Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Antigentests: Wären Selbstabstriche zuverlässig?
Unter bestimmten Bedingungen kann für einen Antigen-Schnelltest ein Selbstabstrich aus der vorderen Nase eine verlässliche Alternative zu einem professionellen Abstrich aus dem Nasen-Rachen-Raum sein.
Das konnte ein Forschungsteam der Charité – Universitätsmedizin Berlin und des Universitätsklinikums Heidelberg jetzt zeigen.
Die Ergebnisse der Studie sind im Fachmagazin European Respiratory Journal* erschienen.
Antigen-Schnelltests sind zwar weniger genau als PCR-Tests, können
aber durch ihre Schnelligkeit und einfache Durchführung einen wichtigen
ergänzenden Beitrag zur Eindämmung der Pandemie leisten und den Alltag
in bestimmten Situationen risikoärmer gestalten.
Antigen-Schnelltests können innerhalb von weniger als 30 Minuten direkt vor Ort Aufschluss darüber geben, ob eine Person zum Testzeitpunkt mit SARS-CoV-2 infiziert ist und andere Menschen anstecken könnte.
Die Tests könnten so beispielsweise den Besuch eines Familienmitglieds im Pflegeheim oder Krankenhaus sicherer machen.
Dennoch werden sie bisher noch nicht weitflächig eingesetzt.
- Einer der Gründe: Ihr Einsatz ist in den meisten Fällen bisher nur möglich, wenn die Probe von medizinischem Personal aus dem Nasen-Rachen-Raum entnommen wurde.
„Ein solcher professioneller Nasen-Rachen-Abstrich ist aus zwei Gründen
eine Hürde für den breiten Einsatz von Antigen-Schnelltests“, sagt Prof.
Dr. Frank Mockenhaupt, kommissarischer Direktor des Instituts für
Tropenmedizin und Internationale Gesundheit der Charité. „Erstens ist
ein tiefer Nasenabstrich für viele Menschen unangenehm, sie werden eine
regelmäßige Testung deshalb vielleicht eher meiden. Zweitens bindet der
Abstrich medizinisches Personal, ist organisatorisch aufwendig und
benötigt eine Schutzausrüstung.“ Zusammen mit Privatdozentin Dr. Claudia
Denkinger, Leiterin der Sektion Klinische Tropenmedizin am
Universitätsklinikum Heidelberg, hat Prof. Mockenhaupt deshalb eine
Studie aufgesetzt, um einen Selbstabstrich aus der vorderen Nase unter
medizinischer Anleitung als mögliche Alternative zu einem
professionellen tiefen Nasenabstrich zu prüfen.
Die Untersuchung fand zwischen Ende September und Mitte Oktober in der
Coronavirus-Untersuchungsstelle der Charité statt.
Menschen mit
SARS-CoV-2-typischen Symptomen, die an der Studie teilnehmen wollten,
erhielten vom medizinischen Personal zunächst Instruktionen für den
Selbstabstrich. Danach sollten die Studienteilnehmenden einen Tupfer in 2
bis 3 Zentimeter Tiefe für 15 Sekunden in kreisenden Bewegungen an den
Innenwänden ihrer Nase entlangführen. Anschließend entnahm das Personal
von den Erkrankten einen tiefen Nasenabstrich (nasopharyngeal). Beide
Proben wurden vor Ort auf einen in Deutschland zugelassenen
Antigen-Schnelltest aufgetragen und die Ergebnisse miteinander
verglichen. Zusätzlich nahm das Personal einen kombinierten Abstrich aus
dem Mund- und Nasen-Rachen-Raum, um per PCR eine Referenz-Diagnose auf
SARS-CoV-2-Infektion stellen zu können.
39 der 289 Studienteilnehmer (13,5 Prozent) erwiesen sich auf Basis der
PCR-Testung als infiziert mit SARS-CoV-2. Bei 31 von ihnen (knapp 80
Prozent) schlug auch der Antigen-Schnelltest an, wenn die Probe
professionell tief aus der Nase entnommen wurde. Der Selbstabstrich aus
der vorderen Nase lieferte bei 29 von den Infizierten (rund 74 Prozent)
das korrekte Ergebnis. „Dass Antigen-Schnelltests nicht so sensitiv sind
wie die PCR, hatten wir natürlich erwartet“, sagt Privatdozentin Dr.
