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Positive Wirkung von Digitoxin bei Herzinsuffizienz

Multizentrische MHH-Studie DIGIT-HF weist deutlich positive Wirkung von Digitoxin bei Herzinsuffizienz nach. Ergebnisse aus zehn Jahren Forschung mit mehr als 1200 Teilnehmenden haben die Sicherheit und Wirksamkeit des Herzglykosides bei Menschen mit HFrEF-Diagnose eindeutig bestätigt.

Seit mehr als 200 Jahren wird Digitalis aus den Blättern des roten Fingerhuts zur Behandlung der Herzschwäche eingesetzt. Zu dieser Wirkstoffgruppe der Herzglykoside zählt auch das Medikament Digitoxin. Auch wenn es Hinweise für den Nutzen von Digitalis bei Herzschwäche gab, ist es erst jetzt wissenschaftlich einwandfrei erwiesen, dass Digitoxin einen deutlich positiven Effekt bei einer Herzschwäche aufgrund einer verminderten Pumpfunktion und einer unzureichenden Entleerung der linken Herzkammer hat – in der Fachsprache HFrEF (Heart Failure with Reduced Ejection Fraction) genannt. Zehn Jahre lang haben Forschende um Professor Dr. Johann Bauersachs, Direktor der Klinik für Kardiologie und Angiologie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), und Oberarzt Professor Dr. Udo Bavendiek in einer klinischen Studie mit mehr als 1200 Teilnehmenden den Wirkstoff gründlich auf seine Sicherheit und Wirksamkeit hin untersucht.

Nun ist die von ihnen koordinierte, großangelegte DIGIT-HF-Studie, an der über 50 Zentren in Deutschland, Österreich und Serbien beteiligt waren, abgeschlossen und liefert ein eindeutiges Ergebnis: Eine Zusatztherapie mit Digitoxin verringert bei Patientinnen und Patienten mit fortgeschrittener HFrEF die Sterblichkeit und die Anzahl der Krankenhausaufenthalte wegen Herzinsuffizienz. Die Ergebnisse sind im „New England Journal of Medicine“ veröffentlicht worden, einer der weltweit führenden medizinischen Fachzeitschriften. Zeitgleich wurden sie Ende August 2025 auf dem Kongress der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie in Madrid in der sogenannten Hot Line-Session vorgestellt, wo neue klinische Studien präsentiert werden, die bedeutende Veränderungen für die Behandlungsergebnisse von Patienten versprechen.

Bisher kein Wirknachweis nach wissenschaftlichen Standards

Unser Herz ist ein Hochleistungsmotor. Etwa 70-mal schlägt es pro Minute und pumpt in dieser Zeit rund fünf Liter Blut durch unsere Gefäße. Dabei versorgt es den Körper mit lebenswichtigem Sauerstoff und mit Nährstoffen. Ist diese Pumpleistung dauerhaft vermindert, spricht die Medizin von chronischer Herzschwäche oder Herzinsuffizienz. In Deutschland sind etwa vier Millionen Menschen betroffen. Atemnot, geringe Belastbarkeit, Wassereinlagerungen bis hin zur Unbeweglichkeit und schwere Rhythmusstörungen sind die Folge. Die Erkrankung ist eine der häufigsten Ursachen dafür, dass Menschen ins Krankenhaus eingewiesen werden müssen oder sogar an den Folgen sterben. Noch bis etwa 2020 standen Digitalis-Präparate auf der Produktionsliste großer Pharmakonzerne. Aktuell wird Digitoxin nur noch als Nachahmerpräparat, als sogenanntes Generikum, produziert. „Es ist aber in Deutschland weiterhin das am häufigsten verwendete Digitalispräparat – bisher allerdings ohne einen wissenschaftlich erwiesenen Wirknachweis“, stellt Professor Bavendiek fest.

