Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Kontakt mit Antibiotika bei Kaiserschnittgeburt kann die Gesundheit Neugeborener nachhaltig beeinflussen
Tierversuche weisen darauf hin, dass vorgeburtlicher Kontakt mit Antibiotika zu Veränderungen in der Darmflora und langfristig zu Gesundheitsproblemen in Nachkommen führen kann.
Eine im Rahmen des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) durchgeführte Studie hat die Auswirkung des Zeitpunkts antimikrobieller Infektions-Prophylaxe der Mütter bei Kaiserschnittentbindungen – vor versus nach Abklemmen der Nabelschnur – auf die Entwicklung der Darmflora in Neugeborenen untersucht.
Langanhaltende Unterschiede in der Darmflora von Säuglingen, die vor der Geburt mit Antibiotika in Kontakt kamen, weisen darauf hin, dass früher Kontakt die Gesundheit der Kinder nachhaltig beeinflussen kann.
Neugeborenes Baby Unsplash
Weltweit nimmt die Zahl der Geburten durch Kaiserschnitt zu; alleine in Deutschland wurden im Jahr 2019 31 Prozent aller Babys durch Kaiserschnitt entbunden. Um Komplikationen mit Infektionen in den Müttern zu vermeiden, ist in den Geburtskliniken eine antimikrobielle Prophylaxe bei der Operation Standard.
- Internationale Leitlinien empfehlen die Gabe der antimikrobiellen Prophylaxe 30 bis 120 Minuten vor dem Eingriff, was zur Folge hat, dass die Neugeborenen noch im Mutterleib mit Antibiotika in Kontakt kommen.
Tierstudien haben gezeigt, dass der Kontakt mit Antibiotika vor oder
während der Geburt einen deutlichen Einfluss auf die Zusammensetzung des
Darm-Mikrobioms – die Gesamtheit der Mikroorganismen im Darm – mit
potentiellen langfristigen Konsequenzen in den Nachkommen hat; dazu
gehören ein erhöhtes Risiko für Kindheitsasthma, Allergien und
Fettleibigkeit.
In einer im Rahmen des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF)
durchgeführten Studie hat ein Forschungsteam aus Lübeck, Kiel und
Würzburg nun untersucht, inwiefern der Zeitpunkt der Antibiotika-Gabe
bei Kaiserschnitt-Entbindung – vor dem Öffnen der Bauchdecke oder nach
Abklemmen der Nabelschnur – die mikrobielle Besiedlung des Darms von
Neugeborenen sowie die Entwicklung antimikrobieller Resistenzen
beeinflusst.
Dazu verglichen sie die Zusammensetzung der mikrobiellen Flora in Stuhlproben (Mekonium sowie im Alter von einem Monat und einem Jahr entnommene Proben) von Säuglingen, deren Mütter entweder direkt vor der Kaiserschnitt-Operation oder erst nach Abklemmen der Nabelschnur Antibiotika erhalten hatten.
Mittels Gensequenzierung bestimmten die
Wissenschaftler:innen die mikrobielle Zusammensetzung der verschiedenen
Stuhlproben und entwickelten Vorhersagemodelle für die sich daraus
ergebenden metabolischen Unterschiede der Darmfloren.
„Unsere Studie zeigt, dass der Zeitpunkt der prophylaktischen
Antibiotika-Gabe die Entwicklung der Darmflora – insbesondere das
Vorherrschen bestimmter Bakteriengattungen und Stoffwechselwege – in
Kindern im ersten Lebensjahr signifikant beeinflussen kann,“ erklärt
Studienleiter Prof. Christoph Härtel.
Darüber hinaus entdeckten die Forschenden, dass Gene für
Antibiotikaresistenzen bereits in den ersten Lebenstagen erworben
wurden.
Im Rahmen der Studie, die als Pilotstudie mit einer geringen
Anzahl von insgesamt 40 Probanden durchgeführt wurde, konnte allerdings
kein deutlicher Zusammenhang des Vorhandenseins von Resistenzgenen mit
vorgeburtlichem Kontakt mit Antibiotika festgestellt werden.
„Das Vorhandensein von Resistenzgenen schon in den ersten Lebenstagen
ist ein Warnsignal und weist darauf hin, dass ein früher Kontakt mit
Antibiotika soweit als möglich vermieden werden sollte, um später
notwendige antimikrobielle Therapien nicht durch bereits vorhandene
Resistenzen zu gefährden,“ betont Co-Studienleiter Prof. Jan Rupp,
DZIF-Wissenschaftler und Direktor der Klinik für Infektiologie und
Mikrobiologie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein/Universität zu
Lübeck.
Jan.Rupp[at]uksh.de
Dr. Nicola Wittekindt Deutsches Zentrum für Infektionsforschung
Inhoffenstraße 7
38124 Braunschweig
Deutschland
Niedersachsen
E-Mail-Adresse: nicola.wittekindt@dzif.de
Originalpublikation:
Verena Bossung, Mariia Lupatsii, Lkhagvademberel Dashdorj, Oronzo Tassiello, Sinje Jonassen, Julia Pagel, Martin Demmert, Ellinor Anna Wolf, Achim Rody, Silvio Waschina, Simon Graspeuntner, Jan Rupp, Christoph Härtel: Timing of antimicrobial prophylaxis for cesarean section is critical for gut microbiome development in term born infants, Gut Microbes, 2022, https://doi.org/10.1080/19490976.2022.2038855
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