Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Neue Handlungsempfehlung: S2k-Leitlinie zur Geburtseinleitung bietet evidenzbasierte Orientierung
Wenn der lange Weg zur natürlichen Geburt mit Komplikationen einhergeht, wird – bei entsprechender Indikation – eine Einleitung vorgenommen.
Dies geschieht bei etwa 20–25% aller Schwangerschaften.
Die neue deutschsprachige S2k-Leitlinie bietet zusammengefasste wissenschaftlich gestützte Handlungsempfehlungen für diese gängige geburtshilfliche Maßnahme.
Dabei liegt der Fokus auf Indikationen, Methoden und generellem Management.
Wenn der lange Weg zur natürlichen Geburt mit Komplikationen einhergeht, wird – bei entsprechender Indikation – eine Einleitung vorgenommen.
Dies geschieht bei etwa 20–25% aller Schwangerschaften.
Aus wissenschaftlicher Sicht ist die Evidenz
aufgrund einer Vielzahl von Studien zur Geburtseinleitung hoch. Dennoch
besteht noch zu viel Verunsicherung bei dieser Thematik. Die neue
deutschsprachige S2k-Leitlinie bietet zusammengefasste wissenschaftlich
gestützte Handlungsempfehlungen für diese gängige geburtshilfliche
Maßnahme. Dabei liegt der Fokus auf Indikationen, Methoden und
generellem Management. Federführende Fachgesellschaften sind die
Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V. (DGGG) in
Zusammenarbeit mit der Österreichischen Gesellschaft für Gynäkologie und
Geburtshilfe (ÖGGG) sowie der Schweizerischen Gesellschaft für
Gynäkologie und Geburtshilfe (SGGG).
„Die Geburtseinleitung gehört zu den häufigsten Maßnahmen im
geburtshilflichen Alltag. Gleichwohl gibt es trotz ausreichend
vorliegender Evidenz ein sehr heterogenes Vorgehen, weshalb wir in
dieser Leitlinie die Indikationen und die verschiedenen Methoden mit
ihren Vor- und Nachteilen einschließlich der Risiken darstellen.“
Prof. Sven Kehl,
Leitlinienkoordinator
- Die Autoren der Leitlinie betonen, dass die Indikation für eine Geburtseinleitung in jedem Einzelfall kritisch gestellt werden muss.
Es sollte sorgsam begründet sein, warum der natürliche Verlauf der Schwangerschaft medizinisch beeinflusst wird.
Die vermuteten Vorteile müssen hierbei mit den möglichen Nachteilen abgewogen werden.
Generell
gilt, dass eine Geburtseinleitung dann durchgeführt wird, wenn durch
diesen Eingriff ein besseres Geburtsergebnis für Mutter und Kind
erreicht werden kann, als bei einer abwartenden Haltung.
Voraussetzungen für eine Geburtseinleitung
Wissenschaftlich gesicherte Indikationen für eine Geburtseinleitung können sein:
• Terminüberschreitung und Übertragung
• (Früher) vorzeitiger Blasensprung
• Schwangerschaftsdiabetes (Gestationsdiabetes)
• Abnorme Fruchtwassermenge
• unzureichendes Wachstum des Kindes im Mutterleib
(SGA-Fetus oder intrauterine Wachstumsrestriktion)
• akut in der Schwangerschaft auftretende Leberkrankheit mit Gallestau
(Intrahepatische Schwangerschaftscholestase)
• Bluthochdruck in der Schwangerschaft
(Hypertensive Erkrankungen)
• Verdacht auf ein zu großes Kind
([nicht-diabetogene] Makrosomie)
Es kommt auch vor, dass sich schwangere Frauen ohne einen vorliegenden
medizinischen Grund wünschen, dass die Geburt eingeleitet wird. Dieser
Schritt ist möglich, sollte aber nicht vor 39 Schwangerschaftswochen
(SSW) durchgeführt werden.
Kontraindikationen für eine Geburtseinleitung
In bestimmten Situationen überwiegen die Risiken den gewünschten Nutzen
einer Einleitung. Die Autoren weisen u.a. darauf hin, dass eine
medikamentöse Geburtseinleitung bei vorhandenen, regelmäßigen Wehen zu
einer Überstimulation mit Beeinträchtigung des kindlichen Zustands
führen kann. Hinzu kommen generelle Kontraindikationen für eine vaginale
Geburt, wie etwa Querlage, Zustand nach Uterusruptur oder aktiver
Herpes simplex.
- „Weder eine SARS-CoV-2-Infektion noch die COVID-19-Erkrankung allein stellen eine Entbindungsindikation dar. Eine relevante mütterliche Beeinträchtigung der Atemwege kann jedoch eine Entbindung erforderlich machen.“
- Prof. Michael Abou-Dakn,
- Leitlinienkoordinator
Geburtseinleitung bei Zwillingsschwangerschaften
Die optimale Schwangerschaftsdauer ist bei Geminigraviditäten mit 36 bis
38 SSW kürzer als bei Einlingsgraviditäten (39–41 SSW). Die Autoren
geben an, dass die normal verlaufende Schwangerschaft mit Zwillingen mit
einem gemeinsamen Mutterkuchen ab 36 SSW beendet werden kann; ab 37 SSW
sollte sie beendet werden.
