Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Rheuma-Medikament kann Impfschutz gegen Omikron mindern
TNF-alpha-Blocker können bei chronischen Entzündungskrankheiten helfen - aber auch den Corona-Impferfolg beeinflussen.
Forschende der Rheumatologie und Infektiologie am Campus Kiel zeigen, dass selbst eine dritte Impfung Patientinnen und Patienten, die diese Therapie erhalten, nicht ausreichend vor Omikron-Virusvarianten schützt.
Ein Forschungsteam der Rheumatologie und Infektiologie am Campus Kiel hat die Wirkung von Corona-Impfstoffen bei Menschen mit chronischen Entzündungskrankheiten untersucht, die mit TNF-alpha-Blockern behandelt werden.
- Diese Wirkstoffe unterdrücken das Immunsystem und können so Krankheitsschübe zum Beispiel bei Morbus Crohn, Schuppenflechte (Psoriasis) oder rheumatoider Arthritis verhindern –aber auch den Impferfolg beeinflussen.
Die Forschenden zeigten, dass die Langzeitwirkung von Corona-Impfstoffen bei diesen Patientinnen und Patienten deutlich vermindert ist und dass selbst eine dritte Impfung sie nicht ausreichend vor Omikron-Virusvarianten schützt.
Zur
Forschungsgruppe gehören Expertinnen und Experten des
Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH), Campus Kiel, der
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) und des Exzellenzclusters
„Precision Medicine in Chronic Inflammation“. Die Studie wurde im
Journal of Medical Virology publiziert.
Bereits in früheren Studien zu den Auswirkungen der TNF-Blocker auf die
Corona-Impfung wurde beobachtet, dass nach einer zunächst weitgehend
normalen Immunantwort auf mRNA-Impfstoffe der Spiegel an
neutralisierenden Antikörpern rascher absinkt als bei Menschen, die mit
anderen antirheumatischen Wirkstoffen behandelt werden und bei gesunden
Vergleichspersonen. Nun wurden erneut zehn Patientinnen und Patienten
mit immunsuppressiver Therapie vor und nach der zweiten und dritten
Impfung untersucht und mit 36 Kontrollpersonen verglichen. Schwerpunkt
der aktuellen Studie waren mögliche Veränderungen des Impfschutzes gegen
die kursierenden Omikron-Virusvarianten.
Die Ergebnisse zeigten, dass sechs Monate nach der Impfung
neutralisierende Antikörper nicht ausreichend auf Corona-Viren – und
insbesondere nicht auf Omikron-Varianten – ansprechen. „Auch bei
gesunden Menschen ist der Schutz gegen Omikron sechs Monate nach der
zweiten Impfung herabgesetzt. Eine dritte Impfung verbessert den Schutz
aber wieder deutlich. Patientinnen und Patienten unter
TNF-alpha-Blocker-Therapie schützt jedoch selbst diese dritte Impfung
nicht ausreichend“, sagt Prof. Dr. Bimba F. Hoyer, Leiterin des
Exzellenzzentrums Entzündungsmedizin und der Sektion für Rheumatologie
der Klinik für Innere Medizin I des UKSH, Campus Kiel, Professorin der
CAU und federführende Autorin der Studie.
Das Forschungsteam wies außerdem nach, dass die Fähigkeit der Antikörper
abnimmt, an Viruspartikel zu binden und so zu verhindern, dass Zellen
infiziert werden. „Mit diesem Ergebnis hatten wir nicht gerechnet, da
Anti-TNF-alpha-Patienten 14 Tage nach der zweiten Impfung ähnlich hohe
Werte aufwiesen wie die Vergleichsgruppen. Auch nimmt die Bindungsstärke
der gegen SARS-CoV-2 gerichteten Antikörper in den Monaten nach der
Impfung in der Regel zu“, sagt Prof. Hoyer. Unterschiede fanden die
Forschenden außerdem in der T-Zell-Immunantwort der Patientinnen und
Patienten, die mit den TNF-Blockern behandelt wurden, im Vergleich zu
Gesunden. Deutlicher ausgeprägt war der Unterschied allerdings bei der
verminderten Antwort der B-Zellen, die für die Bildung von Antikörpern
zuständig sind.
Angesicht der Ergebnisse sei es wichtig, Menschen, die mit
TNF-alpha-Blockern behandelt werden, besonders vor einer
Corona-Infektion zu schützen, so die Forschenden. Infizieren sich die
Patientinnen und Patienten dennoch, benötigen sie möglicherweise eine
genaue Überwachung und frühzeitige Verabreichung von monoklonalen
Antikörpern oder antiviralen Medikamenten. Empfohlen wird darüber hinaus
die Verwendung eines Impfstoffs, der an die aktuelle Virusvariante
angepasst ist, sobald er verfügbar ist.
Die Studie entstand in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftlern der Technischen Universität Braunschweig, der
Endokrinologikum-Gruppe Berlin und mit dem Labor Dr. Krause und Kollegen
MVZ GmbH in Kiel.
Prof. Dr. Bimba F. Hoyer UKSH
Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel
Klinik für Innere Medizin I, Sektion für Rheumatologie, Prof. Dr. Bimba F. Hoyer,
Tel.: 0431 500-22203, bimba.hoyer@uksh.de
Oliver Grieve Universitätsklinikum Schleswig-Holstein
Ratzeburger Allee 160
23538 Lübeck
Deutschland
Schleswig-Holstein
Telefon: 0431 500-10700
Fax: 0431 500-10704
E-Mail-Adresse: oliver.grieve@uksh.de
Originalpublikation:
Geisen, U.M., Rose, R., Neumann,
F., Ciripoi, M., Vullriede, L., Reid, H.M., Berner, D.K., Bertoglio,
F., Hoff, P., Hust, M., Longardt, A.C., Lorentz, T., Martini, G.R.,
Saggau, C., Schirmer, J.H., Schubert, M., Sümbül, M., Tran, F., Voß, M.,
Zeuner, R., Morrison, P.J., Bacher, P., Fickenscher, H., Gerdes, S.,
Peipp, M., Schreiber, S., Krumbholz, A. and Hoyer, B.F. (2022), The long
term vaccine-induced anti-SARS-CoV-2 immune response is impaired in
quantity and quality under TNFα blockade. J Med Virol. Accepted Author
Manuscript.
https://doi.org/10.1002/jmv.28063
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