Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Wenn das Herz vorzeitig altert
Wissenschaftlerinnen aus dem Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz Würzburg decken grundlegende Mechanismen auf, wie genetische Veränderungen in Kernhüllenproteinen zu Herzmuskelerkrankungen führen und welche Rolle gestörte Reparaturmechanismen der Zellkernhülle bei der vorzeitigen Zellalterung sowie bei der Entwicklung von Fibrose bei Kardiomyopathien spielen können.
Die Biomedizinerin Ruping Chen hat sich auf die Erforschung von Alterungsprozessen spezialisiert. Im DZHI untersucht sie die vorzeitige Alterung des Herzens und wie diese Kardiomyopathien verursacht, konkret geht es um Mechanismen von LEMD2-Mutatationen. Kirstin Linkamp Kirstin Linkamp / UKW
Wie können wir das Altern verlangsamen?
Und wie lassen sich typische Alterserkrankungen verhindern?
Einen Baustein zur Erkenntnis von Alterungsprozessen im Herzen haben jetzt Ruping Chen und Brenda Gerull aus dem Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz (DZHI) am Uniklinikum Würzburg geliefert.
- Die Wissenschaftlerinnen forschen schon seit längerem an Mutationen im Kernmembranprotein LEMD2. Genetische Veränderungen im LEMD2-Protein führen ähnlich wie Mutationen im Lamin-Protein zu vorzeitigen Alterungskrankheiten, die, wenn sie das Herz betreffen, bereits in jungen Jahren progressive Herzschwäche und schwere Herzrhythmusstörungen verursachen können. Spezifische Therapien gibt es bislang nicht.
Mutation führt zu Einstülpungen der Zellkernmembran
Um die komplexen Mechanismen aufzudecken, die das Herz durch die
Genmutation früher altern lassen, hat Ruping Chen die humane
LEMD2-Mutation namens p.L13R sowohl im Maus- als auch im
Zellkulturmodell näher untersucht.
Erste molekulare und zelluläre
Veränderungen am Herzen der Mäuse konnte die Biomedizinerin schon nach
wenigen Wochen beobachten. Nach neun Monaten haben die Mäuse schließlich
einen klinischen Phänotyp entwickelt, der dem bei jungen Menschen, die
diese Mutation tragen, sehr ähnlich ist: Die zunehmende Steifheit
begünstigt den fibrotischen Umbau und führt in der Konsequenz zu
Herzschwäche und schweren Arrhythmien.
Doch warum altert das Herz durch die Mutation vorzeitig?
- „Wir haben in elektronenmikroskopischen Aufnahmen des Zellkerns gesehen, dass die Mutation zu Einstülpungen der eigentlich rundlichen Zellkernmembran führt, was wiederum die Funktionen des Zellkerns stört.
- Es kommt zu Rupturen in der Kernhülle und zur Erschöpfung der zelleigenen Reparaturmechanismen.
- Die Zellkernmembran wird löchrig und damit kommt es zu DNA Schäden.
- Die Zelle kann ihre natürlichen Reparaturfunktionen nicht mehr vollständig gewährleisten“, erklärt Ruping Chen.
Gestörter Reparaturmechanismus begünstigt vorzeitige Zellalterung
Zum Hintergrund:
- Schätzungen zufolge wird die DNA in jeder Zelle unseres Körpers täglich bis zu einer Million Mal geschädigt.
Der gesunde Mensch verfügt jedoch über einen guten Reparaturmechanismus, denn unser Genom enthält die Anleitung für sämtliche zellulären Prozesse im Körper, auch für Reparaturen.
Das heißt, unsere DNA erkennt die Schäden und repariert sie.
Mit zunehmenden Alter, durch Umwelteinflüsse und ungesunde
Lebensweisen lassen diese Funktionen jedoch nach, die Schäden mutieren
in unserem Genom, der Altersprozess wird beschleunigt, es kommt zu
Krankheiten.
„Wir konnten mit unseren Untersuchungen nun Signalwege postulieren,
deren Aktivierung eine vorzeitige Zellalterung und damit verbunden
Entzündung und Fibrose fördert“, resümiert Brenda Gerull, Leiterin des
Departements Kardiovaskuläre Genetik am DZHI.
„Letztlich erweitert
unsere Arbeit zum LEMD2 mechanistische Erkenntnisse, die auch bei
anderen Kardiomyopathien aber auch im natürlichen Alterungsprozess eine
Rolle spielen könnten.“ Die Studie, die in Kooperation mit der
Medizinischen Klinik I am Uniklinikum Würzburg und dem Institut für
Anatomie und Zellbiologie der Universität Würzburg durchgeführt wurde,
hat jetzt das Fachjournal Circulation Research veröffentlicht: https://doi.org/10.1161/CIRCRESAHA.122.321929 . Zur Publikation gibt es in der Ausgabe vom 20. Januar 2023 (Volume 132, Issue 2) zudem ein Editorial: https://doi.org/10.1161/CIRCRESAHA.122.322352
Die Untersuchungen von Ruping Chen wurden von der Deutschen Stiftung für
Herzforschung und der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie finanziell
unterstützt, Brenda Gerull erhielt Förderungen von der Deutschen
Forschungsgemeinschaft im Rahmen des SFB 1525 und des Interdisziplinären
Zentrums für Klinische Forschung.
Möglichkeiten für therapeutische Interventionen
In den nächsten Schritten möchten die Wissenschaftlerinnen verschiedene
Möglichkeiten der therapeutischen Interventionen testen und hierbei
unter anderem ein humanes Modell nutzen, so genannte induzierte
pluripotente Stammzellen.
Ferner sollen die Aktivierung der Bindegewebszellen, der so genannten Fibroblasten, näher untersucht werden, da sie neben den Herzmuskelzellen, den so genannten Kardiomyozyten eine wichtige Rolle beim Fortschreiten der Erkrankung spielen.
Brenda Gerull, Gerull_B(at)ukw.de
Originalpublikation:
https://doi.org/10.1161/CIRCRESAHA.122.321929
Mechanistic Insights of the LEMD2 p.L13R Mutation and Its Role in Cardiomyopathy
Ruping Chen, Simone Buchmann, Amos Kroth, Anahi-Paula Arias-Loza,
Michael Kohlhaas, Nicole Wagner, Gianna Grüner, Alexander Nickel,
Alexandra Cirnu, Tatjana Williams, Christoph Maack, Süleyman Ergün,
Stefan Frantz and Brenda Gerull
Originally published4 Jan 2023 https://doi.org/10.1161/CIRCRESAHA.122.321929 Circulation Research. 2023;132:e43–e58
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