Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Schwachstelle für Herzproblem entdeckt
Wissenschaftler aus dem Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz Würzburg (DZHI) machen fehlenden Calciumkanal in den Mitochondrien als Auslöser für Arrhythmien und Herzinsuffizienz beim seltenen Barth-Syndrom aus.
- Da Calcium der wichtigste Botenstoff für die Anpassung der Energieproduktion an einen erhöhten Bedarf ist, erklärt dieser Defekt die Unfähigkeit der Barth-Herzen, bei körperlicher Aktivität die Pumpleistung zu steigern, aber auch das Auftreten von Herzrhythmusstörungen.
Diese im AHA-Journal veröffentlichten Erkenntnisse sind nicht nur ein Lichtblick in der Behandlung des Barth-Syndroms, sondern ggf. auch der weiter verbreiteten Herzinsuffizienz mit erhaltener Pumpfunktion (HFpEF).
Edoardo Bertero (links) und Michael Kohlhaas an der
Single-Cell-Force-Anlage im Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz
Würzburg (DZHI). Gregor Schläger DZHI
Unser Herz pumpt in der Regel pro Minute vier bis fünf Liter Blut in unseren Körper, bei hoher Belastung sogar bis zu 30 Liter pro Minute, sofern es gesund ist.
- Bei Jungen, die am Barth-Syndrom leiden, schlägt das Herz bei Anstrengung zwar schneller, der Auswurf kann aber nicht entsprechend gesteigert werden.
- Die Folge dieser verminderten Herzfunktions-Reserve bei Belastung ist Luftnot.
- Hinzu kommen Herzrhythmusstörungen, die auch zum plötzlichen Tod führen können.
Doch
Patienten mit dem Barth-Syndrom dürfen möglicherweise bald aufatmen.
Weniger Calcium = weniger Energie in Herzmuskelzellen
Der Kardiologe Christoph Maack und der Biologe Jan Dudek forschen
bereits seit vielen Jahren an den Krankheitsmechanismen des
Barth-Syndroms.
- Das Barth-Syndrom geht auf einen Defekt des Tafazzin-Gens zurück, und Tafazzin produziert Cardiolipin, einen wesentlichen Bestandteil der Mitochondrienmembran.
Die Forscher fanden heraus, dass die durch den Defekt des Tafazzin-Gens beeinträchtige Energiegewinnung der Herzmuskelzellen mit dem Calciumhaushalt zusammenhängen.
- Durch die verminderte Calciumaufnahme in den Mitochondrien, den Kraftwerken der Herzmuskelzelle, wird die Aktivierung des Citratzyklus gestört.
- Im Citratzyklus werden mithilfe des energieliefernden Coenzym NADH Elektronen für die Produktion des energiereichen Moleküls Adenosintriphosphat (ATP), und über NADPH Elektronen für die Entgiftung von Sauerstoffradikalen hergestellt.
Durch fehlenden Calciumkanal leeren sich die Speicher
Die Forscher aus dem DZHI-Department Translationale Forschung, allen
voran Edoardo Bertero, Alexander Nickel und Michael Kohlhaas, haben nun
den Mechanismus erkannt, warum sich das Herz-Zeit-Volumen nicht steigern
lässt, und warum vermehrt Arrhythmien auftreten.
Früher ging man davon aus, dass das Fehlen von Cardiolipin vor allem der
Atmungskette Probleme bereitet und Sauerstoffradikale die Zellen
schädigen.
Das Cardiolipin ist auch bei vielen anderen Herzkrankheiten durch oxidativen Stress geschädigt.
Ein Mangel an diesem Phospholipid stört die Atmungskette, wodurch weniger Energie produziert wird.
"Obwohl
wir in unseren Studien auch eine moderate Störung der Atmungskette
feststellen konnten, haben wir keine übermäßigen Mengen an Radikalen
gemessen", erklärt Edoardo Bertero, der Erstautor der Studie.
