Medizin am Abend Berlin Fazit: Männer mit gestörtem Zuckerstoffwechsel sollten kohlenhydratreiches Essen am Abend meiden
Wie eine Ernährungsstudie unter Führung des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung (DIfE), einem Partner des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung, zeigt, beeinflusst auch die sogenannte innere Uhr, wie Menschen mit einer Zuckerstoffwechselstörung auf kohlenhydratreiches Essen reagieren.
- So wirkte sich bei Männern mit Prädiabetes der abendliche Verzehr von reichlich stärke- und zuckerhaltigen Lebensmitteln negativ auf die Blutzuckerregulation aus.
- Im Vergleich dazu spielte bei gesunden Studienteilnehmern der Zeitpunkt der Kohlenhydrataufnahme keine wesentliche Rolle für die Blutzuckerregulation.
Seit Langem ist bekannt, dass die sogenannte innere Uhr eine Rolle für die Regulation von Stoffwechselprozessen spielt und auch der Zuckerstoffwechsel einer bestimmten Tagesrhythmik unterliegt.
Zudem weisen neuere Studien an Nagern darauf hin, dass die innere Uhr auch beeinflusst, wie der Stoffwechsel auf die Zufuhr von Kohlenhydraten oder Fetten reagiert und dass bestimmte Zeitfenster für den Verzehr einer kohlenhydratreichen oder fettreichen Kost aus gesundheitlicher Sicht besser geeignet sind als andere.
Ebenso kamen Beobachtungsstudien am Menschen zu dem Ergebnis, dass Personen, die morgens kohlenhydratreich, aber fettarm essen, ein vermindertes Risiko für Typ-2-Diabetes oder das metabolische Syndrom besitzen.
Letzteres ist durch Symptome wie übermäßige Fetteinlagerungen im Bauchraum, Bluthochdruck sowie einen gestörten Zucker- und Fettstoffwechsel charakterisiert. Das genaue Zusammenspiel zwischen der Ernährungsweise und der tagesrhythmischen Regulation des Zuckerstoffwechsels ist jedoch noch nicht hinreichend erforscht.
Um mehr über die physiologischen Mechanismen zu erfahren, die diesem Zusammenspiel zugrunde liegen, führten die Wissenschaftler am DIfE eine Ernährungsstudie an insgesamt 29 Männern durch. Sie waren im Schnitt etwa 46 Jahre alt und hatten einen durchschnittlichen Body-Mass-Index von 27, das heißt, sie waren normal- bis stark übergewichtig. Bei 11 Personen stellten die Wissenschaftler zu Beginn der Studie eine Zuckerstoffwechselstörung fest. Das bedeutet, die Teilnehmer hatten bereits erhöhte Nüchtern-Blutzuckerwerte oder ihre Blutzuckerwerte sanken nach einem Zuckerbelastungstest deutlich langsamer ab als normal. Bei den restlichen 18 Studienteilnehmern war die Blutzuckerregulation dagegen nicht gestört, ihre Glukosetoleranz war also normal.
Während der Studie mussten die Studienteilnehmer für jeweils vier Wochen zwei unterschiedliche Diäten A und B* einhalten. Beide Diäten lieferten dieselbe Menge an Kalorien, Kohlenhydraten, Fetten und Eiweiß, jedoch unterschieden sie sich darin, zu welcher Tageszeit die Teilnehmer vorwiegend Kohlenhydrate oder Fette verzehrten. So aßen Studienteilnehmer nach Diätplan A von morgens bis 13:30 Uhr kohlenhydratbetont und von 16:30 bis 22:00 Uhr fettbetont. Nach Diätplan B verzehrten sie vormittags fettreiche und nachmittags und abends kohlenhydratreiche Speisen. Begleitend zu den jeweiligen Ernährungsumstellungen untersuchten die Wissenschaftler verschiedene Stoffwechselwerte der Studienteilnehmer.
„Wie unsere Studie zeigt, ist es zumindest für Männer mit einer Zuckerstoffwechselstörung relevant, zu welcher Tageszeit sie eine kohlenhydratreiche Mahlzeit verzehren.
Verglichen wir die nach den beiden Diäten gemessenen Blutzuckerwerte, so lagen ihre Blutzuckerspiegel nach Diät B um durchschnittlich 7,9 Prozent höher als nach Diät A, bei der die Teilnehmer abends fettbetont aßen.
