Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Der reine Anblick einer Mahlzeit löst im Hirn eine Entzündungsreaktion aus
- Noch bevor Kohlenhydrate im Blut auftauchen, führt der reine Anblick und Geruch einer Mahlzeit schon zur Freisetzung von Insulin.
- Forschende der Universität Basel und des Universitätsspitals Basel konnten erstmals zeigen, dass hierbei eine kurzzeitige Entzündungsreaktion auftritt, die nötig ist, um das Insulin freizusetzen.
- Bei Übergewichtigen dagegen fällt die Entzündungsreaktion so heftig aus, dass sie die Insulinausschüttung beeinträchtigt.
Schon die Erwartung einer bevorstehenden Mahlzeit löst im Körper eine Reihe von Reaktionen aus.
Am bekanntesten ist wohl, dass einem «das Wasser im Munde zusammenläuft».
Aber auch das blutzuckerregulierende Hormon Insulin tritt bereits auf den Plan, bevor der erste Bissen zwischen unseren Zähnen gelandet ist.
Fachkreise reden hierbei von der
neuronal vermittelten (oder cephalischen) Phase der Insulinfreisetzung.
Mahlzeit regt Immunabwehr an
- Unklar war bisher jedoch, wie aus der sinnlichen Wahrnehmung einer Mahlzeit das Signal an die Bauchspeicheldrüse entsteht, die Insulinproduktion hochzufahren.
Forschende der Universität Basel und des Universitätsspitals Basel haben nun ein wichtiges Puzzlestück dieses Systems gefunden:
Einen Entzündungsfaktor namens Interleukin-1 beta (IL-1 beta), der auch bei der Abwehrreaktion von Krankheitserregern oder bei Gewebeschäden beteiligt ist.
Davon berichtet das Forschungsteam im
Fachblatt «Cell Metabolism».
«Dass dieser Entzündungsfaktor bei Gesunden für einen erheblichen Anteil
einer normal funktionierenden Insulinausschüttung verantwortlich ist,
ist deshalb überraschend, weil er auch in die Entstehung von
Typ-2-Diabetes involviert ist», erklärt Studienleiter Prof. Dr. Marc
Donath vom Departement Biomedizin und der Klinik für Endokrinologie.
- Dieser im Volksmund auch «Alterszucker» genannte Zuckerkrankheit liegt eine chronische Entzündung zugrunde, die unter anderem die insulinproduzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse schädigt.
- Auch hierbei spielt IL-1 beta eine zentrale Rolle, das in diesem Fall übermässig produziert und ausgeschüttet wird.
- Deshalb prüfen derzeit klinischen Studien, ob sich Hemmstoffe gegen diesen Entzündungsfaktor als Therapie bei Diabetes eignen.
Kurzfristige Entzündungsreaktion
Anders sieht es im Falle der neuronal vermittelten Insulinsekretion aus:
- «Geruch und Anblick einer Mahlzeit regen bestimmte Immunzellen im Hirn an, die sogenannten Mikroglia», sagt Studienautorin Dr. Sophia Wiedemann, Assistenzärztin für Innere Medizin.
- «Diese schütten kurzfristig IL-1 beta aus, was wiederum über den Vagusnerv das vegetative Nervensystem anspricht.»
Über dieses gelange das Signal dann
an den Ort der Insulinausschüttung, die Bauchspeicheldrüse.
Bei starkem Übergewicht ist diese neuronal vermittelte Phase der Insulinausschüttung jedoch gestört.
Grund dafür sei das Überschiessen
der Entzündungsreaktion, die an ihrem Anfang stehe, erklärt Doktorandin
Kelly Trimigliozzi, die zusammen mit Wiedemann den Hauptteil der Studie
durchgeführt hat.
«Unsere Ergebnisse weisen darauf hin, dass IL-1 beta eine wichtige Rolle
spielt, um sensorische Informationen wie Anblick und Geruch einer
Mahlzeit mit der anschliessenden neuronal vermittelten Insulinsekretion
zu verknüpfen und diese Verbindung zu regulieren», fasst Marc Donath
zusammen.
Dr. Angelika Jacobs Universität Basel
Petersgraben 35
Basel
Postfach
4001 Basel
Schweiz
Basel-Stadt
Prof. Dr. Marc Donath, Universität Basel, Departement Biomedizin, Universitätsspital Basel, Klinik für Endokrinologie, Tel. +41 61 265 50 78, E-Mail: marc.donath@usb.ch
Originalpublikation:
Sophia J Wiedemann, Kelly
Trimigliozzi, Erez Dror, Daniel T Meier, Jose Alberto Molina-Tijeras,
Leila Rachid, Christelle Le Foll, Christophe Magnan, Friederike Schulze,
Marc Stawiski, Stéphanie P Häuselmann, Hélène Méreau, Marianne
Böni-Schnetzler & Marc Y Donath
The cephalic phase of insulin release is modulated by IL-1β
Cell Metabolism (2022), https://doi.org/10.1016/j.cmet.2022.06.001
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