"Stattdessen haben wir beobachtet, dass der Kanal, der für den
Calciumimport in die Mitochondrien verantwortlich ist, der so genannte
mitochondriale Calcium-Uniporter, kurz MCU, in Mäusen mit
Tafazzin-Knockdown fast vollständig verschwunden war. Dies ist wichtig
für Patienten mit Barth-Syndrom, weil es erklärt, warum ihre Herzen
nicht in der Lage sind, ihre Auswurfleistung bei körperlicher
Anstrengung zu erhöhen; aber auch für die allgemeine Herzphysiologie,
weil es eine bisher nicht gewürdigte Funktion von Cardiolipin aufdeckt,
nämlich die Stabilisierung des MCU-Protein-Komplexes.“
Entdeckung führt zu besserem Verständnis des Barth-Syndroms
Maack fügt hinzu: „Die Gen- und Proteinstruktur des mitochondrialen
Calciumkanals ist erst seit zehn Jahren bekannt.
Das Barth-Syndrom ist die erste uns bekannte Erkrankung, bei der ein relevanter Defekt des MCU in Herzzellen deren Funktion nachhaltig beeinträchtigt.“
Mit dieser Entdeckung liefern die Forscher des DZHI einen wichtigen Therapieansatz, möglicherweise nicht nur bei der Behandlung des Barth-Syndroms, sondern auch bei anderen Herzerkrankungen mit erhaltener Pumpfunktion, und im speziellen bei anderen genetischen Kardiomyopathien.
„Hilfreich könnte vielleicht die Gabe von SGLT2-Hemmern sein.
Sie reduzieren das Natrium in der Zelle, dadurch wird weniger Calcium aus den Mitochondrien herausgeholt, die Energiespeicher bleiben länger voll, sodass das Herz bei erhöhter Belastung besser mithalten kann“, spekuliert Maack.
Dies müsse aber erst noch untersucht werden.
- Weniger empfehlenswert seien Wirkstoffe, die die Pumpkraft des Herzens steigern, indem sie das Natrium erhöhen, wie zum Beispiel das seit Jahrzehnten verwandte Digitalis.
In der Vergangenheit wurden Jungen mit Barth-Syndrom oft nicht älter als
drei Jahre.
Sie starben an Herzversagen oder Infektionen.
Aber mit einer verbesserten Diagnose und einer angemessenen medizinischen Behandlung und Überwachung aller Symptome ist die Überlebensrate und die Zukunft dieser Menschen viel besser.
„Genau das motiviert mich und spornt mich an.
Die Krankheit ist zwar selten.
Bekannt sind etwa 500 Fälle weltweit.
Wir gehen jedoch von einer hohen Dunkelziffer aus. Und
was zählt ist das Schicksal jedes einzelnen Jungen“, betont Maack.
Die Arbeiten entstanden in enger Zusammenarbeit mit zahlreichen anderen
Gruppen in Homburg/Saar, Göttingen und Würzburg. Gefördert wurden die
Forschungsarbeiten durch die Margret Elisabeth Strauß-Projektförderung
der Deutschen Herzstiftung, die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG),
das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), den European
Research Council (ERC) sowie die US-amerikanische Barth Syndrome
Foundation.
Christoph Maack: Maack_C@ukw.de
Josef-Schneider-Str. 2
Haus D3
97080 Würzburg
Deutschland
Bayern
E-Mail-Adresse: presse@ukw.de
Susanne JustTelefon: 0931/201-59447
Fax: 0931/201-60 59447
E-Mail-Adresse: just_s@ukw.de
Originalpublikation:
https://doi.org/10.1161/CIRCULATIONAHA.121.053755
Weitere Informationen für international Medizin am Abend Berlin Beteiligte
https://www.barthsyndrome.org - Informationen zur Erkrankung
https://www.ukw.de/behandlungszentren/dzhi/startseite/ -
Informationen zum Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz
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