Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Neue Ernährungsempfehlungen bei Diabetes Typ 2
Wer adipös ist, noch nicht sehr lange an Diabetes leidet und 15 Kilogramm seines Gewichts reduziert, kann seinen Zuckerstoffwechsel stark normalisieren und sogar zeitweise ohne Medikamente auskommen.
Das ist eine zentrale Aussage in den aktualisierten Praxisempfehlungen der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) zur Ernährung von Personen mit Typ-2-Diabetes.
Weitere wichtige Neuerungen:
- Strenge Vorgaben für die Mengenaufnahmen von Fett, Kohlenhydraten und Eiweiß sind überholt – stattdessen können Betroffene gesunde Ernährungsmuster wählen, die ihren Vorlieben entsprechen.
Empfehlenswert zur Gewichtsabnahme sind Formula-Diäten, Low-Carb- und Low-Fat-Ernährung sowie Intervallfasten
Der Ausschuss Ernährung der DDG hat für die Überarbeitung der Praxisempfehlungen sämtliche relevanten Studien seit 2004 ausgewertet.
- Mit dem Ergebnis, dass genaue Verzehrvorgaben für einzelne Mikronährstoffe wie Kohlenhydrate, Fett und Eiweiß entfallen;
- auch die Maßgabe, bei eingeschränkter Nierenfunktion weniger Eiweiß zu essen, ist überholt.
„Die Empfehlungen zur Gewichtsreduktion und Ernährungsweise
bei Diabetes Typ 2 sind insgesamt unkomplizierter und individueller“,
freut sich DDG Präsident Professor Dr. med. Andreas Neu.
Entscheidend ist ein früher Start des Abnehmprogramms
Im Mittelpunkt der neuen Empfehlungen steht die Erkenntnis, wonach bei
Adipösen durch eine Gewichtsreduktion von mindestens 15 Kilogramm
grundsätzlich ein vollständiges Zurückdrängen des Diabetes möglich ist,
eine sogenannte Remission.
„Die DiRECT-Studie aus England zeigt, dass 86
Prozent der Personen, die tatsächlich eine Gewichtsreduktion von
mindestens 15 Kilogramm erreicht hatten, eine Diabetesremission
erfuhren“, berichtet Professor Dr. med. Diana Rubin, die als Vorsitzende
des Ausschusses Ernährung der DDG federführend an der Neuerstellung der
Praxisempfehlungen beteiligt war. „Voraussetzung war eine Diabetesdauer
von nicht länger als sechs Jahren.“
Um dieses Ziel zu erreichen, können Abnehmwillige prinzipiell unter
verschiedenen Methoden wählen.
„Wir haben in der Literatur sehr gute Effekte beispielsweise für Low-Carb gefunden, eine kohlenhydratarme Ernährungsform“, so Rubin. Low-Fat-Diäten seien zumindest mittelfristig in der Wirkung ebenbürtig.
„Soll keine bestimmte Diät eingesetzt werden, so sind für das Diabetesmanagement mediterrane, vegetarische oder vegane Ernährungsmuster gleichermaßen geeignet“, fügt die Ernährungsmedizinerin hinzu.
Auch Intervallfasten könne unter ärztlicher Überwachung zur Gewichtsreduktion eingesetzt werden.
- „Entscheidend ist, dass die Abnehmstrategie zu den Präferenzen der übergewichtigen Person passt und nachhaltig im Alltag umgesetzt werden kann“, so Rubin.
- Zu raschen, hohen Gewichtsverlusten mit dem Resultat einer Diabetesremission führen nachweislich auch Formula-Diäten, die mit einem Mahlzeitenersatz arbeiten, meist in Pulverform.
Eine große Studie belegt:
Nahezu die Hälfte der übergewichtigen Diabetespatientinnen und -patienten, die zunächst über drei bis fünf Monate eine Formula-Diät mit einem Kaloriengehalt von 825 bis 852 kcal pro Tag einhielten, erzielte eine Remission.
„Die Remission dauerte teilweise länger als zwei Jahre“, berichtet Rubin.
- Ist keine Ernährungsform wirksam, sind bariatrische Operationen ebenfalls sehr erfolgreich, um eine Diabetesremission herbeizuführen.
Schnelles Spazierengehen nach dem Essen hilft
Über das nordische Ernährungsmuster, die makrobiotische Ernährung, die
DASH- und Paleo-Diät konnten die Experten keine Aussagen treffen. „Zu
diesen relativ neuen Ernährungstrends liegen noch zu wenige Studien
vor“, erläutert Rubin. Sicher dagegen ist: Regelmäßige körperliche
Aktivität auch mit geringer Intensität – etwa zügigeres Gehen nach den
Mahlzeiten – verbessert die Körpergewichtsregulation.
- „Schnelles Spazierengehen nach dem Essen hilft definitiv beim Abnehmen“, betont die Leiterin des Zentrums für Ernährungsmedizin am Vivantes Klinikum Spandau und Humboldt-Klinikum Berlin.
Generell gelte:
„Wer unverarbeitete, naturbelassene Lebensmittel zu sich nimmt, liegt richtig“, fasst Rubin zusammen.
- Darüber hinaus sollten Kohlenhydrate bevorzugt in Form von Vollkornprodukten, stärkearmen Gemüsesorten, Hülsenfrüchten und Nüssen verzehrt werden.
„Hafer enthält
besonders gesunde Kohlenhydrate, die günstig auf den Blutzuckerspiegel
wirken“, so Rubin. Süssstoff in üblichen Mengen ist unbedenklich,
zuckerarmes Obst besonders im Hinblick auf den Ballaststoffgehalt
empfehlenswert und mäßiger Alkoholkonsum mit einer guten
Stoffwechseleinstellung vereinbar.
Ernährungstherapie auch per App auf Rezept einsetzbar
Insgesamt, rät das Expertengremium, müsse die Ernährungstherapie stark
auf die jeweilige Person abgestellt werden. „Es bietet sich an, die
individualisierte Ernährungsberatung intensiver zu nutzen – ob in der
Sprechstunde, per Mail oder Telefonie“, so Rubin. Auch eine App, die von
fachkundigen Experten geprüft wurde und auf Rezept erhältlich ist,
könne hilfreich sein. „In jedem Fall sollte möglichst früh eine Therapie
angeboten werden“, betont Rubin.
Die Praxisempfehlungen richten sich an alle Berufsgruppen, die Patientinnen und Patienten mit Diabetes Typ 2 betreuen.
Quelle:
https://www.deutsche-diabetes-gesellschaft.de/behandlung/leitlinien?tx_wwt3list_...
Skurk T et al. Empfehlungen zur Ernährung von Personen mit
Typ-2-Diabetes mellitus. Diabetologie und Stoffwechsel 2021; 16 (Suppl
2): S255–S289, Thieme.
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Über die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG):
Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) ist mit mehr als 9200
Mitgliedern eine der großen medizinisch-wissenschaftlichen
Fachgesellschaften in Deutschland. Sie unterstützt Wissenschaft und
Forschung, engagiert sich in Fort- und Weiterbildung, zertifiziert
Behandlungseinrichtungen und entwickelt Leitlinien. Ziel ist eine
wirksamere Prävention und Behandlung der Volkskrankheit Diabetes, von
der mehr als acht Millionen Menschen in Deutschland betroffen sind. Zu
diesem Zweck unternimmt sie auch umfangreiche gesundheitspolitische
Aktivitäten.
DDG
Michaela Richter
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