Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Herzschwäche: Prognose mit Blick in die Augen?
Lässt sich der Verlauf einer Herzinsuffizienz anhand der Pupillengröße und der Reaktion der Pupille auf einen Lichtreiz vorhersagen?
Eine Studie hierzu am Herzzentrum Brandenburg in Bernau unterstützt die Herzstiftung mit rund 68.000 Euro
Mit einem tragbaren Handpupillometer lässt sich direkt am Krankenbett die Reaktion der Pupillen auf einen Lichtreiz messen Immanuel Albertinen Diakonie
Augen sagen mehr als tausend Worte.
- Sie sind nicht nur Spiegel der Seele, sondern lassen bisweilen den Zustand innerer Organe erkennen.
- Einige Krankheiten wie etwa die Alzheimer-Krankheit, Morbus Parkinson, Depressionen, Diabetes, Rheuma, Fettstoffwechselstörungen, Schilddrüsenerkrankungen oder Bluthochdruck lassen sich auch mit einem Blick in die Augen ablesen.
Die Ärzte benutzen dazu ein so genanntes Pupillometer.
- Es sieht aus wie eine kleine Kamera, die einen Lichtblitz aussendet und daraufhin die Größe und die Reaktion der Pupille innerhalb weniger Sekunden misst.
Das Messverfahren nennt man Pupillometrie und
liefert Medizinern Hinweise zu bestimmten Erkrankungen.
Die Prognose einer Herzschwäche in den Augen sehen
Ob sich bei Patienten anhand der Augen auch der Verlauf einer
Herzschwäche (Herzinsuffizienz) vorhersagen lässt, untersucht jetzt ein
Team aus Ärzten und Forschern am Immanuel Klinikum Bernau Herzzentrum
Brandenburg, Universitätsklinikum der Medizinischen Hochschule
Brandenburg, in einer umfassenden Studie. Die Forschungsarbeit mit dem
Titel „Die Pupillometrie zur Vorhersage von patientenrelevanten
Endpunkten bei Patienten mit akuter Herzinsuffizienz (PURE)” wird von
der Deutschen Herzstiftung mit 68.120 Euro gefördert.
„Die
Herzinsuffizienz kann einen dramatischen Verlauf bis hin zur
notfallmäßigen Klinikeinweisung nehmen. Gefragt sind deshalb innovative
diagnostische Verfahren, die frühe Anzeichen einer solchen Entgleisung
der Herzschwäche erkennen lassen. Für neue Erkenntnisse auf diesem
Gebiet fördern wir deshalb die Studie am Herzzentrum Brandenburg“,
betont der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Herzstiftung, Prof. Dr.
Thomas Voigtländer.
Mithilfe einer Augenmessung Leben retten
Herzinsuffizienz ist weltweit eine der häufigsten Todesursachen. In
Deutschland leiden rund vier Millionen Menschen an Herzschwäche. Das
Problem: „Bislang lässt sich schlecht vorhersagen, wie der Verlauf einer
Herzinsuffizienz ist. Manche Patienten sind unter der medikamentösen
Therapie lange stabil, andere jedoch erleiden nach kurzer Zeit einen
schweren Rückfall“, sagt Dr. Tanja Kücken, Oberärztin
Funktionsdiagnostik/Ultraschall im Herzzentrum Brandenburg in Bernau und
Studienleiterin. Fast eine halbe Million Menschen hierzulande muss
jährlich mit einer Entgleisung der Herzinsuffizienz, einer so genannten
akuten kardialen Dekompensation, als Notfall ins Krankenhaus. Die
Betroffenen leiden an lebensgefährlichen Wasseransammlungen in der
Lunge, an starker Kurzatmigkeit oder gar schwerer Atemnot (Infos: https://herzstiftung.de/herzinsuffizienz-symptome).
Rund 40.000 von ihnen sterben. Weitere tödliche Gefahren sind
Herzinfarkt oder Schlaganfall. „Wenn wir mithilfe der Pupillometrie die
Wahrscheinlichkeit für einen schweren Krankheitsverlauf inklusive
Herz-Kreislauf-Komplikationen abschätzen könnten, würde man diese
Patienten engmaschiger überwachen und auf eine erneute Dekompensation
rechtzeitiger reagieren können“, erklärt Dr. Kücken.
Autonomes Nervensystem steuert Pupille und Herzschlag
Doch was haben die Augen mit dem Herzen zu tun? Die Augen, genauer
gesagt die Reaktion der Pupillen, werden vom so genannten autonomen
Nervensystem gesteuert. Dieses regelt alle unwillkürlichen
Grundfunktionen im Körper wie zum Beispiel die Atmung, Verdauung, den
Blutdruck und Herzschlag.
- Bei einer Herzinsuffizienz kommt das autonome Nervensystem jedoch im Laufe der Erkrankung ins Ungleichgewicht.
- Es kompensiert nur noch eingeschränkt die bei Herzinsuffizienz-Patienten erhöhte Herzfrequenz.
Hält dieser Zustand länger an, können weitere
Herz-Kreislauf-Erkrankungen auftreten. Da das autonome Nervensystem auch
die Reaktion der Pupillen steuert, könnten möglicherweise nahende
schwerwiegende Folgen am Herzen an den Pupillen abzulesen sein.