Einsatz auch bei gestörter Nierenfunktion

Der ist nun erbracht. „In der DIGIT-HF-Studie haben wir Patientinnen und Patienten untersucht, bei denen die üblichen Therapien ausgereizt sind“, sagt Professor Bauersachs. „Dass wir bei diesen sehr gut vorbehandelten Studienteilnehmenden mit der Digitoxin-Zusatzbehandlung eine so deutliche Verbesserung erzielen konnten, hat uns selbst überrascht.“ Zu den üblichen Medikamenten bei Herzinsuffizienz gehören etwa Beta-Blocker und Hemmstoffe des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems, die überschießend aktivierte Hormonkaskaden hemmen und so das Herz entlasten, sowie entwässernde Mittel (Diuretika). Gegen akute Rhythmusstörungen helfen zudem Defibrillatoren, die als Implantat in den Körper der Patienten eingesetzt werden. Seit 2021 werden in Deutschland auch sogenannte SGLT-2-Hemmer eingesetzt, die ursprünglich zur Behandlung von Typ-2-Diabetes zugelassen wurden, aber auch bei allen Formen der Herzinsuffizienz positive Effekte entfalten. Dank der DIGIT-HF-Studie könnte Digitoxin nun eine weitere feste Säule bei der Behandlung von Menschen mit HFrEF-Diagnose werden.

Bisherige klinische Studien wurden nahezu ausschließlich mit dem ebenfalls zu den Herzglykosiden gehörenden Wirkstoff Digoxin durchgeführt. Der Einsatz von Digoxin ist aber bei einer gestörten Nierenfunktion – dies ist bei Patienten mit fortgeschrittener Herzinsuffizienz häufig der Fall – nur begrenzt möglich, da es nahezu ausschließlich über die Niere ausgeschieden wird. „Bei Digitoxin liegt der Fall jedoch anders“, erklärt Professor Bavendiek. Denn Digitoxin wird bei einer gestörten Nierenfunktion entsprechend vermehrt über Leber und Darm ausgeschieden. Das bereits zugelassene Medikament ist somit auch für vorbelastete Patienten mit Nierenschwäche gut einsetzbar.

Sicher und kostengünstig

Zudem konnten die Ergebnisse der DIGIT-HF-Studie die Befürchtung entkräften, Digitoxin sei für bestimmte Patientengruppen mit Herzschwäche gefährlich und könne zum Tod führen. „Richtig dosiert ist Digitoxin eine sichere Therapie bei Herzinsuffizienz und eignet sich auch zur Frequenzkontrolle bei Vorhofflimmern, wenn Beta-Blocker allein nicht ausreichen“, betont Professor Bavendiek. Ein weiterer Vorteil des Medikaments klingt banal, ist aber angesichts steigender Kosten im Gesundheitssystem durchaus interessant: Digitoxin ist ein Centartikel und drastisch günstiger als andere Medikamente gegen Herzinsuffizienz. Basierend auf den bisherigen Studiendaten haben die Herzspezialisten bereits Empfehlungen für eine einfache und sichere Dosierung erarbeitet. Während früher oft 0,1 Milligramm Digitoxin verordnet wurden, liegen die aktuellen Empfehlungen bei 0,07 Milligramm pro Tag oder sogar noch weniger. Die DIGIT-HF-Studie konnte zeigen, dass bei dieser Dosierung ohne Sicherheitsprobleme Sterblichkeit und Krankenhausaufnahmen wegen Herzinsuffizienz vermindert wurden.

Über DIGIT-HF

Die DIGIT-HF-Studie ist eine multizentrische und internationale klinische Studie unter der Leitung der Klinik für Kardiologie und Angiologie der MHH mit Beteiligung des Instituts für Biometrie, des Instituts für Klinische Pharmakologie sowie des Zentrums für Klinische Studien (ZKS) und in Kooperation mit Kliniken aus Deutschland, Österreich und Serbien. Sie startete 2015 und wurde finanziell unterstützt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF, heute: Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt, BMFTR), der Braukmann-Wittenberg-Herz-Stiftung und der Deutschen Herzstiftung mit insgesamt rund sieben Millionen Euro.

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Weitere Informationen erhalten Sie bei Prof. Dr. Udo Bavendiek, Bavendiek.Udo@mh-hannover.de, Telefon (0511) 532-2229 und Prof. Dr. Johann Bauersachs, Bauersachs.Johann@mh-hannover.de, Telefon (0511) 532-3841.

Originalpublikation:
https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa2415471

Schlaf Check Hausaerzte

Feldstudie im Projekt »SchlafCheck« erprobt digitale Schlafanamnese

Schlafprobleme können langfristig zu ernsthaften Gesundheitsproblemen führen. Dennoch bleiben sie oft unbehandelt. Das Projekt »SchlafCheck« beschäftigte sich rund zwei Jahre lang mit der Frage, wie die schlafmedizinische Versorgung über die hausärztliche Vorsorge verbessert werden könnte. Mit rund 60 ProbandInnen und fünf Hausarztpraxen in und um Oldenburg wurde der Einsatz eines mobilen Schlafmonitoringsystems erprobt. Die technische und praktische Umsetzung inklusive Datenanalyse übernahm das Fraunhofer IDMT in Oldenburg. Die Universitätsmedizin Oldenburg brachte ihre medizinische Expertise ein.

