Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: „Bedeutung des perioperativen Infarkts nach Bypass-OP geklärt“
Die Bypass-Operation stellt eine erfolgversprechende Option zur Behandlung verengter Herzkranzgefäße bzw. zur Vorbeugung eines Herzinfarkts dar.
Der chirurgische Eingriff ist aber auch mit dem Risiko eines perioperativen Myokardinfarkts (pMI) verbunden, also einer Komplikation, die während oder infolge der OP auftreten kann.
Ein Innsbrucker Herzchirurgie-Team hat die Diagnose des pMI auf den Prüfstand gestellt und liefert weitreichende Erkenntnisse für herzchirurgische und kardiologische Guidelines und künftige Studien zu diesem Thema.
Bypass-Operation an der Innsbrucker Univ.-Klinik für Herzchirurgie. David Bullock MUI/Bullock
- Ob die Bypass-OP oder die Implantation eines Stents die bessere Lösung für verengte Herzkranzgefäße ist, darüber ist man sich in Fachkreisen nicht immer einig.
„Fest steht, dass der Erfolg einer Koronararterien-Bypass-Operation auch daran gemessen wird, ob die Patientinnen und Patienten während oder wenige Stunden nach dem Eingriff einen Myokardinfarkt erleiden“, weiß der Innsbrucker Herzchirurg Can Gollmann-Tepeköylü.
Um die Qualität der Risikovorhersage für einen Herzinfarkt nach Bypass-OP beurteilen zu können, hat ein Team um Leo Pölzl, Nikolaos Bonaros und Can Gollmann-Tepeköylü an der Univ.-Klinik für Herzchirurgie (Direktor: Michael Grimm) der Medizin Uni Innsbruck gemeinsam mit KollegInnen des Universitätsklinikums Essen die verschiedenen Definitionen eines Mykordinfarkts einer Prüfung unterzogen.
Für die
kürzlich im renommierten Fachjournal European Heart Journal
veröffentlichte Studie wurden Daten von 2.829 PatientInnen, die in
Innsbruck und Essen einer Bypass-Operation unterzogen worden waren,
herangezogen und rückblickend analysiert. So konnte die Inzidenz eines
pMI unter realen Bedingungen überprüft werden.
Erhöhtes Troponin markiert nicht unbedingt Herzinfarkt
Ein Herzinfarkt wird in der Regel durch die Messung des Herzenzyms
Troponin diagnostiziert. Dieser im Blut gemessene Wert erlaubt Hinweise
auf den Untergang von Herzmuskelzellen, wie er infolge eines
Myokardinfarkts eintritt. Doch auch bei einer Herzoperation wird
Herzmuskelgewebe geschädigt. „Wir sehen, dass der Troponin-Wert bei
Patientinnen und Patienten nach einer Bypass-OP massiv erhöht sein kann.
Eine Troponin abhängige Beurteilung allein unter Verwendung derzeitiger
Grenzwerte gibt deshalb nicht mit Sicherheit Aufschluss darüber, ob es
sich um einen Herzinfarkt oder um den Zustand nach einer Bypass-OP
handelt.
Die Diagnose eines perioperativen Infarkts bedarf folglich weiterer Parameter, wie etwa die Feststellung von Wandbewegungsstörungen mittels Echokardio-graphie oder EKG-Veränderungen“, betont Gollmann-Tepeköylü, der in dieser Studie vier verschiedene Infarktdefinitionen analysiert und verglichen hat.
Der Bypass-Operation wird in Fachkreisen ein mitunter höheres Infarkt-Risiko attestiert.
- Zahlreiche Studien, in denen das Outcome von Stent-Implantationen und Bypass-OPs verglichen wird, setzen jedoch perioperative Infarkte als Endpunkt ihrer Studie.
„Die Erkenntnis, dass erhöhtes Troponin allein unter Verwendung derzeit
gängiger Grenzwerte noch keinen Einfluss auf die Prognose hat, sondern
erst genauere Infarktdefinitionen belastbare Rückschlüsse auf einen
perioperativen Myokardinfarkt zulassen, die in der klinischen Praxis zu
raschen Maßnahmen führen, wird sich somit auf die Guidelines zur
Behandlung verengter Koronararterien auswirken“, erwartet Erstautor Leo
Pölzl.
Die Ergebnisse dieser Untersuchung haben somit nicht nur weitreichende
Folgen für herzchirurgische und kardiologische Guidelines, sondern auch
für zukünftige Studiende-signs zu diesem Thema. „Wir beantworten hiermit
eine sehr wichtige Frage in einem wissenschaftlichen Konflikt:
Welche Definitionen der Endpunkte sind geeignet, um prognose-relevante perioperative Myokardinfarkte nach Revaskularisation (Wiederherstellung der Durchblutung, Anm.) zu erfassen?
Diese Frage hat die kardiovaskuläre
Medizin lange Zeit entzweit und dazu geführt, dass die Europäische
Fachgesellschaft ihre Unterstützung für die europäischen Guidelines
zurückgezogen hat“, betont Gollmann-Tepeköylü.
Bypass-Operation:
Bei einer koronaren Herzkrankheit kommt es über Jahrzehnte schleichend
und unbemerkt zu einer Verengung der Herzkranzgefäße (Stenose), die das
Herz mit Blut versorgen. Sind mehrere Gefäße in Mitleidenschaft
gezogen oder sind sie diffus und lang-streckig erkrankt, wird zu einer
Bypass-Operation (Bypass bedeutet Umgehung) geraten.
Dabei werden Stenosen mit Arterien oder Venen aus dem Körper überbrückt.
Gesunde Gefäße werden nach den Engstellen auf die Herzkranzgefäße aufgenäht, so dass das Blut ungehindert zum Herzen fließen kann.
Die Studienautoren Nikolaos Bonaros (2.v.l.) und Can Gollmann-Tepeköylü (2.v.r.)bei der Durchführung einer Bypass-OP David Bullock MUI/Bullock
Zur Person:
Der gebürtige Burgenländer Can Gollmann-Tepeköylü absolvierte sein
Medizin-Studium in Wien.
Für sein Doktoratsstudium im Programm „Molecular cell biology” wechselte er an die Medizinische Universität Innsbruck, wo er an der Univ.-Klinik für Herzchirurgie bereits seit mehreren Jahren an der Regeneration des Herzmuskels forscht. Für seine herausragenden, im Rahmen seiner Habilitation zusammengeführten Erkenntnisse auf diesem Gebiet wurde er mit dem Förderungspreis für 2020 des Kardinal-Innitzer-Studienfonds ausgezeichnet.
Doris Heidegger Medizinische Universität Innsbruck
Innrain 52
6020 Innsbruck
Österreich
Tirol
E-Mail-Adresse: doris.heidegger@i-med.ac.at
Originalpublikation:
https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehac054
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