Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Keinen Effekt der Immunadsorption bei Long-/Post-COVID
Wenn Long-/Post-COVID, wie u. a. vermutet wird, von einer überschießenden Immunreaktion ausgeht, könnte die Immunadsorption, ein Verfahren, das krankheitsauslösende Antikörper entfernt, eine wirksame Therapie darstellen.
Eine Fallserie [1] aus Jena zeigte keinen Effekt.
Allerdings handelte es sich dabei nicht um eine beweisbringende Studie, wie sie derzeit an mehreren Universitätsstandorten durchgeführt werden.
Solange die Ergebnisse dieser Erhebungen nicht vorliegen, gibt es keinen Wirkungsnachweis für das Verfahren.
Die DGfN bekräftigt daher ihre Empfehlung aus dem Vorjahr, Immunadsorptionsbehandlungen nicht außerhalb von klinischen Studien durchführen zu lassen.
- Die Immunadsorption gehört zu den Blutreinigungsverfahren, die in der Regel von Nephrologinnen und Nephrologen durchgeführt werden.
- Bei dieser Therapie werden Antikörper bzw. Autoantikörper aus dem Blut entfernt, die in Verdacht stehen, Krankheiten bzw. Krankheitssymptome zu verursachen.
Die Ursache des Long-/Post-COVID-Syndroms, das sich häufig durch eine
Erschöpfung (sog. Fatigue) äußert und die Lebensquaität der Betroffenen
stark einschränkt, ist nach wie vor nicht bekannt. Vermutet wird neben
chronischen Entzündungsgeschehen im Körper auch eine Bildung von
Antikörpern gegen G-Protein-gekoppelte Neurotransmitterrezeptoren als
Erklärung der rätselhaften Krankheit. Rationale verschiedener Studien
ist daher, die Wirksamkeit der Immunadsorption bei Long-/Post-COVID zu
testen. Derzeit laufen an verschiedenen Kliniken (z.B.
Universitätsmedizin Mainz) randomisierte Studien mit einem
Vergleichsarm, bei dem auch ein „Scheinverfahren“ durchgeführt wird.
„Diese sog. verblindeten und randomisierten Studien sind außerordentlich
wichtig, da nur sie beweisbringend sind. Denn nur bei diesem
Studiendesign kann kein ‚Placeboeffekt‘ zum Tragen kommen, der das
Ergebnis verfälscht“, erklärt Prof. Dr. Julia Weinmann-Menke,
Pressesprecherin der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie (DGfN).
„Das
Problem: Die Durchführung solcher Studien dauert lange, erste
Ergebnisse werden wir nicht vor Ende des Jahres haben.“
- Solange rät die DGfN – wie auch verschiedene andere medizinische Fachgesellschaften – Betroffenen davon ab, außerhalb von klinischen Studien Immunadsorptionsverfahren durchführen zu lassen, die sie dann in der Regel aus eigener Tasche bezahlen müssen.
- „Derzeit gibt es keinen Beleg für die Wirksamkeit des Verfahrens“, erklärt Weinmann-Menke.
Eine Immunadorption könnte womöglich auch gar nicht helfen.
In der aktuellen Printausgabe des Deutschen Ärzteblatts wurde eine Fallserie von Jenaer Nephrologinnen und Nephrologen veröffentlicht, die bereits Ende März online publiziert worden war [1].
Die Serie zeigte, dass die Therapie mit fünf Immunadsorptionsbehandlungen zwar die Antikörperspiegel reduzierte, aber nicht lange: nach einem Follow-up von vier Wochen lagen diese erneut über dem Referenzwert.
Was besonders
entmutigte: weder unmittelbar nach den Behandlungen noch vier Wochen
später zeigte sich eine eine klinisch relevante Veränderung der
physischen und psychischen Gesundheit der Betroffenen.
„Wir dürfen allerdings nicht vergessen, dass es sich dabei nur um eine
Fallserie handelt, die per se keine Beweiskraft hat.
Hinzu kommt, dass die Behandlung in dieser Serie nur bei zehn Patientinnen und Patienten durchgeführt wurde.
Zudem gibt es auch positive Einzelfallberichte, die Datenlage ist derzet also höchst heterogen.
Daher möchten und können wir
kein abschließendes Urteil über die Wirksamkeit des Verfahrens fällen,
sondern müssen die Ergebnisse der großen randomisierten,
placebokontrollierten Studien abwarten“, so das Fazit der Mainzer
Nephrologin.
[1] Ruhe J, Giszas B, Schlosser M et al. Immunadsorption zur Therapie
des Fatigue-dominanten Long-/Post-COVID-Syndroms. Dtsch Arztebl
International, DOI 10.3238/arztebl.m2023.0073.
Abrufbar unter: https://www.aerzteblatt.de/int/article.asp?id=230547
Dr. Bettina Albers
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Telefon: 03643 / 776423Originalpublikation:
DOI 10.3238/arztebl.m2023.0073
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