Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Bauchspeicheldrüsenkrebs: Neue Erkenntnisse zu Entstehung und Klassifizierung in Subtypen
Bauchspeicheldrüsenkrebs ist eine der tödlichsten Tumorarten.
Die Krankheit wird oft erst in lokal fortgeschrittenen oder metastasierten Tumorstadien entdeckt, wenn ein chirurgischer Eingriff zu spät kommt.
Forschende um Dr. Ivonne Regel vom LMU Klinikum in München konnten nun wichtige neue Erkenntnisse zu den Ursachen der Tumorentstehung gewinnen.
Zudem gelang es ihnen, verschiedene Tumorsubtypen, basierend auf Unterschieden in ihren Stoffwechselprogrammen zu definieren.
Gefördert von der Wilhelm Sander-Stiftung leisten sie damit einen bedeutenden Beitrag für die Früherkennung und für die individualisierte Medizin, um die Heilungschancen von Bauchspeicheldrüsenkrebspatienten zu verbessern.
Das duktale Adenokarzinom der Bauchspeicheldrüse, auch Pankreaskarzinom genannt, ist eine relativ seltene, jedoch besonders bösartige Erkrankung.
Sie stellt die vierthäufigste Ursache für
krebsbedingte Todesfälle in der Europäischen Union dar und nur ca. 10
Prozent der Patienten überleben die ersten fünf Jahre nach ihrer
Diagnose. Das liegt an dem aggressiven Wachstum und einer späten
Diagnose des Tumors. Bauchspeicheldrüsenkrebs äußert sich oft erst dann,
wenn bereits andere Organe betroffen sind und Metastasen vorliegen. Um
die Heilungschance von Bauchspeicheldrüsenkrebspatienten zu verbessern,
ist es von großer Dringlichkeit neue Biomarker für die Früherkennung zu
finden. Ein weiterer wesentlicher Schritt besteht darin,
Tumor-spezifische Signalwege zu identifizieren, die den aggressiven
Krankheitsverlauf verursachen um damit neue Angriffspunkte für
Therapieansätze zu ermitteln.
TLR3/IRF3/IRF7-Signalweg entscheidend für die Pankreaskarzinomentwicklung
- Die Entwicklung eines Pankreaskarzinoms ist ein dynamischer Prozess, der mit einer Gewebeschädigung und Entzündungsreaktion in der Bauchspeicheldrüse einhergeht.
- Bei einer Bauchspeicheldrüsenentzündung (Pankreatitis) besitzt das Organ einen Selbstheilungsmechanismus.
- Normale Pankreaszellen können sich teilen um geschädigtes Gewebe zu ersetzen.
Die Moleküle, die bei entzündlichen und gewebeschädigenden Prozessen freigesetzt werden, werden von Zellrezeptoren erkannt und leiten so Signale weiter, die das Zellüberleben und die Zellteilung fördern.
Dies kann jedoch bei Pankreaszellen zur Entartung der Zellen beitragen und die Entstehung eines Pankreaskarzinoms begünstigen.
Forschende unter der Leitung von Dr. Ivonne Regel konnten erstmalig
aufzeigen, dass der TLR3/IRF3/IRF7-Signalweg bei Entzündungsreaktionen
nicht nur in Immunzellen eine wichtige Rolle spielt, sondern auch in
Pankreaszellen von Vorläuferläsionen und Tumorzellen aktiv ist. Diese
Aktivierung des TLR3/IRF3/IRF7-Signalwegs hat eine wichtige Funktion bei
der Pankreaskarzinomentwicklung.
Genetisch-veränderte Mäuse, die keinen funktionsfähigen
TLR3/IRF3/IRF7-Signalweg besitzen, können keine Pankreaskarzinome
entwickeln (siehe Abbildung). Ebenso wurde der TLR3/IRF3/IRF7-Signalweg
in Pankreastumorzellen mit Hilfe der Genschere CRISPR/Cas9 genetisch
ausgeschaltet. Diese genetisch modifizierten Tumorzellen wiesen ein
deutlich geringeres aggressives Verhalten in Zellkulturexperimenten auf
und zeigten auch im Tiermodell eine stark verringerte Metastasenbildung.
Dazu Ivonne Regel: „Erstmalig konnten wir belegen, dass ein aktiver
TLR3/IRF3/IRF7-Signalweg in den Pankreaszellen zur Entstehung von
Bauchspeicheldrüsenkrebs beiträgt und auch die Bildung von Metastasen
unterstützt.“ Eine Tumorzell-spezifische Hemmung des
TLR3/IRF3/IRF7-Signalwegs könnte ein möglicher neuer Therapieansatz
sein.
Das Team von Dr. Regel hat eine weitere spannende Entdeckung gemacht: In
den Pankreastumorzellen reguliert der TLR3/IRF3/IRF7-Signalweg
überraschenderweise nicht die bekannten Zielgene, stattdessen wurde ein
Hinweis auf epigenetische Veränderungen gefunden. Dies sind regulierende
Modifikationen an der DNA und den Packungsproteinen (Histone), welche
die Aktivität von Genen beeinflussen. So deuten die aktuellen
Forschungsergebnisse darauf hin, dass die Aktivierung des
TLR3/IRF3/IRF7-Signalwegs in den Tumorzellen dazu führt, dass
spezifische tumorfördernde Gene in hohem Maße abgelesen werden. Diese
Gene regulieren vorrangig den Stoffwechsel der Tumorzellen. Dies ist
insbesondere von Bedeutung, da Stoffwechselprodukte von Tumorzellen im
Blut von Patienten zu finden sind und als Biomarker verwendet werden
können. „Meinem Team und mir ist es gelungen, verschiedene Subtypen von
Pankreaskarzinomen aus dem Blut von Krebspatienten zu identifizieren,
die auf Unterschieden in ihren Stoffwechselprogrammen basieren“ so Dr.
Regel. „In weiteren Untersuchungen wollen wir jetzt herausfinden,
inwieweit die Entstehung von Pankreaskarzinom-Subtypen über den
TLR3/IRF3/IRF7-Signalweg reguliert wird.“
* Die in diesem Text verwendeten Genderbegriffe vertreten alle Geschlechtsformen.
Dr. rer. biol. hum. Ivonne Regel
LMU Klinikum München
Medizinische Klinik und Poliklinik II
Marchioninistraße 15
81377 München
Tel. +49 89 4400 73178
Fax +49 89 4400 78856
ivonne.regel@med.uni-muenchen.de
Konstanze Adam Wilhelm Sander-Stiftung
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Bernhard Knappe
Vorstand
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Telefon: 089 / 544187-18
E-Mail-Adresse: adam@sanst.de
Originalpublikation:
1. Mahajan UM, Alnatsha A, Li Q,
Oehrle B, Weiss FU, Sendler M, Distler M, Uhl W, Fahlbusch T, Goni E,
Beyer G, Chromik A, Bahra M, Klein F, Pilarsky C, Grützmann R, Lerch MM,
Lauber K, Christiansen N, Kamlage B, Regel I, Mayerle J. Plasma
Metabolome Profiling Identifies Metabolic Subtypes of Pancreatic Ductal
Adenocarcinoma. Cells. 2021 Jul 19;10(7):1821.
https://doi.org/10.3390/cells10071821.
2. https://doi.org/10.3390/cancers12113234.
3. https://doi.org/10.3390/cancers12041024.
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