Medizin am Abend Berlin Fazit: Unterschiede bei Herzinfarkt von Männern und Frauen finden sich nicht auf dem X-Chromosom wieder
Herzinfarkte verlaufen bei Männern und Frauen anders. Frauen erkranken später, sterben aber öfter daran, Männer sind insgesamt häufiger betroffen. Auf das X-Chromosom sind diese und weitere Unterschiede nicht zurückzuführen. Das fand ein internationales Konsortium unter Leitung von Lübecker Forscherinnen in der weltweit größten Untersuchung des X-Chromosoms auf Faktoren für koronare Herzkrankheit und Herzinfarkt heraus. Sie berichten darüber in „Scientific Reports“.
Prof. Inke R. König (Foto: Universität zu Lübeck)
Das Konsortium CARDIoGRAMplusC4D hat erstmalig das menschliche X-Chromosom nach genetischen Faktoren untersucht, die einen Einfluss auf die koronare Herzkrankheit und den Herzinfarkt haben könnten. Es war die erste Untersuchung überhaupt, die auf dem X-Chromosom nach Auslösern für große Volkskrankheiten fahndete.
Prof. Inke R. König und Dr. Christina Loley vom Institut für Medizinische Biometrie und Statistik an der Universität zu Lübeck sowie Prof. Jeanette Erdmann vom Institut für Integrative und Experimentelle Genomik an der Universität zu Lübeck leiteten die Studie, die 100.000 Personen umfasste. Es waren mehr als 80 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus 14 verschiedenen Ländern beteiligt. Finanziert wurde die Studie maßgeblich vom Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen des e:Med Programmes (e:AtheroSysMed).
Das menschliche Genom besteht aus 22 sogenannten Autosomen sowie den beiden Geschlechtschromosomen X und Y. Männer tragen jeweils ein X- und ein Y-Chromosom, Frauen hingegen zwei X-Chromosomen.
- Im Gegensatz zum Y-Chromosom, welches nur sehr wenige Gene trägt, liegen auf dem X-Chromosom rund 2000 Gene.
„Genomweite Assoziationsstudien (GWAS) haben in den vergangenen 10 Jahren wesentlich zum Verständnis der Genetik der koronaren Herzkrankheit und des Herzinfarktes beigetragen. In diesen Studien wurde das X-Chromosom jedoch immer ausgelassen“, sagt Jeanette Erdmann.
Dies ist vor allem methodisch bedingt: Für Analysen des X-Chromosoms müssen Männer und Frauen getrennt behandelt werden und es sind spezielle an das X-Chromosom angepasste Auswertungen notwendig. Für ihre aktuelle Studie haben die Forscherinnen nun eine neue Auswertepipeline für die Analyse des X-Chromosoms entwickelt und diese dann an dem weltweit größten Datensatz von Herzinfarktpatienten und gesunden Kontrollpersonen angewendet.
Überraschenderweise konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Konsortiums keine Genregion auf dem X-Chromosom identifizieren, die mit dem Erkrankungsrisiko in Zusammenhang steht. Jeanette Erdmann: „Das Ergebnis dieser Studie hat uns alle erstaunt, denn seit vielen Jahren ist bekannt, dass kardiovaskuläre Erkrankungen bei Männern und Frauen unterschiedlich früh und unterschiedlich schwer auftreten. Für diese Unterschiede hat man auch die Geschlechtschromosomen verantwortlich gemacht.“ Die Studie lege daher nahe, dass andere Faktoren wie etwa Hormone, Ernährung oder Lifestyle für die Unterschiede verantwortlich sein müssen.
Inke König ergänzt: „Aufgrund der einmaligen Größe unserer Studie können wir ziemlich sicher ausschließen, dass wir relevante Zusammenhänge übersehen haben. Darum werden wir jetzt verstärkt nach anderen Faktoren suchen, die die Unterschiede zwischen Frauen und Männern beim Herzinfarkt erklären können. Dies ist ein wichtiger Schritt, um geschlechtsspezifische Vorsorge oder sogar Therapiestrategien entwickeln zu können.“
Link zur Originalarbeit: http://www.nature.com/articles/srep35278
No Association of Coronary Artery Disease with X-Chromosomal Variants in Comprehensive International Meta-Analysis. Scientific Reports (2016), Christina Loley et. al.
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Institut für Integrative und Experimentelle Genomik (IIEG)
Prof. Dr. Jeanette Erdmann, jeanette.erdmann(at)iieg.uni-luebeck.de
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Institut für Medizinische Biometrie und Statistik
Prof. Inke R. König, inke.koenig(at)imbs.uni-luebeck.de
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Prof. Jeanette Erdmann
(Foto: Universität zu Lübeck)
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