Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Sechsfach höheres Risiko: Studie zeigt Zusammenhang zwischen HIV-Infektion und Gebärmutterhalskrebs
Ein Forschungsteam der Technischen Universität München (TUM) hat die Effekte einer Infektion mit dem Humanen Immundefizienz-Virus (HIV) auf die Entstehung von Gebärmutterhalskrebs quantifiziert und herausgefunden, dass Frauen, die mit HIV infiziert sind, ein sechsfach höheres Risiko haben, an Gebärmutterhalskrebs zu erkranken.
Besonders betroffen sind die Regionen Süd- und Ostafrika.
Frauen, die mit HIV infiziert sind, haben ein sechsfach höheres Risiko, an Gebärmutterhalskrebs zu erkranken. Dies fanden Dr. Dominik Stelzle und Dr. Luana Tanaka im Rahmen einer Studie des Center for Global Health heraus. Andreas Heddergott / TUM
Gebärmutterhalskrebs ist nach Statistiken der WHO die vierthäufigste Krebsart bei Frauen.
Im Jahr 2018 wurde bei schätzungsweise 570.000
Frauen weltweit ein Zervixkarzinom diagnostiziert, etwa 311.000 Frauen
starben an dieser Krankheit.
Andererseits ist Gebärmutterhalskrebs, der meist von Humanen
Papillomviren (HPV) verursacht wird, aber auch eine der am
erfolgreichsten vorbeugbaren und behandelbaren Krebsarten, sofern dieser
frühzeitig erkannt und wirksam therapiert wird.
- Gebärmutterhalskrebs ist gleichzeitig die am häufigsten entdeckte Krebserkrankung bei Frauen die mit HIV leben, da deren Immunsystem durch die HIV-Infektion geschwächt ist.
Das Center for Global Health der Fakultät für Medizin sowie der
Lehrstuhl für Epidemiologie der Fakultät für Sport- und
Gesundheitswissenschaften haben sich in der Publikation „Estimates of
the Global Burden of Cervical Cancer Associated with HIV“ im
renommierten Fachjournal The Lancet Global Health nun diesem relevanten
Thema gewidmet.
Systematisches Review und Meta-Analyse von 24 Studien
Die Erstautoren Dr. Dominik Stelzle (Center for Global Health und
Lehrstuhl für Epidemiologie) und Dr. Luana Tanaka (Lehrstuhl für
Epidemiologie) haben dafür einen systematischen Review sowie eine
Meta-Analyse von insgesamt 24 Studien aus den Jahren 1981 bis 2016
durchgeführt, an denen 236.127 Frauen mit HIV aus vier Kontinenten
(Afrika, Nordamerika, Asien und Europa) teilgenommen hatten.
Insgesamt enthielten diese Studien 2.138 Zervixkarzinom-Fälle. Zudem
wurden die Ergebnisse mit Daten von UNAIDS zur weltweiten HIV-Infektion
und mit Daten der International Agency for Research on Cancer (IARC),
dem Krebsforschungszentrum der WHO, zum Zervixkarzinom verbunden und
ausgewertet.
„Bislang gab es immer nur Schätzungen aus Ländern mit einem hohen
Netto-Einkommen“, schildert Dr. Stelzle. „Das war der Grund, warum wir
uns die Zahlen der globalen Belastung des Zervixkarzinom in Verbindung
mit einer HIV-Infektion angesehen haben, inklusive Schätzungen für
Länder mit niedrigen Netto-Einkommen. In den meisten Teilen der Welt
liegen diese Zahlen bei unter fünf Prozent. In einigen Ländern sprechen
wir aber von weit über 40 Prozent der Fälle.“
Frauen mit HIV haben ein sechsfach höheres Risiko
Ziel der Studie war es, den Anteil der mit HIV lebenden Frauen unter den
Frauen mit Gebärmutterhalskrebs zu berechnen. Die Autoren fanden
heraus, dass weltweit 5,8 Prozent aller neuen Gebärmutterhalskrebs-Fälle
im Jahr 2018 bei Frauen mit einer HIV-Infektion diagnostiziert wurden.
Dies entspricht 33.000 Fällen pro Jahr, wovon 85 Prozent davon in
Subsahara-Afrika auftreten.
- Weiterhin konnte das Team auf der Basis der Ergebnisse zeigen, dass Frauen mit HIV ein sechsfach höheres Risiko besitzen, an Gebärmutterhalskrebs zu erkranken, als Frauen ohne HIV-Infektion.
