Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Ballaststoffreiche Ernährung als Zusatzbehandlung für Arthritis?
Ballaststoffe haben Einfluss auf die Zusammensetzung der Darmflora.
- Eine gesunde Darmflora stellt größere Mengen an kurzkettigen Fettsäuren her, die sich positiv auf entzündliche Erkrankungen auswirken.
Dieses Protein ist FAU-Forschern zufolge mit dafür verantwortlich, dass der Darm durchlässig für Stoffe wird, die im Körper Autoimmunreaktionen auslösen.
- Sie stellten fest, dass sich die Zonulin-Produktion sowohl durch kurzkettige Fettsäuren als auch durch einen Stoff namens Larazotid-Acetat verringern und die Krankheitsaktivität bei Arthritis damit hinauszögern lassen kann.
Ballaststoffe aus der Nahrung sind kein Ballast – im Gegenteil.
- Die weitgehend unverdaulichen Nahrungsbestandteile sind ein gefundenes Fressen für die Darmbakterien, welche daraus kurzkettige Fettsäuren herstellen.
- Ernähren sich Arthritis-Patienten ballaststoffreich, erhöht sich unter anderem die Zahl der regulatorischen T-Zellen, die Autoimmunreaktionen entgegenwirken – Reaktionen, bei denen sich die Körperabwehr gegen den eigenen Organismus richtet.
Auch das Allgemeinbefinden der Patienten verbessert sich bei ballaststoffreicher Kost, fanden Forschende der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) heraus. Die Ergebnisse haben sie in der Fachzeitschrift Nutrients veröffentlicht*.
- Den Darmbakterien kommt bei der Entstehung von Autoimmunerkrankungen eine nicht unerhebliche Rolle zu.
Diese Mikroorganismen, die bei Erwachsenen gut zwei Kilogramm des Körpergewichts ausmachen, sind darauf angewiesen, gut gefüttert zu werden, damit die Darmflora intakt bleibt.
Das heißt: Sie brauchen Ballaststoffe.
Die heutige Ernährung ist jedoch oft ballaststoffarm, was zu einer gestörten Darmflora führen kann.
- Eine gestörte bakterielle Zusammensetzung im Darm wiederum wird in Zusammenhang mit Autoimmunerkrankungen gebracht.
- Denn dann stellen die Mikroorganismen weniger kurzkettige Fettsäuren her.
- Diese Fettsäuren, zu denen Propionat und Butyrat zählen, kommen zum Beispiel in der Gelenkflüssigkeit vor, tragen zur Funktionsfähigkeit der Gelenke bei und beugen Entzündungen vor**.
Eine weitere Studie des Teams um Prof. Dr. Mario Zaiss, Professur für Immuntoleranz und Autoimmunität der FAU, stützt diese Ergebnisse. Die FAU-Wissenschaftler und –Wissenschaftlerinnen untersuchten, wie sich das Protein Zonulin im Darm hemmen lässt, das Autoimmunerkrankungen Vorschub leistet. Sie stellten dabei unter anderem fest, dass Ernährung und Darmbakterien Einfluss auf die Zonulin-Produktion nehmen. Die Resultate dieser Studie wurden im renommierten Magazin Nature Communications publiziert**.
Von der Symptomfreiheit zur Krankheit
Das Team der FAU um Prof. Dr. Mario Zaiss untersuchte in der Zonulin-Studie, welchen Beitrag die Darmflora zum Prozess von der symptomfreien Autoimmunität hin zur Krankheitsaktivität leistet.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fanden heraus, dass das Darmepithel, also das Deckgewebe – die Ummantelung – des Darms, bei einer gestörten Bakterienbesiedlung des Darms vermehrt Zonulin ausschüttet.
- Zonulin sorgt dafür, dass die sogenannten Tight Junctions – das sind Proteine, die die Zellzwischenräume der Darmummantelung abdichten – durchlässig werden, zum Beispiel für Peptide oder Teile von Bakterien.
