Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Kranke Schilddrüse schädigt auch unser Herz
Die Schilddrüse beeinflusst mit ihren Botenstoffen nahezu jede Zelle unseres Körpers.
Eine Fehlfunktion wirkt sich daher auch auf Herz und Kreislauf aus.
Doch auch Herzmedikamente können ungünstige Wirkung auf die Schilddrüse haben
Die Schilddrüse ist ein kleines, aber äußerst wirkmächtiges Organ:
Sie produziert Substanzen, die den kompletten Organismus beeinflussen – die Schilddrüsenhormone. Praktisch alle Zellen des Körpers stehen unter der Regie dieser chemischen Botenstoffe.
Besonders ausgeprägt sind die Effekte der Schilddrüsenhormone T3 (Trijodthyronin) und T4 (Thyroxin) auf Herz und Kreislauf, deren zentrale Steuerung durch das Gehirn erfolgt.
Medizin am Abend Berlin ZusatzfachLink: Labor Schildrüse - Diagnostische Pfade
Beide Hormone sind unerlässlich für den Stoffwechsel des Körpers und wahre Multiplayer.
Schilddrüsenhormone
- regulieren den Energieverbrauch,
- sind wichtig für das Aufrechterhalten der Körpertemperatur,
- regulieren Blutdruck und Cholesterinspiegel,
- bestimmen die Funktionen des Gehirns und der Muskeln,
- spielen entscheidend mit bei Wachstum und Entwicklung und noch vieles mehr.
„Das Herz ist ein wesentliches Zielorgan der Schilddrüsenhormone“,
betont der Hamburger Kardiologe Prof. Dr. Thomas Meinertz,
„Die Botenstoffe der Schilddrüse regulieren die Kraft des Herzens, die Herzschlagfolge, also die Herzfrequenz, und das zirkulierende Blutvolumen.
Eine Funktionsstörung der Schilddrüse wirkt sich deshalb immer auch auf Herz und Kreislauf aus.
“ Bei einer Erkrankung des Herz-Kreislauf-Systems müsse daher stets an die Schilddrüse gedacht werden, betont Meinertz.
„Trotzdem wird die Diagnose oft erst mit Verspätung und
als Zufallsbefund gestellt.“
Klein, aber wirkmächtig
Kaum daumengroß und nur 20 bis 30 Gramm schwer liegt die Schilddrüse wie
ein Schild unterhalb des Kehlkopfs. Ihre beiden mit einer Gewebebrücke
verbundenen Seitenlappen umspannen die Luftröhre in der Form eines
Schmetterlings.
Daher spricht man häufig auch von der „Schmetterlingsdrüse“.
- In unserem Gehirn sitzt die kirschkerngroße Hirnanhangdrüse (Hypophyse), die wiederum eng mit dem Hypothalamus verbunden ist, einem Areal im Zwischenhirn.
- Beide zusammen regeln über Steuerhormone die Funktion aller Hormondrüsen.
- Für die Schilddrüse zuständig ist das vom Hypothalamus gebildete Steuerhormon TRH (Thyreotropin Releasing Hormone).
Es gelangt in die Hypophyse und veranlasst sie dazu, ein weiteres Hormon zu produzieren:
Das schilddrüsenstimulierende Hormon TSH.
Mit dem Blut gelangt TSH in die Schilddrüse und beauftragt deren Zellen, die Schilddrüsenhormone T3 (Trijodthyronin) und T4 (Thyroxin) zu bilden.
Herzmuskelzellen sind
hauptsächlich auf T3 angewiesen.
Schilddrüsenüberfunktion macht sich mit Herz-Kreislauf-Beschwerden bemerkbar
„Dass eine überaktive Schilddrüse mit Herz-Kreislauf-Beschwerden
einhergehen kann, sollten sowohl Patienten als auch ihr behandelnder
Arzt mitbedenken, wenn entsprechende Symptome auftreten“, betont der
Internist Prof. Dr. Franz Rinninger, Facharzt für Endokrinologie und
Diabetologie am Universitätsklinikum Hamburg- Eppendorf (UKE).
Eine solche Überfunktion der Schilddrüse, in der Medizin Hyperthyreose genannt, kommt bei einer unter 100 Personen vor. Die Schilddrüse schüttet dabei zu viele Hormone aus und kurbelt Herz und Kreislauf an, beide arbeiten unnötigerweise auf Hochtouren.
- „Die Folge sind dann Herzrasen oder Herzstolpern, Zittern, Nervosität und Unruhe sowie ein erhöhter Blutdruck“, berichtet Rinninger.
Nicht oder nur unzureichend behandelt, könne eine
Schilddrüsenüberfunktion zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen, beispielsweise
zu Vorhofflimmern, führen oder gar lebensbedrohlich verlaufen, so der
Internist.
Bei der Hyperthyreose unterscheidet man zwei Verlaufsformen:
Die latente Form, die keine Beschwerden verursacht, und die manifeste mit deutlichen Beschwerden.
- Die latente Form wird häufig übersehen, nicht selten ist Vorhofflimmern das einzige darauf hindeutende Zeichen.
Eine manifeste Überfunktion zeigt in der Blutanalyse erhöhte T3- und T4-Werte.