Wenn Sie schlecht schlafen, sind Sie nicht allein. Rund zehn Prozent der Menschen in Deutschland leiden unter chronischen Ein- und Durchschlafstörungen. Ein langfristig schlechter Schlaf mindert nicht nur die Lebensqualität, sondern erhöht auch das Risiko für nachgelagerte Erkrankungen, insbesondere im Bereich des Herz-Kreislaufsystems. Trotzdem bleiben Schlafprobleme bei vielen Menschen unbehandelt, u.a. weil die Schlafmedizin nicht in allen klinischen Bereichen ausreichend vertreten ist. Hausarztpraxen können als erste Anlaufstelle im Gesundheitssystem über eine Schlafanamnese und Hinweise zur Schlafhygiene hinaus keine tiefergehenden schlafdiagnostischen Untersuchungen durchführen. Und: Wenn Patientinnen und Patienten an Schlaflabore verwiesen werden, ist dies oftmals mit langen Wartezeiten verbunden. »Es fehlt in der Primärversorgung an niederschwelligen Möglichkeiten, um eine objektive Ersteinschätzung von Schlafproblemen zu erhalten. Ein mobiles Gerät, ähnlich einem Langzeit-EKG oder einer Langzeitblutdruckmessung, könnte wertvolle Schlafdaten aus der heimischen Umgebung der Patientinnen und Patienten liefern und eine Erstdiagnose beschleunigen«, erklärt Dr. med. Markus Ennen, Allgemeinmediziner aus Oldenburg. Er ist einer von fünf Hausärztinnen und -ärzten, die am Forschungsprojekt »SchlafCheck« beteiligt waren.

Das Projektkonsortium, bestehend aus dem Fraunhofer-Institut für Digitale Medientechnologie IDMT und der Universität Oldenburg, sieht großes Potenzial in einer durch Hausarztpraxen begleiteten Schlafdiagnostik im heimischen Umfeld, um die unzureichende Versorgung von Menschen in Deutschland mit Schlafproblemen zu verbessern und das Risiko von Folgeerkrankungen zu senken.

Feldstudie in hausärztlichen Praxen

Für eine detaillierte Analyse von Schlafproblemen werden u. a. Informationen über die Schlafphasen und Schlafqualität der Betroffenen benötigt. Dafür werden in Schlaflaboren Hirnaktivitäten in Form eines Elektroenzephalogramms (EEG) sowie weitere Vitaldaten erfasst und analysiert. In der Feldstudie im Rahmen des Projekts »SchlafCheck« wurden hausärztliche Praxen mit digitalen Sensorgeräten für ein mobiles Schlafmonitoring versorgt. Dadurch sollte eine Implementierung im Praxisalltag erprobt werden, um wichtige Erkenntnisse für die weitere Forschung und Entwicklung zu sammeln.

»Perspektivisch könnten durch mobile Geräte Schlafuntersuchungen im Verdachtsfall in regelmäßige Check-Ups integriert werden. Hausärztinnen und -ärzte könnten Probleme früher erkennen und notwendige Behandlungsschritte ableiten, von Empfehlungen zur Schlafhygiene bis hin zur begründeten Überweisung an eine Facheinrichtung für Schlafdiagnostik«, erklärt Dr. Wiebke Pätzold, Projektleiterin aus der Gruppe »Mobile Neurotechnologien« am Fraunhofer IDMT.

Rund 60 Probandinnen und Probanden mit Ein- und Durchschlafstörungen nahmen an der Studie teil. Sie erhielten jeweils ein kommerziell erhältliches mobiles Sensorsystem von ihrer Hausarztpraxis, das sie in der heimischen Umgebung in Kombination mit einem Fragebogen und Schlaftagebuch nutzten. Die Studienteilnehmenden waren zum überwiegenden Teil gut in der Lage, nach Anleitung eine Messung selbstständig zu starten. In einigen Fällen stellte sich die ungewohnte Platzierung von Sensoren auf der Haut als herausfordernd dar, weshalb in Abschlussinterviews mit den Ärztinnen und Ärzten eine vereinfachte Bedienbarkeit und Möglichkeiten für das Anbringen in der Praxis diskutiert wurden.

