Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Gerinnungshemmer bei angeborenen Herzfehlern: Größte Studie weltweit weist auf Risiken bei DOAKs hin
Jeder achte Patient mit angeborenem Herzfehler ist auf Gerinnungshemmer angewiesen.
Doch ihre Einnahme ist mit Risiken verbunden.
Eine neue Studie am Kompetenznetz Angeborene Herzfehler rät zum vorsichtigeren Einsatz direkter oraler Antikoagulanzien.
- Herzrhythmusstörungen, Herzinsuffizienz, Herzklappenerkrankungen und Gefäßverschlüsse durch Blutgerinnsel:
Laut einer aktuellen
Langzeitstudie, die in Kooperation mit der Barmer Krankenversicherung
von Forschern des Universitätsklinikums Münster am Kompetenznetz
Angeborene Herzfehler durchgeführt wurde, erhält in Deutschland jeder
achte Patient mit einem angeborenen Herzfehler blutverdünnende und
gerinnungshemmende Präparate, um das Risiko zu verringern, an einer
solchen Komplikation zu erkranken oder gar zu versterben. Allerdings
kann die Einnahme dieser Medikamente zu problematischen Neben- und
Wechselwirkungen führen.
DOAKs auch bei angeborenen Herzfehlern auf dem Vormarsch
Lange Zeit wurde bei angeborenen Herzfehlern überwiegend mit so
genannten Vitamin-K-Antagonisten (VKAs) behandelt. Diese Wirkstoffe,
bekannt etwa unter den Handelsnamen Wafarin® oder Marcumar®, unterbinden
in der Leber die Bildung bestimmter Gerinnungsfaktoren.
- Ihre Anwendung
ist jedoch durch zahlreiche Interaktionen beim Um- und Abbau der
Substanz durch körpereigene Enzyme erschwert.
- Die Präparate erfordern eine regelmäßige Gerinnungskontrolle.
- So stehen die VKAs in Wechselwirkung zu Vitamin K haltigen Lebensmitteln und verschiedenen Medikamenten.
Umso größer waren die Erwartungen an direkte orale Antikoagulanzien
(DOAKs) wie zum Beispiel Eliquis®, Pradaxa®, Lixiana® und Xarelto®.
Die seit 2010 am Markt erhältlichen antithrombotischen Medikamente hemmen anders als die VKAs direkt bestimmte Gerinnungsfaktoren und wirken damit schneller.
Die Notwendigkeit einer regelmäßigen Gerinnungskontrolle
entfällt. Die Wechselwirkungen beschränken sich auf andere Wirkstoffe,
die die Blutgerinnung beeinflussen. Zu den häufigen unerwünschten
Wirkungen zählen auch hier Blutungen.
Weltweit größte Studie mahnt zu Vorsicht
Seit die neuen Antikoalgulanzien zur Verfügung stehen, stieg ihre
Verwendung auch bei angeborenen Herzfehlern stetig an. Schon 2018 lag
laut Studie der Anteil der DOAKs an den bei angeborenen Herzfehlern
verschriebenen Antikoalgulanzien bei 45 Prozent.
- Doch Vorsicht ist geboten. Anerkannte randomisierte kontrollierte Studien haben bislang lediglich die guten Ergebnisse und Eigenschaften der DOAKs im Vergleich zu VKAs bei erworbenen Herz-Kreislauf-Erkrankungen nachgewiesen.
- Die Auswirkungen bei angeborenen Herzfehlern dagegen waren bislang unerforscht.
Auf Basis von anonymisierten Daten der Barmer Krankenversicherung hat
die Forschergruppe um den Kardiologen und EMAH-Spezialisten Paul Gerhard
Diller vom Universitätsklinikum Münster daher die Zusammenhänge der
Therapie mit Gerinnungshemmern und im Langzeitverlauf auftretenden
Komplikationen und Sterbefällen bei rund 44.000 Patientinnen und
Patienten untersucht und die Risiken genauer ermittelt.
- Die in ihrem Umfang weltweit einzigartige Studie belegt, dass die mit der Einnahme von DOAKs verbundenen Risiken bei angeborenen Herzfehlern mit ihren anatomischen und physiologischen Besonderheiten deutlich höher liegen als bei erworbenen Herzerkrankungen.
„Die Einnahme von DOAKs ist mit
größeren Risiken verbunden als bislang angenommen“, sagt Gerhard-Paul
Diller.
Ersehnte Alternative kann zur tödlichen Falle werden
- Bei Patientinnen und Patienten mit angeborenen Herzfehlern, die DOAKs erhielten, sei es bereits im Verlauf der ersten Therapiejahres häufiger zu Gefäßverschlüssen durch Blutgerinnsel, Blutungen, Herzrhythmusstörungen und Herzinsuffizienzen gekommen als bei den Patienten , die mit VKA-Präparaten behandelt worden ist, öfter auch mit tödlichem Ausgang.
- Ein ähnliches Bild zeige sich auch in der Langzeitbeobachtung des Zusammenhangs von Therapieplänen und Diagnosen.
„Dass der Gerinnungsstatus bei den DOAKs nicht überwacht werden muss, führt dazu, dass die Patienten nicht engmaschig genug beobachtet werden“, so Gerhard Paul Diller.
- Vor dem Hintergrund der Studienergebnisse sei gründlich zu prüfen, ob bei Patientinnen und Patienten mit angeborenen Herzfehlern anstelle der lange ersehnten Alternativen nicht eher VKAs in Betracht gezogen werden sollten.
Zudem
sollte auch eine Behandlung mit DOAKs unbedingt durch spezialisierte
Kardiologinnen und Kardiologen an entsprechenden Zentren begleitet
werden.
Die Studie wurde von der EMAH Stiftung Karla Völlm gefördert. Sie ist
Teil des vom Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses G-BA
getragenen Forschungsprojektes OptAHF.
Prof. Dr. Dr. med. Gerhard-Paul Diller
Universitätsklinikum Münster
Klinik für Kardiologie III: Angeborene Herzfehler (EMAH) und Klappenerkrankungen
E-Mail: gerhard.diller@ukmuenster.de
Telefon: +49 251 8346110
Karin Lange Kompetenznetz Angeborene Herzfehler
Augustenburger Platz 1
13353 Berlin
Deutschland
Berlin
Telefon: 030 4593 7277
E-Mail-Adresse: k.lange@kompetenznetz-ahf.de
Originalpublikation:
Die Ergebnisse der Studie im
Rahmen des Forschungsprojektes OptAHF wurden unter dem Titel „Current
use and safety of novel oral anticoagulants in adults with congenital
heart disease:
Results of a nationwide analysis including more than 44,000 patients“ im European Heart Journal veröffentlicht.
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/33184662/
Weitere Informationen für international Medizin am Abend Berlin Beteiligte
http://Mehr zum vom Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses
http://G-BA geförderten Forschungsprojekt OptAHF: https://www.kompetenznetz-ahf.de/forscher/forschung/laufende-studien/optahf-verb...
Keine Kommentare :
Kommentar veröffentlichen