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Professor Johannes Keller: Emotionalen Tränen und basale Tränen und Reflextränen

Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Was bringt uns zum Weinen? 

Fünf Gründe für emotionale Tränen identifiziert

Der Mensch ist wohl das einzige Lebewesen, das aufgrund von Gefühlen weinen kann. 

In einer Studie haben Psychologinnen und Psychologen unter anderem von der Universität Ulm untersucht, warum dies so ist. 

Die Forschenden konnten thematische Auslöser identifizieren, die uns zu Tränen rühren. 

Dazu gehören beispielsweise Einsamkeit oder Überforderung.

Weshalb weinen Menschen aus Freude oder Angst? 

Psychologinnen und Psychologen der Universitäten Ulm und Sussex haben in mehreren Studien untersucht, warum wir in bestimmten Situationen weinen. Anhand von insgesamt über eintausend Berichten erwachsener Personen konnten die Forschenden eine Reihe thematischer Auslöser identifizieren, die häufig mit emotionalen Tränen assoziiert sind. 

Dazu zählen die Kategorien Einsamkeit, Machtlosigkeit, Überforderung, Harmonie und Medienkonsum. Erschienen ist die Arbeit zu den fünf Gründen des Weinens im Journal „Motivation and Emotion“.

  • Der Mensch ist wahrscheinlich das einzige Lebewesen, das in der Lage ist, emotionale Tränen zu vergießen, das heißt aufgrund von Gefühlen zu weinen. 
  • Dazu zählen Freudentränen oder Tränen aus Trauer, Angst oder Wut. 

Neben den untersuchten emotionalen Tränen existieren auch basale Tränen, die das Auge stets feucht halten und schützen. 

Die dritte Art sind Reflextränen, die beispielsweise bei Kälte, Wind oder beim Zwiebelschneiden auftreten. 

Laut einer neuen Untersuchung von Forschenden der Universität Ulm und der University of Sussex in Brighton, Großbritannien, lassen sich die meisten Episoden, in denen Erwachsene aus emotionalen Gründen weinen, zuverlässig einer von fünf Kategorien zuordnen. 

Dazu zählen Einsamkeit, Machtlosigkeit, Überforderung, Harmonie und Medienkonsum.

Der Einteilung in diese Kategorien liegt die Überlegung zugrunde, dass emotionale Tränen immer dann auftreten, wenn psychologische Grundbedürfnisse entweder verletzt oder sehr intensiv befriedigt werden. „Ähnlich wie bei biologischen Grundbedürfnissen, wie Schlaf oder Essen, geht man davon aus, dass die Frustration oder die Befriedigung dieser psychologischen Faktoren unser subjektives Wohlbefinden beeinflussen“, erklärt Erstautor Michael Barthelmäs, inzwischen Postdoc in der Abteilung Sozialpsychologie der Universität Ulm.

Als zentrale psychologische Grundbedürfnisse haben sich in der Forschung die Bedürfnisse nach „Nähe“ (sich verbunden fühlen), „Autonomie“ (Dinge beeinflussen können) und „Kompetenz“ (etwas erfolgreich ausführen können) etabliert. Wie erwartet, zeichnete sich in der Studie „Einsamkeit“ insbesondere durch eine erlebte Frustration des Bedürfnisses nach Nähe aus. Dieser Kategorie wurden Tränen aus Liebeskummer oder aufgrund von Heimweh zugeordnet. Tränen der Kategorie „Harmonie“ waren hingegen durch eine intensive Befriedigung des Bedürfnisses nach Nähe gekennzeichnet und traten beispielsweise als Freudentränen bei einer Hochzeitsfeier auf. Ein Beispiel für „Machtlosigkeit“ waren Tränen in Reaktion auf eine Todesnachricht (Frustration von Autonomie); Tränen der „Überforderung“ wurden häufig im Arbeitskontext berichtet (Frustration von Kompetenz).

Jede vierte beobachtete Episode fiel in die Kategorie „Medienkonsum“, die mehrere Besonderheiten aufweist. Im Vergleich zu den anderen Kategorien ist die weinende Person dabei nur indirekt betroffen und die Tränen treten „stellvertretend“ auf. Der Auslöser ist ein Erlebnis, das der Hauptfigur eines Buches oder Filmes widerfährt, in die sich die Person hineinversetzt. Zudem kann man Tränen bei einem Drama, aber eben auch bei einer Komödie vergießen, in dieser Kategorie können also Freudentränen und Tränen der Traurigkeit fließen.

Insgesamt führten die Forschende drei Studien durch, in denen neben Personen aus der Allgemeinbevölkerung auch Studierende befragt wurden. Der Altersdurchschnitt lag bei 30,3 Jahren; Der Anteil weiblicher Versuchspersonen betrug 64 Prozent. In zwei Studien wurden die Versuchsteilnehmenden in Online-Umfragen gebeten, im Rückblick Auskunft über die letzte Episode zu geben, in der sie emotionale Tränen vergossen hatten. In einer dritten Studie wurden die Teilnehmenden im Rahmen einer 30-tägigen elektronischen Tagebuchstudie einmal täglich via Smartphone zu ihrem Befinden sowie zum Weinen befragt. Es zeichnete sich der Trend ab, dass jüngere Personen im Vergleich zu älteren häufiger aufgrund von Überforderung weinten. Zudem wurden in der Tagebuchstudie weniger Episoden der Machtlosigkeit berichtet, als in den beiden retrospektiven Studien. Es könnte also sein, dass eine Todesnachricht eher mit Weinen verknüpft wird als andere Kategorien. Somit erinnern sich die Studienteilnehmer besser daran und berichten davon häufiger.

Die neuen Untersuchungen der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universitäten Ulm und Sussex schließen eine Lücke in der Erforschung von emotionalen Tränen. Die Einteilung bildet einen wichtigen Grundstein in der weiteren Erforschung des Phänomens emotionale Tränen. „Bislang weiß man relativ wenig darüber, welche Rolle emotionale Tränen bei psychischen Erkrankungen spielen. Außerdem fehlen systematische Erkenntnisse darüber, wie Tränen soziale Interaktionen regulieren. Das heißt, welchen Einfluss Tränen zum Beispiel darauf haben, ob ein Mensch einen anderen unterstützt“, so Professor Johannes Keller, Leiter der Abteilung Sozialpsychologie der Uni Ulm, an der die Studie entstanden ist. Die Identifikation der fünf häufigsten Gründe des Weinens kann dabei helfen, diese Fragen in Zukunft zu beantworten.

Michael Barthelmäs, Erstautor der Studie zu den fünf Gründen des Weinens

 Michael Barthelmäs, Erstautor der Studie zu den fünf Gründen des Weinens Foto: Eugen Bauer

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Michael Barthelmäs, Abteilung Sozialpsychologie Universität Ulm

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E-Mail-Adresse: daniela.stang@uni-ulm.de
Originalpublikation:

Barthelmäs, M., Kesberg, R., Hermann, A. et al. Five reasons to cry—FRC: a taxonomy for common antecedents of emotional crying. Motiv Emot (2022)
https://doi.org/10.1007/s11031-022-09938-1


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