Erkenntnisgewinn für die weitere Forschung und Entwicklung

Die Einblicke in die Abläufe und diagnostischen Möglichkeiten der hausärztlichen Praxen zeigten einen grundlegenden Bedarf in der schlafmedizinischen Versorgung auf. »Für das Projekt konnten wir schnell geeignete Partner im großen Lehrpraxennetzwerk der Universitätsmedizin Oldenburg finden. Der direkte Austausch mit den Praxisteams machte Möglichkeiten und Herausforderungen bei der Implementierung digitaler Schlafmonitoringsysteme sichtbar«, erklären Marianne Timper und Prof. Dr. Michael Freitag aus der Abteilung Allgemeinmedizin im Department für Versorgungsforschung an der Universität Oldenburg.

Die Forschungsgruppe »Mobile Neurotechnologien« am Fraunhofer IDMT wird die Projektergebnisse in weitere Entwicklungsprojekte einbringen und verfolgt damit das Ziel, neurophysiologische Messungen aus dem Labor oder der Spezialklinik in den Alltag und damit auch in die allgemeinmedizinische Primärversorgung zu bringen. Die Forschenden entwickeln aktuell ein eigenes Sensorsystem zur mobilen EEG-Aufzeichnung (https://www.idmt.fraunhofer.de/de/institute/projects-products/projects/SleepWell...), das sie derzeit im täglichen Langzeiteinsatz erproben.

Das Projekt »Schlafcheck« wurde im Frühjahr 2025 abgeschlossen und vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) mit rund 300.000,00 EUR gefördert.

Hör-, Sprach- und Audiotechnologie HSA am Fraunhofer-Institut für Digitale Medientechnologie IDMT in Oldenburg

Der im Jahre 2008 unter der Leitung von Prof. Dr. Dr. Birger Kollmeier und Dr. Jens-E. Appell gegründete Institutsteil Hör-, Sprach- und Audiotechnologie HSA des Fraunhofer-Instituts für Digitale Medientechnologie IDMT steht für marktnahe Forschung und Entwicklung mit Schwerpunkten auf
- Sprach- und Ereigniserkennung
- Klangqualität und Sprachverständlichkeit sowie
- Mobile Neurotechnologie und Systeme für eine vernetzte Gesundheitsversorgung.
Mit eigener Kompetenz in der Entwicklung von Hard- und Softwaresystemen für Audiosystemtechnologie und Signalverbesserung setzen die Mitarbeitenden am Standort Oldenburg wissenschaftliche Erkenntnisse in kundengerechte, praxisnahe Lösungen um.
Über wissenschaftliche Kooperationen ist der Institutsteil eng mit der Carl von Ossietzky Universität, der Jade Hochschule und der Hochschule Emden/Leer verbunden. Das Fraunhofer IDMT ist Partner im Exzellenzcluster »Hearing4all« und im Sonderforschungsbereich »Hörakustik«.
Weitere Informationen auf www.idmt.fraunhofer.de/hsa.

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Christian Colmer
Fraunhofer-Institut für Digitale Medientechnologie IDMT
Institutsteil Hör-, Sprach- und Audiotechnologie HSA
Marie-Curie-Str. 2 | 26129 Oldenburg
Telefon +49 441 80097-312 | E-Mail christian.colmer@idmt.fraunhofer.de
www.idmt.fraunhofer.de/hsa
Weitere Informationen finden Sie unter
https://www.idmt.fraunhofer.de/hsa

Titan Implantaten

Was passiert mit Titan-Implantaten im Körper? Warum werden sie manchmal abgestossen oder brechen sogar? Die Empa-Forscherin Martina Cihova sucht die Antworten auf diese Fragen an der Grenzfläche zwischen dem Implantat und dem Körper, zwischen Materialwissenschaft und Medizin. Für ihr Forschungsvorhaben hat sie vor Kurzem einen «Ambizione-Grant» des Schweizerischen Nationalfonds (SNF) erhalten.

Dank medizinischen Fortschritten leben wir Menschen immer länger. Dabei wollen wir – verständlicherweise – bis ins hohe Alter gesund und mobil bleiben. Implantate und Prothesen ersetzen «abgenutzte» Gelenke und Zähne, stoppen Schmerzen und erhöhen die Lebensqualität. Moderne medizinische Implantate sind kleine Wunderwerke der Biomaterial- und der Bioingenieurskunst zugleich. Dennoch kommt es gelegentlich zum Versagen von Implantaten, was schwerwiegende Folgen für die Patientinnen und Patienten haben kann.

