Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Einige Krebszellen sind vielleicht weniger unsterblich als ursprünglich gedacht
Untersuchungen bei Bäckerhefe liefern Hinweise auf mögliche Angriffspunkte für die Bekämpfung von Krebszellen
Forschende der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) und des Instituts für Molekularbiologie (IMB) in Mainz haben möglicherweise neue Erkenntnisse darüber gewonnen, wie Krebszellen die Enden ihrer Chromosomen, die sogenannten Telomere, regulieren.
Bestimmte Krebsarten nutzen eine spezifische Art der Telomerregulierung, genannt ALT.
Bisher wurde angenommen, dass ALT den Krebszellen ermöglicht, unsterblich zu werden.
Prof. Dr. Brian Luke und seine Gruppe fanden jedoch heraus, dass diese Zellen eine Seneszenz durchlaufen können.
Das würde bedeuten, dass sie für Medikamente anfällig sind, die seneszente Zellen abtöten.
Diese Erkenntnis könnte den Weg für neue Therapien ebnen, die das Wachstum von ALT-Krebszellen verlangsamen oder stoppen.
Die Bäume stellen die Telomere dar, die sanften Hügel die Seneszenzkurven: Am unteren Ende der ersten Kurve erreichen die Zellen einen Tiefpunkt ihrer Vermehrung, erholen sich jedoch und bilden Überlebenskünstler (ALT). Abb./©: AG Brian Luke
Krebs ist nach wie vor eine der häufigsten Todesursachen und gehört zu
den am schwersten zu behandelnden Krankheiten.
Die Hauptursache aller Krebsarten ist das unkontrollierte Wachstum von Krebszellen, die sich schnell vermehren, bis sie große Tumoren bilden, die sich im ganzen Körper ausbreiten und Krankheit oder sogar Tod verursachen.
- Der Grund, warum Krebszellen so schnell wachsen, liegt zum Teil in ihrer Fähigkeit, die Enden ihrer DNA, die Telomere, zu verlängern.
- Wenn sich normale, gesunde Zellen teilen, werden die Enden ihrer Chromosomen bei jeder Teilung kürzer.
- Schließlich werden sie so kurz, dass die Zelle merkt, dass es ein Problem gibt, und ihre Teilung einstellt.
- Diese Unterbrechung der Zellteilung wird als replikative Seneszenz bezeichnet und ist ein wichtiger Sicherheitsmechanismus, der verhindert, dass Zellen bösartig werden.
Krebszellen umgehen Sicherheitsmechanismus
- Krebszellen finden jedoch Wege, diesen Mechanismus zu umgehen, indem sie ihre Telomere verlängern und so verhindern, dass sie kurz werden.
- Dadurch können sie sich weiter teilen und vermehren – und werden praktisch unsterblich.
Die meisten Krebsarten aktivieren dazu einen Faktor namens Telomerase, der mehr telomerische DNA an die Enden der Chromosomen anhängt.
Etwa 15 Prozent der Krebsarten aktivieren einen alternativen Mechanismus – abgekürzt ALT für Alternative Lengthening of Telomeres.
Hierbei verwendet die Zelle ihre eigenen Telomere als
Vorlage, um mehr Kopien der telomerischen DNA herzustellen.
Bisher ging die Wissenschaft davon aus, dass ALT Krebszellen unsterblich
macht – dass sie ewig wachsen und sich teilen können. Das Labor von
Brian Luke hat nun in seiner jüngsten Studie herausgefunden, dass dies
nicht der Fall ist. Um zu untersuchen, wie ALT funktioniert, verwendet
die Arbeitsgruppe Bäckerhefe. „Unter bestimmten Bedingungen können
Hefezellen ihre Telomere auf fast identische Weise wie ALT-Krebszellen
verlängern. Wir nennen sie ALT-Hefe", erklärt der Biochemiker Brian
Luke. Stefano Misino, ein ehemaliger Doktorand in Lukes Labor, sagt:
„Wir entdeckten, dass ALT-Hefen nur dann unsterblich erscheinen, wenn
wir sie als gemischte Population von Zellen mit unterschiedlichen
Telomerlängen züchten. Als wir jedoch ALT-Hefezellen isolierten und
einzeln züchteten, konnten wir deutlich sehen, dass sie nach mehreren
Zellteilungen immer langsamer wuchsen.“ Es zeigte sich, dass die
Telomere in diesen einzelnen ALT-Hefezellen mit der Zeit ebenfalls
kürzer wurden.
