Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Vorpommern: Alkohol- und Tabakkonsum rückläufig, aber Fettleibigkeit und Diabetes nehmen stark zu
- 10.000 Frauen und Männer unterstützen Gesundheitsprojekt SHIP
- Forschungsergebnisse verbessern medizinische Versorgung weltweit
- Seit 2021 insgesamt 328 Haustiere der Probanden untersucht
Seit 1997 werden Erwachsene aus Vorpommern in dem weltweit
umfangreichsten Langzeitstudienprojekt SHIP (Study of Health in
Pomerania/Leben und Gesundheit in Vorpommern) regelmäßig medizinisch und
zahnmedizinisch untersucht, um den Zusammenhang zwischen Risikofaktoren
und Krankheiten besser zu verstehen.
Heute wurde im Greifswalder SHIP-Untersuchungszentrum der 10.000. Studienteilnehmer begrüßt.
„Für das international stark nachgefragte Gesundheitsprojekt ist das ein Meilenstein“, betonte der Studienleiter Prof. Dr. Henry Völzke vom Institut für Community Medicine an der Universitätsmedizin Greifswald.
„Wir sind allen teilnehmenden Frauen und Männern in Vorpommern sehr dankbar für ihre Bereitschaft, unser Projekt zu unterstützen.
Nur durch
dieses persönliche Engagement konnten wir erfolgreich forschen und
zahlreiche Verbesserungen in der medizinischen Versorgung erzielen.“
Über die Jahre hat sich SHIP zu dem Projekt mit dem umfangreichsten
Untersuchungsprogramm in einer großflächigen Region entwickelt. Die
erste Studie (SHIP-START-0) von 1997 ist bereits viermal intensiv
nachuntersucht worden (SHIP-START-0,-1,-2,-3,-4). So sind einige
Probandinnen und Probanden der ersten Bevölkerungsgruppe bereits fünfmal
gründlich durchgecheckt worden. Die Folgeuntersuchungen finden jeweils
ungefähr alle fünf Jahre statt.
Die zweite Studie aus dem Jahr 2008 (SHIP-TREND-0) wurde auch schon zum
zweiten Mal untersucht (Trend-0-1). Vor zwei Jahren startete die dritte
Bevölkerungsstudie (SHIP-NEXT-0) in den Landkreisen Vorpommern-Rügen und
Vorpommern-Greifswald. Zusätzlich zu vielen neuen Untersuchungen wird
seitdem erstmals auch die Gesundheit der Haus- und Nutztiere der
Teilnehmenden einbezogen. Das Fördervolumen der aktuellen Studienwelle
mit der dritten SHIP-Bevölkerungsgruppe beträgt 8,8 Millionen Euro bei
einer Laufzeit von vier Jahren.
„Das SHIP-Projekt hat neue Maßstäbe gesetzt und war einer der zentralen
Faktoren bei der Einwerbung des William B. Kannel Center for Community
Medicine“, hob der Wissenschaftliche Vorstand der Universitätsmedizin
Greifswald, Prof. Dr. Karlhans Endlich, hervor. „Der Forschungsneubau
von nationaler Bedeutung mit einem Investitionsvolumen in Höhe von 65,6
Millionen Euro, der in vier Jahren eingeweiht werden soll, wird die
epidemiologische, die Präventions- und die Versorgungsforschung am
Wissenschaftsstandort Greifswald weiter stärken. Schon jetzt sind fast
alle Kliniken und Institute der Universitätsmedizin in die exzellente
Forschung eingebunden. Gemeinsam konnten wir auch die schwierigste Phase
der Studie während der Coronapandemie meistern.“ Das Forschungszentrum
wird nach dem amerikanischen Wissenschaftler William B. Kannel
(1923-2011) benannt, der über viele Jahre die Framingham-Studie, das
erste Bevölkerungsprojekt weltweit, leitete.
Langzeitstudien decken Risiken und Nebenwirkungen auf
Seit dem Jahr 2000 wurden 1.580 wissenschaftliche Publikationen mit
SHIP-Daten international veröffentlicht. Nahezu alle Risiken und
Nebenwirkungen des menschlichen Lebens können mit der umfangreichen
Langzeitstudie aufgedeckt und erforscht werden.