Warum kommt es zu diesen Versagen – und warum nehmen sie in den letzten Jahren eher zu als ab? Die Empa-Forscherin Martina Cihova aus dem Labor «Fügetechnologie und Korrosion» will Antworten auf diese Fragen finden. Dafür nimmt sie das Verhalten von Implantaten im Körper unter die Lupe – oder, genauer gesagt, unter das Mikroskop. Für ihr Forschungsvorhaben hat die Wissenschaftlerin einen vierjährigen «Ambizione-Grant» des Schweizerischen Nationalfonds erhalten.

Viele Implantate – darunter künstliche Gelenke, Zahnimplantate und Herzschrittmacher – bestehen aus Titan. Dieses Übergangsmetall ist leicht und stabil, ist im Körper sehr beständig und lässt Knochen besonders gut anwachsen. Für diese Eigenschaften ist eine dünne Oxidschicht verantwortlich, die sich bei Kontakt mit Luft an der Titanoberfläche bildet. So ist es schliesslich nicht das Titan selbst, sondern die schützende Schicht an der Oberfläche der Implantate, die in Kontakt mit dem Körper kommt. «Da diese natürliche Passivschicht weniger als zehn Nanometer dick ist, wird sie in der Medizintechnologie und Forschung oft zu wenig beachtet», so Martina Cihova.

Hinzu kommt, dass manche Hersteller die Oxidschicht verändern, etwa verdicken, um unterschiedlichen Implantatgrössen oder -modellen eine Farbcodierung zu verleihen und den Ärztinnen und Ärzten so die Arbeit zu erleichtern. Andere rauen die Oberfläche der Implantate auf, damit der Knochen besser anwachsen kann – oder gravieren mit einem Laser die Seriennummer ein. Auch 3D-Druck von patientenspezifischen Implantaten ist heute mittels Laserverfahren möglich. Alles sinnvolle Anwendungen, nur: «Jegliche Oberflächenbehandlung kann die Titanoxide an der Oberfläche verändern», weiss Cihova, «und es ist zu wenig erforscht, was das für die Interaktion des Implantats mit dem Körper und für seine Korrosionsbeständigkeit bedeutet.»

Forschung an der Grenze

Diese Wissenslücke will die Empa-Forscherin mit ihrem Projekt schliessen. Schon als Bioingenieur-Studentin begeisterte sich Cihova für Materialwissenschaften. Daher schlug sie für ihr Doktorat einen neuen Weg ein – die Metallurgie –, um ihr Interesse an Materialien weiter zu vertiefen. Nun bringt sie ihre Expertise in den beiden Gebieten zusammen und richtet sie genau auf die Stelle, wo Metall, beziehungsweise Metalloxide, und Biologie aufeinandertreffen: die Grenzfläche zwischen Implantat und menschlichem Körper.

«Solche Biogrenzflächen sind hochkomplex, aber auch äusserst interessant», sagt die Jungforscherin. «Wenn man an Korrosion denkt, dann denkt man an salziges Meerwasser, feuchte Luft, vielleicht das rostige Velo – aber nicht an den menschlichen Körper.» Dabei kann gerade der eine durchaus überraschend aggressive Umgebung sein, insbesondere, wenn Immunreaktionen stattfinden. Immunzellen geben diverse Stoffe ab, die unter anderem den pH-Wert senken und das Implantat angreifen können. Was macht der Körper also mit Materialien, die wir als stabil ansehen? Genau hier setzt die Forschung zur Biokorrosion an.

Diese Vorgänge sind auf (elektro-)chemischer und biologischer Ebene sehr komplex. Dazu kommt, dass Titanoxid eben nicht gleich Titanoxid ist. Es kann drei unterschiedliche kristalline Formen annehmen – alle mit der gleichen chemischen Zusammensetzung, TiO2, – oder amorph, sozusagen strukturell «undefiniert», vorliegen. All diese Formen unterscheiden sich in ihren elektronischen und elektrochemischen Eigenschaften und somit potenziell auch in ihren Wechselwirkungen mit dem Körper.