Denkinger. „Bei genauerem Hinsehen hatten die Antigentests insbesondere
in den Fällen eine Infektion übersehen, in denen die Patienten nur eine
geringe Viruslast hatten.“
Betrachtete das Forschungsteam dagegen nur
die Erkrankten mit einer hohen Viruslast, schlugen die Antigentests bei
tiefen Nasenabstrichen jedes Mal an, bei den Selbstabstrichen in knapp
96 Prozent der Fälle.
„Die Studie zeigt uns, dass die angeleiteten Selbstabstriche für den
untersuchten Antigentest nicht schlechter als professionelle Abstriche
aus dem Nasen-Rachen-Raum sind“, erklärt Privatdozentin Dr. Denkinger.
„Festere Tupfer, die sich besser für den Abstrich im Nasenvorhof eignen,
könnten die Genauigkeit des Tests noch erhöhen.“ Im November machte der
Bund rechtlich den Weg frei für den erweiterten Einsatz von
Antigen-Schnelltests – sie können nun grundsätzlich auch durch
geschultes Personal an Kitas und Schulen eingesetzt werden**. „Mit den
neuen rechtlichen Möglichkeiten fällt die Abhängigkeit von medizinischem
Personal weg“, sagt Privatdozentin Dr. Denkinger. „Das macht die
Antigen-Schnelltests skalierbarer. Wissenschaftliche Daten zu
Selbstabstrichen wie in dieser Studie dürften den Entscheidungsträgern
helfen, neue Konzepte zu implementieren.“
Prof. Mockenhaupt ergänzt: „Die Schnelltests sind eine wichtige
Ergänzung der angespannten PCR-Testkapazitäten. Allerdings sind
Selbstabstriche und Selbsttestungen nicht unkritisch: Eine fehlerhafte
Durchführung oder ein falsches Ablesen kann eine falsche Sicherheit nach
sich ziehen. Andererseits sollte ein positiver Schnelltest durch eine
PCR bestätigt werden.“ Im nächsten Schritt wird das Forschungsteam
deshalb untersuchen, ob Antigen-Schnelltests auch dann zuverlässige
Ergebnisse liefern, wenn sie von Laien komplett ohne professionelle
Unterstützung durchgeführt werden.
*Lindner AK et al., Head-to-head comparison of SARS-CoV-2
antigen-detecting rapid test with self-collected anterior nasal swab
versus professional-collected nasopharyngeal swab. Eur Respir J 2020.
doi: 10.1183/13993003.03961-2020
** Mit dem Dritten Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer
epidemischen Lage von nationaler Tragweite hat der Gesetzgeber im
November geregelt, dass der Arztvorbehalt für Schnelltests entfällt und
diese Tests grundsätzlich durch entsprechend geschultes Personal
angewendet werden können. Die neue Verordnung zur Änderung der
Medizinprodukte-Abgabeverordnung regelt ergänzend, dass Schnelltests
auch an Gemeinschaftseinrichtungen wie Schulen und Kitas abgegeben
werden können. Siehe Verordnung zur Änderung der
Medizinprodukte-Abgabeverordnung des Bundesgesundheitsministeriums.
Prof. Dr. Frank Mockenhaupt
Kommissarischer Direktor des Instituts für Tropenmedizin und Internationale Gesundheit
Charité – Universitätsmedizin Berlin
t: +49 30 450 570 400
E-Mail: frank.mockenhaupt@charite.de
Charitéplatz 1
10117 Berlin
Deutschland
Berlin
Manuela Zingl
Telefon: 030 / 450 570 400
Fax: 030 / 450 570 940
E-Mail-Adresse: manuela.zingl@charite.de
Originalpublikation:
https://erj.ersjournals.com/content/early/2020/11/26/13993003.03961-2020
Weitere Informationen für international Medizin am Abend Berlin Beteiligte
https://www.charite.de/klinikum/themen_klinikum/themenschwerpunkt_coronavirus/fa... Hinweise der Charité zur Verlässlichkeit von Antigen-Schnelltests
https://tropeninstitut.charite.de/ Institut für Tropenmedizin und Internationale Gesundheit
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