Interessanterweise konnten wir diesen Effekt bei den gesunden Männern nicht beobachten, obwohl wir generell sowohl bei den gesunden als auch den vorbelasteten Personen eine Abnahme der Glukosetoleranz im Tagesverlauf feststellten. Diese fiel bei Letzteren allerdings deutlich stärker aus“, sagt Erstautorin Keßler. Des Weiteren beobachteten die Forscher bei den vorbelasteten Männern eine veränderte Sekretion der Darmhormone Glucagon-like peptide-1 (GLP-1)** und Peptid YY (PYY)***, die zur Regulation des Zuckerstoffwechsels bzw. des Körpergewichts beitragen und deren Ausschüttung einer bestimmten Tagesrhythmik unterliegt.
- So sanken bei vorbelasteten Personen parallel zur deutlich ausgeprägten, nachmittäglichen Abnahme der Glukosetoleranz die Blutspiegel der beiden Hormone wesentlich stärker ab als bei gesunden Studienteilnehmern.
- Daher empfehlen Diabetologin Rudovich und Wissenschaftlerin Pivovarova insbesondere Menschen, die bereits unter einer Störung des Zuckerstoffwechsels leiden, sich nach ihrer inneren Uhr zu richten und am Abend kohlenhydratreiche Mahlzeiten zu meiden.
Hintergrundinformationen:
An der Untersuchung nahmen nur Männer teil, da die Untersuchung zirkadianer Rhythmen bei Frauen auf Grund des Menstruationszyklus erheblich erschwert ist.
* Bei beiden Diäten A und B lag der Gesamtanteil der Kohlenhydrate an der Energiezufuhr bei 50 Prozent, der der Fette bei 35 Prozent und der des Eiweiß bei 15 Prozent, was einer ausgewogenen Ernährung entspricht. In dem Zeitfenster, in dem verstärkt Kohlenhydrate verzehrt werden sollten, d. h. in der kohlenhydratreichen Diätphase, lag der Anteil der Kohlenhydrate an der Energiezufuhr bei 65 Prozent, der der Fette bei 20 Prozent und der des Eiweiß bei 15 Prozent. Dagegen lag in der fettbetonten Diätphase der Anteil der Kohlenhydrate an der Energiezufuhr bei 35 Prozent, der der Fette bei 50 Prozent und der des Eiweiß bei 15 Prozent. Jeweils 50 Prozent der täglich aufgenommenen Kalorien entfiel auf die kohlenhydrat- bzw. die fettreiche Phase.
** Glucagon-like peptide-1 (GLP-1): Im Darm setzen sogenannte L-Zellen GLP-1 frei, nachdem sie durch Kohlenhydrate (z. B. Zucker), Eiweiße oder Fette stimuliert wurden. Das Peptidhormon hat eine Halbwertszeit von weniger als zwei Minuten, stimuliert die Insulinfreisetzung und hemmt gleichzeitig die Ausschüttung des hormonellen Insulingegenspielers Glucagon. Beides führt dazu, dass der Blutzuckerspiegel sinkt. Zudem weisen Untersuchungen darauf hin, dass es die Insulinempfindlichkeit der Beta-Zellen in der Bauchspeicheldrüse wiederherstellt und gleichzeitig ihrem Absterben entgegenwirkt. Darüber hinaus verzögert es die Aufnahme von Kohlenhydraten aus dem Darm und wirkt sättigend (Quelle: Wikipedia).
*** Peptid YY (PYY) wird nach dem Essen von bestimmten Zellen der Darmschleimhaut ins Blut abgegeben. PYY hemmt die Magenentleerung, die exokrine Pankreassekretion sowie die Magensekretion. Hierdurch wird die Entleerung von fetthaltiger Nahrung in den Dünndarm verzögert und so eine bessere Verdauung ermöglicht. PYY beeinflusst ebenfalls sehr stark das Appetit- und Sättigungsgefühl und führt hierüber zu einer reduzierten Nahrungsaufnahme (Quelle: Wikipedia).
Das Deutsche Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE) ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Es erforscht die Ursachen ernährungsassoziierter Erkrankungen, um neue Strategien für Prävention, Therapie und Ernährungsempfehlungen zu entwickeln. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören die Ursachen und Folgen des metabolischen Syndroms, einer Kombination aus Adipositas (Fettsucht), Hypertonie (Bluthochdruck), Insulinresistenz und Fettstoffwechselstörung, die Rolle der Ernährung für ein gesundes Altern sowie die biologischen Grundlagen von Nahrungsauswahl und Ernährungsverhalten. Das DIfE ist zudem ein Partner des 2009 vom BMBF geförderten Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD; https://www.dzd-ev.de/).
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