Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Hyperkalziämie - Auch leicht erhöhten Kalziumspiegel immer abklären
- Der Kalzium-Wert wird heute bei vielen Laboruntersuchungen routinemäßig mitbestimmt.
Dabei zeigt sich:
- Etwa 1 Prozent der Gesamtbevölkerung und 3 Prozent der Frauen nach der Menopause haben leicht erhöhte Werte – oft als Zufallsbefund und ohne Symptome zu verspüren.
- Aber auch ein dauerhaft gering erhöhter Kalziumspiegel kann der Gesundheit schaden.
Außerdem kann er ein Symptom für verschiedene Erkrankungen sein.
Deshalb sollte eine sogenannte Hyperkalziämie immer abgeklärt werden, raten DDG und DGE.
„Kalzium hat verschiedene Funktionen im Körper“, erläutert Privatdozent Dr. med. Stephan Scharla aus Bad Reichenhall und Sprecher der Sektion Knochen- und Mineralstoffwechsel der DGE:
„Die größte Menge ist im Knochen eingelagert und sorgt für die Stabilität der Knochen.
- Zudem ist das Mineral essenziell für die Signalübertragung in Zellen und die Blutgerinnung.
- Außerdem spielt Kalzium eine wichtige Rolle für die Muskelfunktion und die Reizübertragung in den Nervenzellen und beeinflusst so auch Herzmuskulatur und Herzfunktion“.
Zu Beginn einer Hyperkalziämie zeigen sich meist keine charakteristischen Symptome.
„Trotzdem kann es im Lauf der Zeit zu
gravierenden Beeinträchtigungen der Gesundheit kommen“, sagt Scharla.
Ursachen
Die häufigste Ursache für einen erhöhten Kalzium-Blutspiegel ist der primäre Hyperparathyreoidismus (pHPT).
„Etwa die Hälfte der Betroffenen leidet daran“, so Scharla.
Hier liegt eine Überfunktion der Nebenschilddrüsen vor:
Eines oder mehrere der vier kleinen, „neben“ den Schilddrüsen angesiedelten Organe schütten unkontrolliert Parathormon aus.
Normalerweise sorgt dieses Hormon im Zusammenspiel mit Vitamin D und Calcitonin für einen normalen Kalziumspiegel im Blut.
Ist etwa zu wenig Kalzium im Blut, wird mehr Parathormon freigesetzt und in der Folge normalisiert sich der Kalziumspiegel im Blut.
Beim pHPT ist diese Rückkoppelung ausgesetzt und es wird zu viel Parathormon freigesetzt.
Der Grund ist in den meisten Fällen ein gutartiger Tumor, ein Nebenschilddrüsenadenom.
„Der pHPT ist neben der Zuckerkrankheit (Diabetes) eine sehr häufige hormonelle Erkrankung“, sagt Professor Dr. med. Baptist Gallwitz, der DDG aus Tübingen.
„Wir rechnen
mit jährlich etwa 200 Neuerkrankungen pro 1 Million Einwohner“, ergänzt
Scharla. Nebenschilddrüsenüberfunktionen auf Grund eines bösartigen
Nebenschilddrüsentumors treten auch auf, sind aber mit etwa 1 Prozent
Vorkommen sehr selten.
Vom sekundären Hyperparathyreoidismus (sHPT) spricht man, wenn der Körper wegen anderer Erkrankungen Kalzium verliert.
Die Nebenschilddrüsen erhöhen dann die Parathormonausschüttung, um den Verlust auszugleichen, der durch die vermehrte Freisetzung von Kalzium aus dem Knochen entsteht.
Ursache können etwa chronische
Nierenerkrankungen oder entzündliche Darmerkrankungen sein.
Andere Ursachen für eine Hyperkalziämie sind bösartige Erkrankungen, die aus Knochenmetastasen Kalzium freisetzen oder ein Parathormon-ähnliches Hormon bilden.
Auch entwässernde Medikamente wie Thiazide können den Kalziumspiegel über die Normwerte hinaus erhöhen.
Zu den selteneren Gründen für Hyperkalziämie zählen Vitamin D-Überdosierung, rheumatische Erkrankungen und genetische Syndrome.
Oft übersehen:
„Viele Menschen
nehmen zusätzlich Kalzium ein. Zuviel davon ist ebenfalls schädlich“,
ergänzt der DGE-Experte.
Therapien
Bei der Behandlung des pHPT ist eine kleine und unkomplizierte
Operation, bei der die entgleiste Nebenschilddrüse entfernt wird, die
Therapie der Wahl. „In jedem Fall und auch, wenn man sich zunächst gegen
den operativen Eingriff entscheidet, müssen die Patienten engmaschig
weiterbetreut werden“, betont Scharla. Denn etwa 30 Prozent entwickeln
im späteren Verlauf doch noch typische Folgekrankheiten.
„Liegt kein pHPT vor, muss die Ursache des erhöhten Kalziumspiegels
abgeklärt werden, um gezielt zu behandeln - also etwa den Tumor zu
therapieren oder zu hoch dosierte Kalziumpräparate abzusetzen.“
„Erhöhte Kalziumwerte sollte man nicht auf die leichte Schulter nehmen
und deshalb immer abklären lassen“, fasst Professor Dr. med. Stephan
Petersenn, der DGE aus Hamburg zusammen.
„Dies haben wir
so auch in unseren Klug entscheiden-Empfehlungen für Ärztinnen und
Ärzte, die wir in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Innere
Medizin (DGIM) herausgegeben haben, festgehalten (1). Leider haben sie
noch nicht Eingang in alle Praxen gefunden.“
Quellen:
(1) Klug entscheiden-Empfehlungen der DGIM/Endokrinologie:
https://www.klug-entscheiden.com/empfehlungen/endokrinologie
Zum Weiterlesen:
Gollisch KS, Siggelkow, H, Primärer Hyperparathyreoidismus; Dtsch Med Wochenschr 2022; 147: 187–199, doi 10.1055/a-1241-6555
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Internist und Endokrinologe, Bad Reichenhall
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Professor Dr. med. Baptist Gallwitz
Stellv. Direktor, Department Innere Medizin, Abteilung IV, Universitätsklinikum Tübingen
Albrechtstraße 9
10117 Berlin
Deutschland
Nordrhein-Westfalen
E-Mail-Adresse: info@ddg.info
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