Dies deutet darauf hin, dass Zellen, die ihre Telomere mit ALT erhalten,
immer noch eine replikative Seneszenz durchlaufen und möglicherweise
nicht unsterblich sind. Dies ist ein spannendes Ergebnis, denn wenn
ALT-Krebszellen tatsächlich einer Seneszenz unterliegen, könnten sie mit
neuen Medikamenten behandelt werden, die gezielt seneszente Zellen
abtöten.
Darüber hinaus fanden Luke und sein Team heraus, dass ein RNA-Molekül
namens TERRA, das an den Telomeren gebildet wird, die Geschwindigkeit
der Seneszenz in ALT-Hefezellen steuern kann und offenbar beeinflusst,
wie schnell sich die Telomere verkürzen. Der Wissenschaftler ist
zuversichtlich, dass diese neuen Erkenntnisse den Weg für neue
Strategien zur Behandlung von Krebserkrankungen ebnen werden. „Wenn wir
einen Weg finden, die RNA zu manipulieren, könnten wir die Rate der
Seneszenz in diesen ALT-Zellen erhöhen, um ihr Wachstum zu verlangsamen
oder sogar zu stoppen.“
Brian Luke ist Professor an der Universität Mainz und stellvertretender
wissenschaftlicher Direktor am Institut für Molekulare Biologie. Die
neue Arbeit wurde in der Fachzeitschrift Nucleic Acids Research
veröffentlicht.
Über das Institut für Molekulare Biologie gGmbH
Das Institut für Molekulare Biologie gGmbH (IMB) ist ein
Exzellenzzentrum der Lebenswissenschaften, das 2011 auf dem Campus der
Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) eröffnet wurde. Die Forschung
am IMB konzentriert sich auf drei aktuelle Gebiete: Epigenetik,
Entwicklungsbiologie und Genomstabilität. Das Institut ist ein
Paradebeispiel für eine erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen einer
privaten Stiftung und öffentlichen Einrichtungen: Die Boehringer
Ingelheim Stiftung (BIS) hat sich verpflichtet, die Grundfinanzierung
des IMB von 2009 bis 2027 mit insgesamt 154 Millionen Euro zu fördern.
Das moderne Forschungsgebäude wurde mit 50 Millionen Euro durch das Land
Rheinland-Pfalz finanziert. Von Herbst 2020 bis Mitte 2027 stellt das
Land 52 Millionen Euro zur Grundfinanzierung des IMB bereit. Weitere
Informationen zum IMB finden Sie unter https://www.imb.de/.
Weiterführende Links:
https://www.imb.de/ - Institut für Molekulare Biologie (IMB)
https://idn.biologie.uni-mainz.de/ - Institut für Entwicklungsbiologie und Neurobiologie (IDN)
Prof. Dr. Brian Luke
Chromosomenbiologie
Institut für Entwicklungsbiologie und Neurobiologie (IDN)
Johannes Gutenberg-Universität Mainz und
Institut für Molekulare Biologie (IMB)
55099 Mainz
Tel. +49 6131 39-21465
E-Mail: b.luke@imb-mainz.de
https://www.imb.de/research/luke/research
Petra Giegerich Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Forum universitatis 3
55128 Mainz
Deutschland
Fax: 06131 39-24139
E-Mail-Adresse: idw@uni-mainz.de
Originalpublikation:
Stefano Misino et al.
TERRA increases at short telomeres in yeast survivors and regulates survivor associated senescence (SAS)
Nucleic Acids Research, 14. Dezember 2022
DOI: 10.1093/nar/gkac1125
https://academic.oup.com/nar/advance-article/doi/10.1093/nar/gkac1125/6885047?se...
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