Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Herzgesundheit: MHH bietet innovatives Verfahren zum Mitralklappenersatz
Interdisziplinäres Team aus Herzchirurgen und Kardiologen macht gute Erfahrungen mit einer Prothese, die über die Herzspitze implantiert wird
Mit Hilfe eines stabförmigen Introducers bringen die Experten die Mitralklappen-Prothese ins Herz Anna Junge / MHH
Die Mitralklappe ist eine unserer vier Herzklappen.
Schließt sie nicht richtig, sprechen Fachleute von Mitralklappeninsuffizienz.
Die Erkrankung ist die zweithäufigste Herzklappenerkrankung im Erwachsenenalter.
Je nach Ursache und Schweregrad gibt es verschiedene Behandlungsmethoden – von Medikamenten bis hin zur Reparatur oder zum Ersatz der Klappe.
Ein innovatives Verfahren ist die Implantation einer Mitralklappen-Prothese über die Herzspitze.
Es eignet sich besonders für Patientinnen und Patienten im fortgeschrittenen Alter oder mit Vorerkrankungen.
Die Medizinische Hochschule Hannover (MHH) wendet die neue Behandlungsmethode als einzige Klinik in der Region Hannover an.
Umgesetzt wird das Verfahren von einem interdisziplinären Team der
Klinik für Herz-, Thorax-, Transplantations- und Gefäßchirurgie, der
Klinik für Kardiologie und Angiologie und der Klinik für Anästhesiologie
und Intensivmedizin.
Rückstauung des Blutes in die Lunge
Herzklappen funktionieren wie Ventile:
Sie sorgen dafür, dass der Herzmuskel das Blut in die richtige Richtung pumpt.
So gelangt sauerstoffarmes Blut in die Lunge und sauerstoffreiches Blut aus der Lunge in den Körper.
Die aus zwei Klappensegeln bestehende Mitralklappe befindet sich zwischen dem linken Vorhof und der linken Hauptkammer des Herzens.
Ist sie undicht, kann es zu Rückstauungen des Blutes in die Lunge und auf Dauer zu schweren Schädigungen des Herzens und anderer Organe kommen. Um die Klappenfunktion wieder herzustellen, ist die sogenannte Herzklappenrekonstruktion, also eine Reparatur, eine Behandlungsoption. „Bei Patientinnen und Patienten, für die eine große Operation ein zu hohes Risiko darstellt, weil sie beispielsweise sehr alt oder vorerkrankt sind, hat sich in den vergangenen Jahren die katheterbasierte Reparatur bewährt“, erklärt Professor Dr. Tibor Kempf von der Klinik für Kardiologie und Angiologie. Ein Beispiel dafür ist das MitraClip-System.
„Bei dem System wird mithilfe eines Katheters über
die Leistenvene ein Clip eingesetzt, der das vordere mit dem hinteren
Mitralsegel verbindet und so die Undichtigkeit reduziert“, erläutert
Professor Kempf.
Klappenersatz statt Reparatur
Doch es gibt immer wieder Patientinnen und Patienten, für die das
MitraClip-System nicht optimal ist.
„Darüber hinaus besteht auf lange
Sicht das Risiko, dass die Insuffizienz zurückkehrt“, berichtet
Privatdozent Dr. Fabio Ius von der Klinik für Herz-, Thorax-,
Transplantations- und Gefäßchirurgie. Hier setzt das innovative
Verfahren an – die Implantation einer Mitralklappen-Prothese durch den
transapikalen Zugang. „Transapikal“ bedeutet „über die Herzspitze“. Das
interdisziplinäre MHH-Team arbeitet dabei mit der künstlichen
Tendyne-Klappe der Firma Abbott, die im Vorhinein jeden Eingriff
mithilfe patientenbezogener Bilddaten simuliert und plant. Den Zugang
zum Herz schaffen die Experten über einen sechs bis acht Zentimeter
langen Schnitt zwischen den Rippen unter dem linken Brustansatz. Über
die Öffnung bringen sie mit einem sogenannten Introducer, ein spezielles
Katheter-System, die Prothese durch die Herzspitze an ihren Zielort
zwischen dem linken Vorhof und der linken Hauptkammer des Herzens. „Wir
legen die Prothese in die alte Mitralklappe und öffnen sie dort. Wenn
die optimale Position erreicht ist und die neue Klappe gut arbeitet,
können wir den Introducer wieder entfernen“, erklärt Dr. Ius. Die
Prothese wird mit einer Sehne gehalten, die durch die linke Herzkammer
führt und außen in einem an der Herzspitze festsitzenden Pad mündet. Der
gesamte Prozess wird mit Hilfe von Bildgebung kontrolliert und
gesteuert: Dafür nimmt ein Kardiologe ein Schluckecho vor. „Dabei
gewinnen wir über die Speiseröhre hochauflösende Ultraschallaufnahmen
der Herzstrukturen. Gleichzeitig nutzen wir auch Röntgenaufnahmen, um
eine exakte Einsicht in die Vorgänge zu haben“, erläutert Dr. Dominik
Berliner von der Klinik für Kardiologie und Angiologie.
Viele beteiligte Fachrichtungen und Professionen
Der Eingriff muss vom Team sehr gut vorbereitet werden, dauert für den
Patienten oder die Patientin im OP-Saal aber nur etwa zwei Stunden.
Nach einem Tag auf der Intensivstation folgt normalerweise eine Woche auf der Normalstation.
Dann schließt sich ein Aufenthalt in einer AHB-Anschlussheilbehandlung - Reha-Klinik an. Dr. Fabio Ius sieht das neue Verfahren für bestimmte Patientinnen und Patienten als gute Alternative zum MitraClip-System.
„Die Erfahrungen zeigen, dass bei bestimmten Patienten ein anhaltender und vollständiger Ersatz der Mitralklappe erzielt werden kann“, sagt er.
- Die Mitralklappen-Prothese kann ohne den Einsatz einer Herz-Lungen-Maschine implantiert werden und eignet sich daher besonders für ältere oder vorerkrankte Menschen.
Der Kardiologe Professor Kempf und der Herzchirurg Dr. Ius sind froh, die neue Behandlungsmethode in der MHH anbieten zu können.
„Solche Innovationen sind nur umsetzbar, wenn verschiedene Fachrichtungen und Professionen gut zusammenarbeiten“, betont Dr. Ius.
An einer Implantation einer Mitralklappen-Prothese über die Herzspitze sind jeweils Fachärzte oder -ärztinnen aus der Herzchirurgie, der Kardiologie und der Anästhesie, Herzkatheterlabor- und OP-Pflegekräfte sowie ein Kardiotechniker beteiligt.
PD Dr. Fabio Ius
ius.fabio@mh-hannover.de, Telefon (0511) 532-6588
Professor Dr. Tibor Kempf
tibor.kempf@mh-hannover.de
Tel. (0511) 532-4503
Carl-Neuberg-Straße 1
30625 Hannover
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