Die Bakterienbruchstücke ähneln menschlichen Körperbestandteilen, weshalb, so vermuten die FAU-Forschenden, der Organismus nicht zwischen den Fremdstoffen und eigenen Körperzellen unterscheiden kann.
Er greift die Eindringlinge an und bildet Antikörper, die sich zugleich gegen eigene Körperzellen richten. Die Folge sind autoimmun bedingte Entzündungsreaktionen und zugleich der Startschuss für die Krankheitsaktivität bei Rheumatoider Arthritis.
- Bei einer gesteigerten Zonulin-Konzentration im Darm, so die Studie, erhöht sich auch bei bislang symptomfreien Patienten mit einer Autoimmunität das Risiko für den Ausbruch einer Arthritis innerhalb des Folgejahres.
Durch Biopsien der Dünndarmschleimhaut belegten die FAU-Forschenden, dass sich die Tight Junctions, die Darmbarriere, bei erhöhten Zonulin-Werten veränderte und durchlässiger wurde. Auch eine Durchlässigkeit des Darms für Lactulose wies sowohl bei Mäusen wie bei Menschen auf den Beginn einer aktiven Arthritis hin.
Weniger Zonulin, weniger Beschwerden
Da die Forschenden die positiven Wirkungen der kurzkettigen Fettsäure Butyrat auf die Rheumatoide Arthritis bereits aus ihrer vorhergehenden Studie kannten, verabreichten sie auch in der Zonulin-Studie Mäusen Butyrat.
Es zeigte sich, dass diese Behandlung den Beginn der Arthritis verzögerte, die Zonulin-Konzentration senkte und die intestinale Barriere stärkte.
- Eine noch stärkere Wirkung erzielten sie mit der Gabe von Larazotid-Acetat, einem Stoff, der bereits in klinischen Studien zur Behandlung von Zöliakie, also Glutenunverträglichkeit verwendet wird.
Die Wissenschaftler der FAU gehen davon aus, dass sich auch bei Menschen die Krankheitsaktivität bei Arthritis durch eine Blockade der Zonulin-Produktion mit Larazotid-Acetat verzögern lassen kann.
Da die Substanz bereits in Phase-III-Studien getestet wird, ist ein Einsatz für Rheumatoide Arthritis demnächst unter Umständen ebenfalls möglich.
Mit Ballaststoffen zum Darmgleichgewicht
Außerdem empfiehlt das FAU-Team, die Darmflora durch eine ballaststoffreiche Ernährung ins Gleichgewicht zu bringen, um die Darmbakterien in die Lage zu versetzen, größere Mengen Butyrat herzustellen und die Darmbarriere zu stärken.
Die Forschenden sehen im Verzehr von Ballaststoffen einen zusätzlichen Behandlungsansatz der Rheumatoiden Arthritis und unter Umständen auch anderer Autoimmunerkrankungen.
Studienleiter Prof. Dr. Mario Zaiss:
„Schon Hippokrates hat die Bedeutung der Ernährung für die Gesundheit erkannt und falsche Ernährung als eine der Hauptursachen für die Entstehung von Krankheiten ausgemacht:
‚Eure Nahrungsmittel sollen eure Heilmittel, und eure Heilmittel sollen eure Nahrungsmittel sein.‘
Wenn also Krankheit durch eine fehlerhafte Ernährung ausgelöst werden kann, dann sollten wir uns nochmals eingehend damit beschäftigen und die Zusammenhänge besser erforschen.“
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Prof. Dr. Mario Zaiss
Professur für Immuntoleranz und Autoimmunität
Tel.: 09131/85-43212
mario.zaiss@fau.de
Susanne Langer Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Schlossplatz 4
91054 Erlangen
Deutschland
Bayern
E-Mail-Adresse: susanne.langer@fau.de
Originalpublikation:
*DOI: 10.3390/nu11102392**DOI: 10.1038/s41467-020-15831-7
***DOI: 10.1038/s41467-020-15831-7
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