Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Klinikseelsorge: Begleiter und Zuhörer in Notlagen
Die Coronavirus-Pandemie bringt Krankenhäuser seit mehr als zwei Jahren an ihre Grenzen.
Ärzte und Pflegekräfte sind rund um die Uhr für schwerkranke COVID-19-Patienten im Einsatz.
Doch fernab von Stethoskopen, Herz-Lungen-Maschinen und COVID-Pneumonien wirken auch noch andere Menschen im Hintergrund, die immer ein offenes Ohr für Mitarbeiter, Patienten, Angehörige und Hinterbliebene haben:
die ökumenische Klinikseelsorge des Universitätsklinikums Regensburg (UKR).
Auch sie musste sich den veränderten Bedingungen der Pandemie anpassen.
Pater Klaus Schäfer spricht über besondere Herausforderungen und ungewöhnliche Begegnungen.
Pater Klaus Schäfer: „Ich bin Begleiter für Patienten, Angehörige, Hinterbliebene und auch für Mitarbeiter. Für ihre Sorgen, Ängste, Trauer und Wut habe ich immer ein offenes Ohr.“ Franziska Holten © UKR
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Was sind die Hauptaufgaben eines Klinikseelsorgers? Unterscheiden sich diese stark von der Gemeindeseelsorge?
Pater Schäfer: Die Klinikseelsorge nimmt die Rolle eines Begleiters ein.
- Meine Kolleginnen und Kollegen aus der ökumenischen Klinikseelsorge und ich begleiten Patienten, Angehörige, Hinterbliebene und Mitarbeiter bei der Aufarbeitung und Bewältigung von Problemen, Sorgen und Ängsten.
Wir haben einfach ein offenes Ohr für die Menschen.
Was für ein Ergebnis bringt die Untersuchung?
Ist die Therapie erfolgreich?
Wie lange muss ich in der Klinik bleiben?
In welchem Zustand komme ich wieder nach Hause?
Aber auch Sterbebegleitung für den Sterbenden und seine Angehörigen gehört mit dazu.
Das gilt nicht nur für unsere Patienten.
Wenn ein Mitarbeiter des UKR stirbt, halten wir mit seinem Team gerne eine Trauerfeier.
Dabei spielt es auch keine Rolle, welcher Konfession
oder Religion der Verstorbene angehört. Im Sinne des Miteinanders werden
die Trauerfeiern ökumenisch abgehalten. Gelegentlich dürfen wir
Klinikseelsorger aber auch ein Kind taufen oder gar eine Hochzeit
abhalten.
- Das Coronavirus SARS-CoV-2 beschäftigt die Welt auch nach über zwei Jahren noch ausgiebig. Hat sich während der Pandemie Ihre Arbeit als Seelsorger verändert?
Pater Schäfer: Ja, sicherlich. In weiten Teilen sogar sehr. Gerade die
Begleitung von Sterbenden auf den COVID-Intensivstationen war und ist
schon sehr speziell. Alleine schon die äußeren Umstände. Wir mussten
uns, wie Ärzte und Pflegekräfte auch, mit einer kompletten Schutzmontur,
Brille, Handschuhe, Kittel und Haube, kleiden und erst dann konnten wir
zu den Corona-Patienten ans Bett. Das Hygiene-Team hat uns hier bestens
unterstützt und im Umgang mit den Schutzmaßnahmen geschult. Im Frühjahr
2020, als noch niemand so recht wusste, welche Sicherheitsmaßnahmen
ausreichend sind - wir Klinikseelsorger arbeiten stationsübergreifend -,
stellten wir die Krankenbesuche weitestgehend ein, ließen aber Kärtchen
mit den Kontaktdaten der Seelsorge drucken, die zu Ostern 2020 an alle
unsere Patienten verteilt wurden. Einerseits müssen wir die Patienten
schützen, andererseits wollen wir für sie in ihren Nöten da sein. Somit
betrieben wir für einige Wochen hauptsächlich Seelsorge per Telefon.
- Hygiene-Regeln und Eigenschutz sind das Eine, aber wie hat sich konkret der Umgang mit den Patienten während der Pandemie verändert?
Pater Schäfer: Der Kontakt ist natürlich räumlich distanzierter
geworden. Man konnte nicht die Nähe zu den Betroffenen suchen, sich
nicht an das Bett setzen. So zum Beispiel bei Sterbenden auf den
COVID-Intensivstationen. In vielen Fällen waren wir von der Seelsorge
die einzigen, die direkt am Patienten sein konnten, während Angehörige
aus Gründen des Infektionsschutzes nicht direkt ins Zimmer durften, um
sich zu verabschieden. Dennoch durften wir auch Dankbarkeit von
Hinterbliebenen erfahren, weil wir ihre Angehörigen auf dem letzten Weg
begleiten konnten.
- Wissen Sie beim Betreten eines COVID-Zimmers immer schon, was Sie erwartet?
Pater Schäfer: In den meisten Fällen tatsächlich, weil ich von
Angehörigen oder den Kollegen von der Station gerufen werde. Ich weiß
also, ob man auf Genesung hofft, ich einen Sterbenden begleiten soll
oder ob der Patient bereits verstorben ist.
Auf der einen Seite stehen Patienten, Angehörige und Hinterbliebene. Auf
der anderen Seite stehen Ärzte, Pflegekräfte und alle anderen
Mitarbeiter im Krankenhaus, deren Alltag eng mit dem der schwerkranken
Patienten auf den COVID-Stationen verwoben ist.
Pater Schäfer: Die Kollegen auf unseren Stationen leisten seit mehr als
zwei Jahren Unglaubliches. Die Pandemie war für alle ein Wellenbad der
Gefühle. Während sich die Situation außerhalb des Klinikums immer wieder
einmal verbessert hat und die Inzidenzen rückgängig waren, hatte sich
dieses Bild auf den Corona-Stationen nicht oder nur sehr langsam
abgezeichnet. Und genauso wellenartig wie das Infektionsgeschehen sich
am Klinikum abgezeichnet hat, so wurde auch die Seelsorge durch die
Mitarbeiter angefragt. Oftmals einfach ‚nur‘, um zu reden. Allgemein
lässt sich auf jeden Fall feststellen, dass die Anfragen an die
Klinikseelsorge während der Pandemie deutlich gestiegen sind.
Sie werden täglich mit Tod, Trauer, Sorgen, Ängsten und vielen weiteren
Problemen Ihrer Mitmenschen konfrontiert. Wie schaffen Sie es, nicht zu
viel an sich selbst heranzulassen?
Pater Schäfer: Es ist ja so, dass ich mir meine Arbeit ausgesucht habe,
weil ich darin meine Stärken sehe. Klar, in vielen Situationen stehen zu
Beginn erst einmal die Trauer und der Abschied. Dieser Trauer muss man
auch den Raum geben, um das Geschehene zu verarbeiten. Dabei helfe ich
den Betroffenen. Oft sind es einfach nur die kleinen Gesten, ein kurzes,
anerkennendes Nicken oder eben das offene Ohr. Oder, wie es mir in
meiner Zeit als Klinikseelsorger erst einmal passiert ist, eine kurze
Umarmung.
Matthias Dettenhofer Universitätsklinikum Regensburg (UKR)
Franz-Josef-Strauss-Allee 11
93053 Regensburg
Deutschland
Bayern
Dr. Isolde Schäfer
Telefon: 0941 944-4210
E-Mail-Adresse: isolde.schaefer@ukr.de
Matthias Dettenhofer
Telefon: 0941 944 31580
E-Mail-Adresse: matthias.dettenhofer@ukr.de
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