Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Wenn nichts mehr geht beim Dialyse-Shunt
- Versagen die Nieren, steht die Dialyse als Langzeittherapie zur Verfügung.
Allerdings nur, solange mittels eines sogenannten Shunts ein ungehinderter Zugang zum Blutsystem möglich ist.
Am Universitätsklinikum Regensburg (UKR) wurde nun erstmalig ein Verfahren durchgeführt, um auch bei komplettem Verschluss der herznahen Venen einen Zugang zum Herzen offenzuhalten und damit in einer ansonsten fast alternativlosen Situation wieder einen funktionstüchtigen Dialyse-Shunt anlegen zu können.
Der Surfacer ermöglicht Brigitte Geiger einen neuen Shunt. Martin Meyer © UKR/Martin Meyer
Was aussieht wie eine überdimensionale Stricknadel, war für Brigitte Geiger so ziemlich die letzte Option.
Die Rede ist vom sogenannten Surfacer®.
Ein System, das den Zugang zu verschlossenen Gefäßen
ermöglicht. Vor neun Jahren hatte Brigitte Geiger einen Infekt, der sich
auf die Nieren niedergeschlagen hat. In der Folge versagen ihre Nieren,
sie wird dialysepflichtig. Seitdem erhält die heute 66-Jährige drei Mal
pro Woche für jeweils mindestens vier Stunden eine Blutwäsche. Die
Dialyse bringt aber, auch wenn sie lebensrettend ist, ein gewisses
Risiko mit sich. Denn die Prozedur ist nicht nur sehr strapaziös, sie
hinterlässt auch körperliche Spuren. Für die Dialyse ist ein ständiger
Zugang zu den Blutgefäßen nötig, man spricht dabei von einem Shunt.
Dieser kann sich mit der Zeit verschließen oder andere Komplikationen
verursachen, die ihn unbrauchbar werden lassen. Was dann? Die Anlage
alternativer Shunts im Arm- und Beinbereich ist nicht unbegrenzt
möglich. Wenn noch Gefäßverschlüsse der zentralen Venen hinzukommen,
wird es zum Teil sogar unmöglich, einen neuen Shunt anzulegen. „Genau
dieses Bild hat sich bei Frau Geiger gezeigt. Aufgrund mehrerer
Gefäßverschlüsse, insbesondere in den zentralen Venen, war ihr Shunt
nicht mehr punktierbar und eine Neuanlage am Arm nicht möglich. Deswegen
haben wir uns dazu entschieden, erstmalig den Surfacer® einzusetzen“,
so Professor Dr. Karin Pfister, Leiterin der Abteilung für
Gefäßchirurgie des UKR.
Das ca. 50 cm lange System wird über die Leiste in den Körper
eingebracht. Dessen Lage wird dabei ständig durch Röntgentechnik
überprüft. „Das Einbringen des Surfacer® ist sehr herausfordernd, da
verschlossene Gefäße aufgrund des fehlenden Blutflusses in der
Bildgebung nicht sichtbar werden. Man sticht hier sozusagen blind. Der
Eingriff erfordert daher ein hohes Maß an Erfahrung sowie ein
professionelles Team aus Gefäßchirurgen, Herzchirurgen und
Anästhesisten“, erläutert Professor Pfister. Der Surfacer® eröffnet
durch die Leistenvene den Weg zum Vorhof des Herzens. Um, wie bei Frau
Geiger, bei verschlossenen, zentralen Venen einen Zugang zum Herzen zu
schaffen und dauerhaft offenhalten, tritt der Surfacer® am Hals, direkt
neben der Halsschlagader, aus der Haut.
Durch diese neu geschaffene
Öffnung ist es möglich, eine Gefäßprothese, in diesem Fall den
sogenannten HeRO®-Graft (Hemodialysis Reliable Outflow), einzubringen.
„Die Prothese überbrückt als künstliches Blutgefäß die verschlossenen
Gefäße und ermöglicht eine Verbindung zwischen dem arteriovenösen Shunt
am Arm und dem rechten Vorhof des Herzens. Durch dieses neu geschaffene
Verbindungsstück, das den Shunt-Abfluss offenhält, war es möglich, einen
neuen Shunt am Oberarm zu legen“, erklärt PD Dr. Thomas Betz, Leitender
Oberarzt der Abteilung für Gefäßchirurgie des UKR.