- Mit Hilfe von SHIP erhobenen Daten wurden beispielsweise Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und komplexe Zusammenhänge zwischen Übergewicht, Depression und Hirnstrukturen gefunden und beschrieben.
- Im Fokus stand ebenso der Einfluss von Zahnerkrankungen auf die Allgemeingesundheit.
- Dabei konnte nachgewiesen werden, dass entzündlicher Zahnfleischschwund aufgrund von Parodontitis unter anderem das Risiko für einen Herzinfarkt und Demenz erhöht.
- Festgestellt wurde auch, dass sich psychische Erkrankungen wie Depressionen und schwere seelische Traumata auf die allgemeine Gesundheit auswirken.
- Darüber hinaus haben Untersuchungen von SHIP-Teilnehmenden im zeitlichen Verlauf gezeigt, dass im Zehn-Jahres-Zeitraum der Alkohol- und Tabakkonsum zwar zurückgegangen ist, aber Fettleibigkeit und Diabetes in Vorpommern deutlich zugenommen haben.
Im Rahmen nationaler und internationaler Kooperationsprojekte, in denen auch SHIP-Daten eingeflossen sind, wurden unter anderem Risikogene für Gicht, Fettleber, Nierenkrankheiten oder Schilddrüsenfehlfunktion entdeckt.
Auswertungen belegten ferner berufliche Einflüsse auf die Gesundheit, beispielsweise durch Strahlungs- und Asbestbelastung, Schichtarbeit oder dauerhaften Stress.
„Von Anfang an war uns wichtig, dass unsere Forschungsergebnisse sowohl der Wissenschaft als auch der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt werden“, unterstrich Studienleiter Prof. Dr. Henry Völzke.
„Möglichst
vielen Menschen weltweit soll unsere Arbeit zugutekommen.“
Stolz sind die Greifswalder Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler,
dass ihre Erfahrungen und die etablierten Prozessabläufe des
SHIP-Projektes auch in Brasilien (SHIP-Brazil), in Polen (PLUS
Bialystok) und in der bundesweiten NAKO Gesundheitsstudie sowie in
vielen weiteren epidemiologischen Großprojekten berücksichtigt worden
sind.
Ausblick: Wie geht es weiter?
Im Zusatzuntersuchungsmodul „One Health“ (Eine Gesundheit) werden seit
Mai 2021 erstmalig auch Hunde, Katzen, Geflügel und Tauben sowie das
Zusammenleben von Menschen und Tieren mit untersucht. Dabei soll
erforscht werden, welchen Einfluss die Tierhaltung auf die körperliche
und seelische Gesundheit des Menschen hat und inwiefern die Haltungs-
und Fütterungsbedingungen des Tieres das Übertragungsrisiko von
Infektionserregern verringern können. Bislang wurden 328 Tiere bei 173
Vor-Ort-Terminen von einer Tierärztin untersucht, darunter 107 Hunde,
157 Katzen, 64 Geflügel und Tauben. „Diese und weitere neue
Untersuchungen innerhalb der dritten SHIP-Kohorte werden den
Erkenntnisgewinn in der komplexen Beziehung zwischen Menschen und Tier
nochmals deutlich erhöhen und auf eine neue Stufe heben“, erklärten die
Leiterin des Greifswalder Untersuchungszentrums, Dr. Nicole Werner, und
die One-Health-Projektkoordinatorin Dr. Birgit Schauer. Das umfasse auch
die neuen Module mit einem intraoralen 3D-Scanner, um den Ober- und
Unterkiefer sowie deren Lage zueinander zu dokumentieren, und eine
Messung von Blickbewegungen mit einer Eye-Tracking-Kamera. Diese soll
Aufschluss über die Reaktion der Teilnehmer auf unterschiedlich
emotionale Bilder geben. Weitere neue Untersuchungen sind das
Kopfschmerz-Interview, die Hirnstimulation, die Überwachung der
Schlafaktivitäten sowie die Untersuchungen der Hände und Füße.
„Im ersten Quartal dieses Jahres kommt eine weitere Untersuchung dazu“,
kündigte Dr. Nicole Werner an. „Gegenwärtig laufen die Vorbereitungen
auf Hochtouren, um den Teilnehmenden künftig auch die Untersuchung des
Hörvermögens (Audiometrie) und der Verständlichkeit von Sprache
(Sprachaudiometrie) in der Audiometriekabine der Klinik und Poliklinik
für Hals-, Nasen-, Ohrenkrankheiten, Kopf- und Halschirurgie der
Universitätsmedizin Greifswald anbieten zu können. Die erste
Untersuchungswelle von SHIP-NEXT-0 wird noch rund drei Jahre Zeit in
Anspruch nehmen.