Geburtseinleitung bei Schwangeren nach Sectio caesarea
Die Indikation für eine Einleitung bei Schwangeren mit vorherigem
Kaiserschnitt sollte kritisch gestellt werden, betonen die Autoren. Die
Risiken nach Einleitung liegen höher als bei einem spontanen
Wehenbeginn. Die Erfolgsrate für eine vaginale Entbindung nach
Kaiserschnitt liegt insgesamt etwa bei 75 %. Vor diesem Hintergrund
sollte ein vaginaler Entbindungsversuch unternommen werden, wenn die
Voraussetzungen hierfür vorliegen. Nach einem Kaiserschnitt soll nicht
mit Prostaglandin E1-Analoga eingeleitet werden. Hintergrund ist ein –
in kleinen übereinstimmenden Studien – nachgewiesenes erhöhtes Risiko
für das Auftreten einer Uterusruptur. Nach zwei Kaiserschnitten wird
keine Einleitung mehr empfohlen.
Die medikamentöse Geburtseinleitung
Neben der mechanischen Geburtseinleitung gehen die Autoren in einem
eigenen Kapitel auch auf die medikamentöse Geburtseinleitung ein –
einschließlich Empfehlungen für die viel diskutierte Gabe von
Prostaglandin-E1-Analoga (Misoprostol). Demzufolge herrscht
wissenschaftlicher Konsens: Misoprostol ist das wirksamste Medikament
zur Geburtseinleitung bei einem unreifen Zervixbefund. Die Applikation
von Misoprostol sollte oral erfolgen. Auch Dosierungen von 25 µg bei
vaginaler Applikation gelten als sicher.
Wichtig zu wissen:
Eine Nebenwirkung wie eine uterine Überstimulation führt nicht zwangsläufig zu einem pathologischen CTG, einem Kaiserschnitt und/oder einem schlechten kindlichen Outcome.
- Erstgaben von > 50 µg und Einzelgaben von > 100 µg sollten dennoch grundsätzlich vermieden werden.
- Ebenfalls nicht geeignet ist das eigenhändige Zerstückeln von Tabletten höherer Dosierung und/oder Auflösen in Flüssigkeit sowie Gabe von bestimmten Trinkmengen aufgrund der Ungenauigkeit der Stabilität und Wirkstoffkonzentration.
Eine korrekte Herstellung durch eine Apotheke ist deshalb unabdingbar.
Bis zum Erhalt einer neuen Zulassung zur
Geburtseinleitung soll über den Off-Label-Use aufgeklärt werden.
Die Leitlinie gilt fünf Jahre bis zum 01. Dezember 2025.
Die Kurz- und Langversion der Leitlinie finden Sie auf der Seite der AWMF:
https://www.awmf.org/leitlinien/detail/anmeldung/1/ll/015-088.html
Medizinische Leitlinien haben das Ziel, den aktuellen Stand des Wissens
über ein Fachgebiet zusammenzustellen und daraus möglichst klare
Handlungsempfehlungen für die Beratung und Behandlung von PatientInnen
abzuleiten. Die Leitlinien der Wissenschaftlichen Medizinischen
Fachgesellschaften sind systematisch entwickelte Hilfen für ÄrztInnen
zur Entscheidungsfindung in spezifischen Situationen. Sie beruhen auf
aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen und in der Praxis bewährten
Verfahren und sorgen für mehr Sicherheit in der Medizin, sollen aber
auch ökonomische Aspekte berücksichtigen. Die Leitlinien sind für
ÄrztInnen rechtlich nicht bindend und haben daher weder
haftungsbegründende noch haftungsbefreiende Wirkung.
Sara Schönborn | Nina Franke
Pressestelle Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e. V.
Jägerstraße 58-60
10117 Berlin
Tel.: +49 (0)30-514 88 3333
Fax: +49 (0)30-514 88 344
E-Mail: presse@dggg.de
Internet: www.dggg.de
Die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e. V. (DGGG)
ist eine der großen wissenschaftlichen Fachgesellschaften in
Deutschland. Sie hat sich der Stärkung der Fachgebiete der
Frauenheilkunde und Geburtshilfe verschrieben und fördert das gesamte
Fach und seine Subdisziplinen, um die Einheit des Faches Frauenheilkunde
und Geburtshilfe weiter zu entwickeln. Als medizinische
Fachgesellschaft engagiert sich die DGGG fortwährend für die Gesundheit
von Frauen und vertritt die gesundheitlichen Bedürfnisse der Frau auch
in diversen politischen Gremien.
Originalpublikation:
https://www.awmf.org/leitlinien/detail/anmeldung/1/ll/015-088.html
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