Komplexität kontrolliert steigern

Die Oberflächenbehandlung von Implantaten kann die Kristallformen der Oxide verändern, entweder am gesamten Implantat oder nur punktuell. Um die Auswirkungen insbesondere dieser lokalen Heterogenität auf die ohnehin komplexe Biogrenzfläche zu verstehen, braucht es ein strukturiertes Vorgehen. Zunächst stellen Cihova und ihr Team in Zusammenarbeit mit den Empa-Experten für Laserverarbeitung von Metallen in Thun Mustersubstrate mit unterschiedlich strukturierten Titanoxidschichten her, die in ihrer Heterogenität systematisch variieren. Diese Substrate werden dann sukzessive immer komplexeren Körperflüssigkeiten ausgesetzt, um die fundamentalen Zusammenhänge von Struktur, Eigenschaften und Reaktivität der Oxide zu untersuchen.

«Wir beginnen mit simulierten physiologischen Flüssigkeiten, die lediglich Wasser und Ionen enthalten», erklärt Cihova. In einem nächsten Schritt kommen Proteine hinzu, etwa das an der Immunantwort und der Wundheilung beteiligte Fibrinogen. Schliesslich planen die Forschenden zu untersuchen, wie sich die Biogrenzfläche in Kontakt mit lebenden Makrophagen-Zellen – der «Polizei des Körpers» – verhält. Dafür arbeiten sie mit Empa-Forschenden in St. Gallen zusammen. «Ich freue mich sehr, dass wir für dieses Projekt Kolleginnen und Kollegen aller drei Empa-Standorte begeistern konnten», sagt Cihova. «Das ermöglicht es uns, solche komplexen Fragestellungen interdisziplinär anzugehen.»

Bei jedem dieser Schritte werden die Grenzflächen «auf Herz und Nieren» untersucht, mittels elektrochemischer Methoden gepaart mit hochauflösender Elektronen- und Rasterkraftmikroskopie. «Sehen heisst Verstehen – auch, wenn das heisst, auf eine Grössenskala zu schauen, die weit kleiner ist als eine menschliche Zelle», sagt Cihova. «Gerade dort lassen sich oft entscheidende Details entdecken.»

Die Empa-Forscherin hofft, dass die Erkenntnisse aus den nächsten Jahren zu sichereren und stabileren Implantaten führen. Und auch, «dass wir mehr darüber lernen, wie sich die faszinierende Bandbreite von Oxideigenschaften gezielt in der Biomedizin nutzen lässt.» Im Anschluss an ihr «Ambizione»-Projekt 2028 will sie die neuen Methoden auch auf andere medizinische Materialien ausweiten. In Zukunft, ist Cihova überzeugt, wird das Forschungsgebiet noch mehr an Bedeutung gewinnen: «Auch in den aufstrebenden Bereichen der Nanomedizin oder der implantierbaren Sensorik ist das Verhalten von Metalloxiden an Biogrenzflächen für deren Performance zentral.»

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Dr. Martina Cihova
Fügetechnologie und Korrosion
Tel. +41 58 765 43 88
martina.cihova@empa.ch
Weitere Informationen finden Sie unter
Empa-Homepage

Blut jens Erkrankungen und Infektionen

Menschen mit Blutkrebserkrankungen haben durch die Krankheit selbst und die Therapie ein geschwächtes Immunsystem, was zu einer erhöhten Infektanfälligkeit führt. 

In einer überarbeiteten Leitlinie fassen Expert*innen die Erkenntnisse der vergangenen zehn Jahre über alle Viren zusammen, die Atemwegsinfekte verursachen: Wie gefährlich sind sie im Einzelnen? Wie werden sie diagnostiziert? Sind Hygienemaßnahmen erforderlich? Welche Therapie- und Impfstrategien gibt es?

Prof. Dr. Marie von Lilienfeld-Toal vom Institut für Diversitätsmedizin der Ruhr-Universität Bochum ist Erstautorin der Empfehlungen der europäischen Konferenz zu Infektionen bei Leukämie (ECIL) zu Diagnose, Prävention und Behandlung von ambulant erworbenen respiratorischen Virusinfektionen (CARV), die am 27. August 2025 im Journal „The Lancet Infectious Diseases“ veröffentlicht werden.

Infektionen verlaufen gefährlicher

„Besonders in der ersten Phase der Krankheit beziehungsweise während und nach stark immunsuppressiven Therapien, etwa nach eine Stammzelltransplantation, sind Patientinnen und Patienten mit Blutkrebs sehr anfällig für Atemwegsinfekte“, sagt Marie von Lilienfeld-Toal.