Japanische Forscher finden erste Indizien
Erste Hinweise dafür, dass ein Zusammenhang zwischen der
Pupillenreaktion auf einen Lichtreiz sowie der Pupillengröße und der
Prognose für Herzinsuffizienzpatienten besteht, haben japanische
Wissenschaftler um Dr. Kohei Nozaki vom Kitasato University Hospital,
Sagamihara vor wenigen Jahren gefunden. „Doch die Ergebnisse lassen noch
keine eindeutigen Rückschlüsse zu“, sagt Dr. Susanne Fichtner,
Koordinatorin der Studie am Herzzentrum Brandenburg. Denn die
individuellen Unterschiede in der Pupillengröße variieren zu sehr, als
dass man allgemeine Rückschlüsse daraus ziehen könnte. Zudem
beeinflussen bestimmte Substanzen wie Koffein, Nikotin, Medikamente oder
bestimmte kognitive Beanspruchungen die Pupille. Auch unterscheiden
sich die Pupillen-Eigenschaften bei Asiaten und Europäern.
Studie untersucht 100 Patienten mit Herzinsuffizienz
Aus diesem Grund gehen die Bernauer Herzspezialisten diesen ersten
Indizien genauer auf den Grund. Sie untersuchen die Pupillen von 100
Studienteilnehmern mit akuter Herzinsuffizienz. Die erkrankten
Studienteilnehmer sind in der Regel 75- bis 80-jährige Patienten, die
meist über die Rettungsstelle mit einer akuten kardialen Dekompensation
ins Herzzentrum Brandenburg eingeliefert werden und stationär behandelt
werden müssen. An einer Kontrollgruppe mit 55 gleichaltrigen
herzgesunden Probanden nehmen Wissenschaftler der kooperierenden
Universität Potsdam die Tests vor.
Welche Pupillenreaktionen sagen Herzrisiko voraus?
In einem ersten Experiment messen die Ärzte nach der Klinikeinlieferung
direkt am Krankenbett mit einem Handpupillometer die Reaktionen der
Pupille auf einen Lichtreiz. Diese Messung wird kurz vor der Entlassung
wiederholt. Die jüngst begonnene Studie ist auf die Dauer von zwei
Jahren angelegt. Die Studienteilnehmer werden nach 90 Tagen und Ablauf
eines Jahres noch einmal kontaktiert. „Wir versuchen herauszufinden, ob
bestimmte Messwerte wie etwa Durchmesser der Pupille, Geschwindigkeit
der Reaktion, Beschleunigung, Latenz- und Entspannungszeit mit einem
erhöhten Risiko für einen früheren Rückfall und andere gravierende
Herz-Kreislauf-Komplikationen einhergehen“, erklärt Studienleiterin Dr.
Kücken.
Dr. med. Tanja Kücken, Studienleiterin und Oberärztin der Funktionsdiagnostik, Immanuel Klinikum Bernau Herzzentrum Brandenburg Foto: André Köhn Immanuel Albertinen Diakonie
Ärzte untersuchen auch kognitive Leistungsfähigkeit
In einem weiteren Versuch werden mit einem so genannten Eyetracker die
Pupillen analysiert während die Studienteilnehmer eine kognitive Aufgabe
lösen. Die Patienten sollen bei diesem Versuch Zahlenreihen vorwärts
und rückwärts wiedergeben, die ihnen während der Pupillenmessung per
Lautsprecher vorgespielt werden.
In einem zweiten Durchgang wird die Zahlenreihe immer um eine Ziffer verlängert, wenn die Teilnehmer alles richtig gemacht haben. Sinn und Ziel dieses zweiten Experimentes ist es, die Pupillenreaktion auch bei geistiger Beanspruchung zu untersuchen.
Finden die Bernauer Herzspezialisten in ihrer Studie entscheidende
Pupillenwerte, ließe sich die Augenmessung als einfache, schnelle und
kostengünstige Methode in Kliniken und Praxen etablieren, um das Risiko
von Herzinsuffizienz-Patienten einzuschätzen und ihr Leben besser zu
schützen.
(weg)
Service für Patienten:
Infos zu Ursachen, Diagnostik, Therapie und Symptomen der Herzschwäche bietet die Deutsche Herzstiftung unter https://herzstiftung.de/herzschwaeche
und in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift HERZ heute 2/2023 „Hilfe
für das schwache Herz“, kostenfrei anzufordern unter Tel. 069 955128-400
oder unter bestellung@herzstiftung.de
Deutschen Herzstiftung
Michael Wichert (Ltg.), Tel. 069 955128114, Pierre König, Tel. 069 955128140,
E-Mail: presse@herzstiftung.de - www.herzstiftung.de
Bockenheimer Landstr. 94-96
60323 Frankfurt
Deutschland
Hessen
Pierre König
Telefon: 069 / 955128-140
Fax: 069 / 955128-313
E-Mail-Adresse: koenig@herzstiftung.de
Keine Kommentare :
Kommentar veröffentlichen