Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Im Alter gelten andere Regeln
10 Jahre BIS: Erkenntnisse zur Nierenfunktion bei Hochbetagten
Seit zehn Jahren untersuchen Forschende der Charité – Universitätsmedizin Berlin in der Berliner Initiative Studie (BIS), wie sich die Funktion der Nieren im Alter verändert.
Das Resultat sind zwei Formeln, mit der Ärzte die Nierenfunktion bei Älteren heute präziser abschätzen können.
- So lässt sich zum Beispiel eine zu hohe Dosierung von Medikamenten vermeiden.
- Die Studienergebnisse haben außerdem verdeutlicht, dass eine Senkung des Blutdrucks bei bestimmten Hochbetagten sogar das Sterberisiko erhöhen kann.
Dass die Leistungsfähigkeit der Nieren im Alter abnimmt, ist schon lange bekannt.
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Doch welche Nierenfunktion ist bei älteren Personen normal, bei wie vielen von ihnen ist sie eingeschränkt? Und wie rapide schreitet der Funktionsverlust normalerweise fort? Antworten auf diese Fragen sind insbesondere relevant für Menschen, die Medikamente einnehmen:
Wenn die Nieren einen Wirkstoff nicht mehr schnell genug ausscheiden können, droht eine Überdosierung – mit möglicherweise schwerwiegenden Folgen.
Deshalb schätzen Ärzte die Nierenleistung ab, bevor sie die Dosis bestimmter Medikamente festsetzen. Das Problem: Dazu standen ihnen nur Formeln zur Verfügung, die anhand der Daten jüngerer Menschen entwickelt worden waren.
Um das Wissen zur Nierenfunktion im Alter zu erweitern, startete das Team um Prof. Dr. Elke Schäffner, Stellvertretende Direktorin des Instituts für Public Health der Charité, 2009 die Berliner Initiative Studie. Ziel des Forschungsvorhabens war es, mehr als 2.000 Menschen ab 70 Jahren aus Berlin und Brandenburg über mehrere Jahre lang zu begleiten und in regelmäßigen Abständen eingehend zu untersuchen. „Angesichts eines durchschnittlichen Alters der Probanden von 80 Jahren, verbunden mit alterstypischen Begleiterkrankungen und häufig auch Gebrechlichkeit, war das kein leichtes Unterfangen“, betont Prof. Schäffner.
Die Teilnehmenden wurden fünf Mal im Abstand von zwei Jahren zu ihren Gewohnheiten, Erkrankungen und Medikamenten befragt. Zusätzlich wurden ihr Blutdruck und ihre Nierenfunktion gemessen sowie Blut- und Urinproben untersucht. Der Aufwand zahlte sich aus: Die Forschungsgruppe erarbeitete einen bislang einmaligen Datenschatz zum Gesundheitszustand älterer Menschen – und ihrer Lebensgewohnheiten: Ein Fünftel der Studienteilnehmenden gab an, täglich Alkohol zu trinken. Die Hälfte der Befragten hatte in ihrem Leben geraucht oder rauchte noch immer. Je ein Viertel der Personen war übergewichtig, hatte Krebs und/oder Diabetes. Und knapp 80 Prozent der Probanden nahmen blutdrucksenkende Mittel ein. Diese Patienten nahm die Forschungsgruppe für eine Untersuchung zum Einfluss des Blutdrucks auf die Gesamtsterblichkeit besonders in den Fokus.
- Wie sie feststellte, ist es nicht für alle älteren Personen gesünder, wenn ihr Blutdruck auf unter 140/90 mmHg gesenkt wird. Im Gegenteil:
- Bei Menschen, die älter als 80 Jahre sind oder bereits einen Schlaganfall oder einen Herzinfarkt hatten, steigt das Sterberisiko sogar.
Die neuen Daten zur Nierenfunktion, der sogenannten glomerulären Filtrationsrate, zeigten außerdem:
Etwa bei der Hälfte der Probanden arbeiteten die Nieren nur eingeschränkt.
Zusätzlich stellten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fest, dass die bisher genutzten Gleichungen zur Einschätzung der Filtrationsrate die tatsächliche Leistungsfähigkeit der Nieren bei älteren Menschen überschätzen.
- „Das bedeutet, dass Ärzte aufgrund der ungenauen Schätzwerte möglicherweise eine Medikamentendosis festsetzen, die für die Patienten eigentlich zu hoch ist“, erläutert Prof. Schäffner.
Um hier Abhilfe zu schaffen, entwickelte das Team um die Nephrologin und Epidemiologin 2012 eine Berechnungsmethode, mit der die Nierenfunktion bei Menschen ab 70 Jahren präziser als bisher abgeschätzt werden kann: die BIS1- bzw. BIS2-Formel.
„Ärztinnen und Ärzte können beide Formeln heute ganz einfach und kostenfrei über einen Online-Rechner nutzen.
Auch eine Reihe von Laborverbünden hat diese Methode mittlerweile in ihr Portfolio aufgenommen“, sagt Prof. Schäffner.
Die Medizinerin freut sich über die vielen Ergebnisse der Studie:
„Die Berliner Initiative Studie hat dazu beigetragen, dass wir mehr über den Gesundheitszustand älterer Menschen wissen und diese Altersklasse stärker in den Fokus rücken.“ Zusammen mit ihrem Team ist sie derzeit dabei, die Daten weiter zu analysieren, um beispielsweise herauszufinden, wie sich im Alter die Abnahme der Nierenfunktion über die Zeit verhält und wodurch sie beeinflusst wird.
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Prof. Dr. Elke Schäffner
Stellvertretende Direktorin des Instituts für Public Health
Charité – Universitätsmedizin Berlin
t: +49 30 450 553 131
E-Mail: elke.schaeffner@charite.de
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Manuela Zingl
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E-Mail-Adresse: manuela.zingl@charite.de
Originalpublikation:
www.doi.org/10.7326/0003-4819-157-7-201210020-00003Weitere Informationen für international Medizin am Abend Berlin Beteiligte
https://bis.charite.de/ Berliner Initiative Studie (BIS)https://www.charite.de/service/pressemitteilung/artikel/detail/den_blutdruck_zu_... Pressemitteilung zu neuen Erkenntnissen zum Blutdruck im Alter vom 7.3.2019
https://www.charite.de/service/pressemitteilung/artikel/detail/vorsorgestudie_ge... Pressemitteilung zum Start der BIS-Studie vom 17.11.2009
https://iph.charite.de/ Institut für Public Health
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