10 Fakten zur SHIP-Studie
1.
24.266 Blutproben, 21.007 Urinproben, 6.913 MRT-Untersuchungen, 19.213
Herz-Ultraschalls und 21.026 Schilddrüsen-Ultraschalls wurden bislang
gemacht und ausgewertet.
2.
Kurze Wege - regionale Untersuchungszentren gab es bislang in Stralsund,
Tribsees, Anklam und Wolgast, um den Probanden die Anfahrt zu
erleichtern.
3.
Das insgesamt bis zu zwölfstündige Untersuchungsprogramm setzt sich aus
einem Kernprogramm und Zusatzuntersuchungen zusammen. Dazu kommen
Interviews, Befragungen und verschiedene thematische Fragebögen zum
Selbstausfüllen.
4.
SHIP-Untersuchungen sind nur mit Einladung möglich; die Teilnehmenden
werden nach dem Zufallsprinzip über die Einwohnermeldeämter ausgewählt
und angeschrieben. Die Teilnahme ist freiwillig.
5.
Knapp 38 Prozent aller per Zufallsprinzip ausgesuchten menschlichen
Probanden halten zumindest ein Tier der untersuchten Tierarten (Katzen,
Hunde, Geflügel).
6.
Die Tiere der Probanden werden durch Tierärztinnen in ihrer häuslichen
Umgebung untersucht. Zudem werden von den Tieren Abstriche und
Blutproben genommen. Ergänzt werden diese Untersuchungen durch
tierspezifischen Fragebögen und einem Vor-Ort-Interview.
7.
Die SHIP-Langzeitstudien tragen zur Bestimmung wichtiger Referenzwerte
für Laboranalysen, körperliche Belastbarkeit und Organgrößen bei. Mit
modernen bioinformatischen Verfahren werden aus den umfangreichen
Informationen relevante Gesundheitsindikatoren herausgefiltert.
8.
In die SHIP-Datenerhebung fließen auch Erkenntnisse der
infektionsepidemiologischen Studie „SHIP-COVID“ ein, die im November
2020 mit 1.000 Probanden gestartet worden ist.
9.
Zum Greifswalder Untersuchungsteam gehören zehn Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter (Studienschwestern, Interviewerinnen, Zahnmedizinische
Fachangestellte) sowie wechselnde Zahnärztinnen und Zahnärzte aus der
Unizahnklinik Greifswald.
10.
Die Abteilung SHIP/Klinisch-Epidemiologische Forschung am Institut für
Community Medicine unterstützt mit mittlerweile 88 Mitarbeitenden (ohne
Studierende) die SHIP-Datenerhebungen. Das Institut ist die größte
Forschungseinheit der Universität Greifswald. SHIP-Daten werden mit
nahezu allen Instituten und Kliniken der Universitätsmedizin Greifswald
ausgewertet.
Überblick der Teilnehmenden je SHIP-Studienwelle 1997-2023
START
ab 1997
4.308 (+ vier Folgeuntersuchungen 3.300/2.333/1.718/1.182)
TREND
ab 2008
4.420 (+ eine Folgeuntersuchung 2.507)
NEXT
ab 2021
1.272
10.000 Probandinnen/Probanden (20-79 Jahre*)
*Folgeuntersuchungen finden auch im höheren Alter statt.
Universitätsmedizin Greifswald
Institut für Community Medicine
Abteilung SHIP/Klinisch-Epidemiologische Forschung
Leiter: Prof. Dr. med. Henry Völzke
Walther-Rathenau-Straße 48, 17475 Greifswald
T +49 3834 86-75 41
E ship-next@uni-greifswald.de
http://ship.community-medicine.de
Christian Arns
T +49 3834 86-52 28
E christian.arns@med.uni-greifswald.de
Presseanfragen SHIP: 0381-25 28 761
E steinke@steinke-hauptmann.de
http://www.medizin.uni-greifswald.de
http://www.facebook.com/UnimedizinGreifswald
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Constanze Steinke Universität Greifswald
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