 „Viele Infekte, die ansonsten gesunde Menschen als banal erleben, verlaufen bei dieser Gruppe gefährlicher. Eine Influenza-Infektion verläuft zum Beispiel in zehn Prozent der Fälle tödlich, und die Menschen scheiden das Virus auch länger aus.“ Bei Sars-Cov-2 zeigte sich das erhöhte Risiko ebenfalls deutlich, und Patient*innen waren auch durch Impfungen schlechter geschützt. Je nach Therapie sind Betroffene über die Dauer von etwa einem Jahr besonders infektanfällig.

Für die Überarbeitung der Leitlinie analysierte das Team aktuelle Fachliteratur aus den Jahren 2014 bis 2024. Eingeflossen sind Publikationen zu Adenovirus, Bocavirus, Coronavirus, Influenzavirus, Metapneumovirus, Parainfluenzavirus, Respiratory Syncytial Virus und Rhinovirus bei Patientinnen und Patienten mit hämatologischen Malignomen (Blutkrebs, HM) und/oder hämatopoetischer Zelltransplantation. „In den aktuellen Empfehlungen skizzieren wir ein gemeinsames Vorgehen zur Kontrolle solcher Infektionen, zur Labordiagnostik einschließlich Sars-CoV-2 sowie spezifische Strategien zur Infektkontrolle für Atemwegsinfekte außer Sars-CoV-2“, fasst Marie von Lilienfeld-Toal zusammen.

Impfstoffe und besondere Empfehlungen für kleine Kinder

Zur Vorbeugung werden für Influenzaviren saisonale inaktivierte Impfstoffe und frühzeitige antivirale Therapien empfohlen, während die Expert*innen eine generelle antivirale Prophylaxe nicht befürworten. 

Für das Respiratory Syncytial Virus (RSV) können zugelassene Impfstoffe je nach lokaler Zulassung in Betracht gezogen werden, auch wenn die Evidenzlage bei Blutkrebs-Patient*innen begrenzt ist. Eine passive Immunisierung mit Palivizumab oder Nirsevimab wird für Kinder unter zwei Jahren empfohlen, jedoch gibt es unzureichende Daten zur prä- oder postexpositionellen Prophylaxe oder Behandlung älterer Kinder oder erwachsener Patient*innen. Bei Patient*innen, die nach einer Stammzelltransplantation ein ausgeprägtes Immundefizit haben, empfiehlt die Leitlinie die Gabe des Wirkstoffs Ribavirin und/oder intravenöse Immunglobuline.

Für andere Atemwegsinfekte stehen lediglich unterstützende Maßnahmen zur Verfügung, die die Immunfunktion verbessern und den Antikörpermangel korrigieren. Dazu gehört auch, die Gabe von kortisonhaltigen Medikamenten möglichst zu reduzieren. „Evidenzlücken bestehen vor allem in den Bereichen Immunisierung und antiviralen Therapien“, sagt Marie von Lilienfeld-Toal.

Empfehlungen an Behandelnde, Angehörige und Patient*innen

Die Empfehlungen sind für alle relevant, die Menschen mit Blutkrebs behandeln. 

Da virale Atemwegsinfektionen oft aus der Umwelt kommen, ist dies nicht nur in der spezialisierten Klinik relevant, sondern auch in Ambulanzen und hausärztlichen Praxen.

 Auch pflegende Angehörige können von diesen Informationen profitieren und nicht zuletzt Menschen mit Blutkrebs selbst, die solche Informationen meistens in aufgearbeiteter Form von ihren Behandlern bekommen.

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Prof. Dr. Marie von Lilienfeld-Toal
Institut für Diversitätsmedizin
Ruhr-Universität Bochum
Tel.: +49 234 32 12385
E-Mail: marie.vonlilienfeld-toal@ruhr-uni-bochum.de

Originalpublikation:
Marie von Lilienfeld-Toal et al.: Community-acquired Respiratory Virus Infections in Patients with Haematological Malignancies or Haematopoietic Cell Transplantation: Updated Recommendations From the 10th European Conference on Infections in Leukaemia (ECIL-10), in: The Lancet Infectious Diseases, 2025, DOI: 10.1016/S1473-3099(25)00365-2, https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1473309925003652?via%3Dihub