alternsforschung –
Fritz-Lipmann-Institut (FLI) in Jena, ist es nun gelungen, in Mäusen
das
Gen „Per2“ als Genschalter für eine gesündere Immunabwehr zu
identifizieren:
Wird es abgeschaltet, werden HSZ resistenter gegenüber
DNA-Schäden, und die Funktionsfähigkeit der Stammzellen bleibt im Alter
länger erhalten.
Die untersuchten Mäuse waren weniger anfällig für
Infektionen und lebten –
ohne gesteigertes Krebsrisiko – im Schnitt 15%
länger. Die Ergebnisse der Studie erschien am 18. April im Journal
Nature Cell Biology.
„Innere-Uhr“-Gen Per2 durch RNAi-Screenings als Genschalter identifiziert
Für Ihre Untersuchungen führten die Wissenschaftler in
vivo-RNA-mediierte Interferenz-Analysen (RNAi) an Mäusen durch und
prüften 459 potenzielle Tumor-Suppressor-Gene darauf,
ob sie die
Selbsterneuerungskapazität von HSZ infolge von DNA-Schäden begrenzen.
- Bei DNA-Schäden, die auf Verstrahlung, Replikationsstress oder
fortgeschrittenes Alter zurückzuführen waren, erwies sich das „Period
circadian clock 2 (Per2)“-Gen – das eigentlich zusammen mit anderen
Erbanlagen den Schlaf-Wach-Rhythmus („Innere Uhr“) steuert – als
maßgeblich für den Erhalt und die Vermehrung von HSZ:
Seine Abschaltung
führte zu einer ausgewogeneren Produktion von Lymphozyten und damit zu
einer Verbesserung der Immunabwehr.
- Die Per2-Inaktivierung verbesserte
auch den Erhalt von Stammzellen mit verkürzten Telomeren – den
Schutzenden der Chromosomen. Dieser Mechanismus wird als Ursache für die
Alterung des Menschen angesehen.
Ein Schritt auf dem Weg zu einem gesunden Altern
„Die Ergebnisse sind vielversprechend und gleichermaßen überraschend“,
fasst K. Lenhard Rudolph zusammen.
„Dass die Abschaltung eines einzelnen
Gens so eindeutig zu einer Verbesserung der Immunabwehr führt, war
nicht zu erwarten.“
Allerdings weist der Alternsforscher darauf hin,
dass die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf den Menschen erst noch
untersucht werden muss.
Interessanterweise gibt es Mutationen im
Per2-Gen in Menschen, die an einer Schlafstörung leiden.
- ,Die Patienten
werden frühzeitig am Abend sehr müde und können nicht spät aufbleiben.
„Ob diese Mutationen eine gute Seite haben und etwa die Immunfunktion im
Alter verbessern, ist nicht bekannt – wir haben starkes Interesse, das
näher zu untersuchen“ so Rudolph.
Publikation
Wang J, Morita Y, Han B, Niemann S, Löer B, Rudolph KL.
Per2 induction limits lymphoid-biased haematopoietic stem cells and lymphopoiesis in the context of DNA damage and ageing.
Nature Cell Biology 2016 (e-pub ahead of print), DOI: 10.1038/ncb3342.
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