„Die Assoziation zwischen Zervixkarzinom und HIV ist einleuchtend“,
erläutert Prof. Dr. Dr. Andrea S. Winkler, Co-Leiterin des Centers for
Global Health. „Zervixkarzinome werden meist durch Infektionen mit
Humanen Papillomviren (HPV) verursacht, welche ebenso wie HIV sexuell
übertragen werden. Aufgrund unserer Ergebnisse könnte man annehmen, dass
eine Infektion mit HIV einen Risikofaktor für eine Infektion mit HPV
darstellt.“
Süd- und Ostafrika sind am stärksten betroffen
Am stärksten betroffen sind die Regionen Süd- und Ostafrika, in denen
63,8 Prozent (Südafrika) bzw. 27,4 Prozent (Ostafrika) der
Zervixkarzinome bei Frauen mit einer HIV-Infektion diagnostiziert
wurden.
„Mit über 75 Prozent ist Eswatini im südlichen Afrika das Land mit dem
höchsten Anteil an Frauen, die an Gebärmutterhalskrebs in Verbindung mit
einer HIV-Infektion leiden, gefolgt von Lesotho mit 69 Prozent,
Botswana mit 67 Prozent, Südafrika mit 64 Prozent sowie Simbabwe mit 52
Prozent“, so Dr. Tanaka.
Anhand der Ergebnisse stellten die Autoren der TUM fest, dass Frauen mit
einer HIV-Infektion ein signifikant höheres Risiko besitzen, an
Gebärmutterhalskrebs zu erkranken. Insbesondere für die afrikanischen
Länder südlich der Sahara seien daher HPV-Impfungen sowie frühzeitige
Zervixkarzinom-Screenings von hoher Bedeutung.
„In Afrika gibt es zwar durchaus bereits Zervixkarzinom-Screenings, aber
bislang hauptsächlich für Frauen, die eine höheren sozioökonomischen
Status haben und es sich daher finanziell leisten können“, so Prof. Dr.
Stefanie Klug, Inhaberin des Lehrstuhls für Epidemiologie der TU
München. „Ziel muss es sein, diese Abhängigkeit von ökonomischen
Möglichkeiten aufzubrechen und zu erreichen, dass die HPV-Impfung für
Mädchen und das Screening für Frauen kostenfrei werden.“
Die Publikation ist in einer Kooperation zwischen dem Center for Global
Health (Abteilung für Neurologie) der Fakultät für Medizin, dem
Lehrstuhl für Epidemiologie der Fakultät für Sport- und
Gesundheitswissenschaften, der London School of Hygiene and Tropical
Medicine, der University of Edinburgh, der University of Glasgow, der
International Agency for Research on Cancer (IARC) sowie der
Weltgesundheitsorganisation (WHO) entstanden. Das Projekt wurde durch
die WHO über finanzielle Mittel der United States Agency for
International Development (USAID) und dem U.S. President’s Emergency
Plan for AIDS Relief (PEPFAR) gefördert.
Prof. Dr. Dr. Andrea S. Winkler und Dr. Dominik Stelzle
Center for Global Health,
Technische Universität München,
Klinikum rechts der Isar, Abteilung für Neurologie,
Ismaninger Straße 22, 81675 München
E-Mail: andrea.winkler@tum.de – dominik.stelzle@tum.de
Prof. Dr. Stefanie Klug und Dr. Luana Tanaka
Technische Universität München, Lehrstuhl für Epidemiologie
Georg-Brauchle-Ring 56, 80992 München
Tel.: +49 89 289 24950 – E-Mail: sekretariat.klug@tum.de – luana.tanaka@tum.de
Dr. Andreas Battenberg Technische Universität München
Arcisstr. 21
80333 München
Deutschland
Bayern
Dr. Ulrich Marsch
Telefon: 089 / 289 - 22778
Fax: 089 / 289 - 23388
E-Mail-Adresse: presse@tum.de
Originalpublikation:
Dominik Stelzle, Luana F.
Tanaka, Kuan Ken Lee, Ahmadaye Ibrahim Khalil, Iacopo Baussano, Anoop S.
V. Shah, David A. McAllister, Sami L. Gottlieb, Stefanie J. Klug,
Andrea S. Winkler, Freddie Bray, Rachel Baggaley, Gary M. Clifford,
Nathalie Broutet, Shona Dalal
Estimates of the global burden of cervical cancer associated with HIV
The Lancet Global Health, 16.11.2020 – DOI: 10.1016/S2214-109X(20)30509-X
Weitere Informationen für international Medizin am Abend Berlin Beteiligte
https://doi.org/10.1016/S2214-109X(20)30509-X Originalpublikation
https://www.med.tum.de/de/center-global-health Website des Center for Global Health der TUM
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