„Die manifeste
Überfunktion ist behandlungsbedürftig und es werden Thyreostatika
gegeben, die die Bildung der Schilddrüsenhormone hemmen“, erklärt
Rinninger
Funktionsstörung der Schilddrüse durch Herzmedikamente
- Bei Patienten mit Herzerkrankungen ist wiederum das Medikament Amiodaron nicht selten der Grund für eine Funktionsstörung der Schilddrüse.
- Amiodaron ist der am häufigsten eingesetzte und effektivste Arzneistoff, um Herzrhythmusstörungen zu behandeln, die mit einer schnellen Herzschlagfolge einhergehen (tachykarde Herzrhythmusstörung).
- Bei 20 bis 25 Prozent der länger mit Amiodaron behandelten Patienten kann das Medikament jedoch aufgrund seines hohen Jodgehalts funktionelle Störungen der Schilddrüse auslösen.
Medizin am Abend Berlin ZusatzfachLink: Medikamentenspiegel Amiodaron Erhebung
Es kann, abhängig von der geografischen Lage (Jodversorgung), zu einer Unterfunktion (Hypothyreose) oder einer Überfunktion (Hyperthyreose) kommen.
Allerdings sind bei einer von Amiodaron ausgelösten Hyperthyreose die typischen Zeichen einer Überfunktion oft abgeschwächt oder gar nicht vorhanden.
Blutuntersuchungen zeigen dann allerdings einen erniedrigten Wert des Steuerhormons TSH und deutlich erhöhte Werte des Schilddrüsenhormons T3, oft fünffach über den oberen Grenzwert hinaus.
- „Schilddrüsennebenwirkungen sind unter einer Therapie mit dem Herzrhythmusmedikament Amiodaron so häufig, dass eine regelmäßige Kontrolle der Schilddrüsenfunktion vor und während der Amiodaron-Therapie zwingend erforderlich ist“, mahnt Prof. Rinninger.
Am meisten gefürchtete Nebenwirkung: Stoffwechsel-Entgleisung
- Die gefürchtetste Nebenwirkung ist, wenn sie unentdeckt und unbehandelt bleibt, die „Amiodaron-induzierte Thyreotoxikose“ (AIT), ein durch die Funktionsstörung der Schilddrüse verursachtes Entgleisen des Stoffwechsels.
- Sie beruht auf zwei unterschiedlichen Mechanismen; hinsichtlich der Behandlung muss deshalb zwischen einer AIT vom Typ 1 und einer AIT vom Typ 2 unterschieden werden.
- Die AIT Typ 1 geht einher mit einer vermehrten Bildung von Schilddrüsenhormonen, die Beschwerden treten meist früh auf.
Die Betroffenen leiden zudem meist bereits vor Beginn der Amiodaron-Einnahme an einer Schilddrüsenerkrankung, etwa an einem Morbus Basedow oder an einer Schilddrüsenautonomie.
„Bei derart vorbelasteten Patienten kann der hohe Jodgehalt des Medikaments die Überfunktion der Schilddrüse provozieren.
Bei Personen hingegen, bei denen keine Vorerkrankung der Schilddrüse besteht, verändern sich die Schilddrüsenwerte unter einer Behandlung mit Amiodaron in der Regel nur geringgradig; die Funktion der Schilddrüse bleibt letztlich normal“, erklärt Herzspezialist Prof. Meinertz.
Bei einer AIT Typ 1 sei es erforderlich, Amiodaron abzusetzen.
Zusätzlich erfolge eine medikamentöse Therapie mit Thyreostatika.
- Die AIT vom Typ 2 tritt spät, meist Monate nach Beginn der Amiodaron-Therapie auf.
- Das Medikament schädigt die Zellen der Schilddrüse unmittelbar, es kommt zu einer zerstörerischen Entzündungsreaktion (destruktive Thyreoiditis).
Infolgedessen werden Schilddrüsenhormone unkontrolliert freigesetzt.
Eine AIT vom Typ 2 wird mit Glukokortikoiden, entzündungshemmenden Medikamenten, behandelt.
Nicht selten muss bei unzureichendem Therapierfolg dann die Schilddrüse operativ entfernt werden (Thyreoidektomie).
Danach kann jedoch die
Behandlung mit dem Rhythmusmedikament Amiodaron fortgeführt werden.
Service
Mehr Informationen zu diesem Thema bietet der Experten-Beitrag „Das
getriebene Herz“ von Prof. Thomas Meinertz und Prof. Franz Rinninger in
der aktuellen Ausgabe der Herzstiftungs-Zeitschrift HERZ heute 4/2023
mit dem Titel „Das mitleidende Herz“. Ein Exemplar dieser Ausgabe kann
kostenfrei unter Tel. 069 955128-400 oder unter
bestellung@herzstiftung.de angefordert werden.
Deutsche Herzstiftung
Michael Wichert
Pierre König
Bockenheimer Landstr. 94-96
60323 Frankfurt
Deutschland
Hessen
Fax: 069 / 955128-313
E-Mail-Adresse: koenig@herzstiftung.de
Weitere Informationen für international Medizin am Abend Berlin Beteiligte und Interessierte
https://herzstiftung.de/schilddruese-und-herz - Infos zu Schilddrüse und Herz
https://herzstiftung.de/vorhofflimmern-ursachen - Infos zu Vorhofflimmern