Ein Ausweg in einer alternativlosen Situation
Die einzige Alternative, die Brigitte Geiger ansonsten gehabt hätte,
wäre eine Shunt-Anlage im Oberschenkel gewesen.
„Dies ist aber für die Patienten meist sehr unangenehm, und aufgrund der speziellen Lage ist die Stelle auch besonders anfällig für Infektionen.
Entsprechend ist ein Dialyse-Shunt am Oberschenkel meist keine Langzeitlösung“, beschreibt PD Dr. Wilma Schierling, Oberärztin der Abteilung für Gefäßchirurgie des UKR und Shunt-Verantwortliche, die Möglichkeiten.
Für einen Dialyse-Shunt wird eine Verbindung zwischen einer Arterie und einer Vene geschaffen.
- Die Vene dehnt sich durch den Druck der Schlagader auf, so dass sich ihre Wand verdickt und für den Zugang zur Blutwäsche leicht gestochen werden kann.
- Die dauerhafte Punktion sowie die für den menschlichen Körper ungewöhnliche Verbindung zwischen dem arteriellen und venösen System birgt aber auf Dauer das Risiko für Infektionen, Thrombosen, Engstellen oder auch Erweiterungen des Gefäßsystems.
- Folgen sind neben einer Verschlechterung der Dialysequalität, eine Minderdurchblutung, eine Belastung des Herzens, Blutungen, Entzündungen und schließlich der komplette Verschluss des Dialyse-Shunts.
Was bei Brigitte Geiger eingetreten ist, ist eine gefürchtete Komplikation der Langzeitdialyse:
Die Verengung bzw. der Verschluss der zentralen Venen.
Dadurch wird der Blutfluss massiv behindert oder auch ganz gestoppt, wodurch reguläre Shunt-Techniken nicht oder nur noch stark erschwert genutzt werden können.
Kann keine Dialyse mehr durchgeführt werden, bleibt als letzte Therapieoption die Nierentransplantation.
Im Fall von Frau Geiger ist dies aber aufgrund ihrer Krankheitssituation nicht möglich.
„Nun steht uns mit dem
Surfacer® eine neue Option zur Verfügung, durch die wir einen Ausweg in
einer ansonsten fast alternativlosen Situation bieten können“, resümiert
Professor Pfister. Brigitte Geiger ergänzt: „Ich bin sehr froh und
dankbar, dass mir diese Behandlungsmethode zur Verfügung stand. Mit geht
es gut, und ich fühle mich in besten Händen.“
Langzeitdialyse stellt eine wichtige Therapieoption dar
Derzeit werden in Deutschland etwa 100.000 Patienten mit chronischer
Niereninsuffizienz mit einem Dialyseverfahren behandelt.
- Knappe 7.000 Patienten sind auf der Warteliste von Eurotransplant für eine Nierentransplantation registriert, aber nur etwa 2.000 Transplantationen werden aufgrund postmortaler oder Lebendspenden pro Jahr durchgeführt.
„Diese Zahlen machen die Bedeutung der Langzeitdialyse deutlich“, betont Professor Dr. Bernhard Banas, Leiter der Abteilung für Nephrologie des UKR.
„Um diese in dauerhaft guter Qualität anbieten zu können, braucht es die enge Zusammenarbeit interdisziplinärer Spezialisten.“ Am Universitätsklinikum Regensburg arbeiten hierfür die Abteilung für Nephrologie, die Abteilung für Gefäßchirurgie und das Institut für Röntgendiagnostik eng zusammen.
Treten Probleme beim Dialyse-Shunt auf, werden diese in regelmäßigen Shunt-Konferenzen im Sinne der besten Optionen für den einzelnen Patienten besprochen.
Professor Dr. Karin Pfister
Leiterin der Abteilung für Gefäßchirurgie
T: 0941 944-6911
Gefaess.chirurgie@ukr.de
www.ukr.de/gefaesschirurgie
Franz-Josef-Strauß-Allee 11
93053 Regensburg
Deutschland
Bayern
Dr. Isolde Schäfer
Telefon: 0941 944-4210
E-Mail-Adresse: isolde.schaefer@ukr.de
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