Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Geburtshilfe: Hebammengeleitete Geburten in der Klinik bewähren sich
Eine jüngst publizierte Studie analysiert die Hebammengeleiteten Geburten an der Frauenklinik des Inselspitals von 2006 bis 2019:
- Das Team von Prof. Daniel Surbek zeigt, dass die Hebammengeburt bei Schwangerschaften mit niedrigem Risiko eine sichere Option ist.
Hebammengeburt in der Klinik: Manuelle Lagekontrolle des Kindes. Tanja Lässer Insel Gruppe
Ein Kind kommt zur Welt: Das Ereignis des Gebärens ist für werdende
Eltern tiefgreifend, feierlich, mit Hoffnungen, Ängsten und Freuden
verbunden. Eine wachsende Zahl von schwangeren Frauen sieht in der
Hebammengeburt eine Chance, den besonderen Moment einer Geburt aktiv mit
zu gestalten. Als Hebammengeburt wird eine Geburt bezeichnet, die von
einer Hebamme geleitet wird und ohne ärztliche Anwesenheit abläuft.
Daher spricht man von hebammengeleiteter Geburt, im Gegensatz zu der
üblichen Geburtsbetreuung bei der sowohl Hebamme wie Ärztin die Geburt
betreuen. Dabei spielt der persönliche, intime Rahmen und ein möglichst
weitgehender Verzicht auf medizinische Interventionen eine wichtige
Rolle. Bei einer Hebammengeburt in der Klinik kann zugleich dem
Bedürfnis der Gebärenden entsprochen werden, im Falle eines unerwartet
auftretenden Problems, die modernen medizinischen
Versorgungsmöglichkeiten in Anspruch nehmen zu können. In der
vorliegenden Studie wurden Erfahrungen aus über 500 geplanten
Hebammengeburten aus 14 Jahren an der Frauenklinik des Inselspitals
analysiert.
Vorabklärungen wichtig
Nicht jede Geburt kann als Hebammengeburt geplant werden. Sowohl der
Gesundheitszustand und allfällige Vorbelastungen der Mutter, die
Entwicklung des Fetus, wie auch der Verlauf der Schwangerschaft werden
mit definierten Kriterien abgeklärt. Wenn allfällige Risiken
ausgeschlossen sind und die Frau eine Hebammengeburt wünscht, wird diese
entsprechend geplant.
Über die Hälfte der geplanten Hebammengeburten ohne ärztliche Unterstützung
Über die Hälfte aller geplanten Hebammengeburten konnte ohne ärztliche
Unterstützung stattfinden. Bei den anderen Fällen (43%) war ein
ärztlicher Beizug und allenfalls eine medizinische Intervention
notwendig. In den meisten Fällen handelte es sich dabei um einen
ungewöhnlichen Geburtsverlauf, eine Beeinträchtigung des Zustandes des
ungeborenen Kindes, ein Wunsch nach Periduralanästhesie zur
Schmerzlinderung oder allenfalls um eine Notwendigkeit der
medikamentösen Geburtseinleitung. In nur rund 5% der geplanten
Hebammengeburten musste die Entbindung letztendlich per Kaiserschnitt
erfolgen, und lediglich 1% aller Neugeborenen mussten auf der
Intensivpflegeabteilung für Neugeborene betreut werden.
Adäquate Versorgung in der Geburtshilfe
In der öffentlichen Diskussion wird in jüngerer Zeit vermehrt
thematisiert, dass die medizinische Versorgung in der Geburtshilfe
adäquat sein müsse und medizinische Interventionen, wenn möglich
vermieden werden sollten. In diesem Zusammenhang scheint die
Hebammengeleitete Geburt in einer Klinik ein zielführender Weg zu sein.
Die Erstautorin Dr. med. Ann-Katrin Morr, Oberärztin an der
Universitätsklinik für Frauenheilkunde erläutert: «Die Studie liefert
dazu nun Zahlen: In der Schweiz kommen 97 von 100 Kindern in Kliniken
zur Welt. An der Frauenklinik waren während des Beobachtungszeitraums
der Studie von 2006 bis 2019 insgesamt 2.6% der Geburten geplante
Hebammengeburten auf Wunsch der Frauen. Gut die Hälfte davon fand ohne
ärztliche Unterstützung statt. Die Zahl der hebammengeleiteten Geburten
in Kliniken hat demnach ein grosses Potential an unserer Klinik und in
der ganzen Schweiz»
Geringere Kosten bei hebammengeleiteten Geburten in der Klinik?
Prof. Dr. med. Daniel Surbek, Co-Klinikdirektor und Chefarzt der
Universitätsklinik für Frauenheilkunde führt weiter aus: «Die Studie
zeigt, dass die Hebammengeburt bei schwangeren Frauen mit niedrigem
Risiko eine sichere Option ist. Ob die Gesamtkosten geringer sind als
bei der Geburt mit Betreuung durch Hebamme und Ärztin gemeinsam prüfen
wir zur Zeit in einer vertieften ökonomischen Analyse.»
Hebammengeburt in der Klinik: Betreuung während der Entspannung im Wasser. Foto: Tanja Lässer, © Insel Gruppe Tanja Lässer Insel Gruppe
Fazit des Forschungsteams
Das Forschungsteam zieht eine positive Bilanz. Es besteht das Potential,
in der Schweiz diese Art der Geburtsbetreuung zu erweitern und zu
fördern. Die Leitende Hebamme Frau Andrea Messer sagt: «Insbesondere die
Hebammengeburt mit einer Beleghebamme, welche die Frau bereits während
der Schwangerschaft betreut und dann in der Klinik die Entbindung
leitet, erfreut sich bei den schwangeren Frauen zunehmender
Beliebtheit.»
- Dr. med. Ann-Katrin Morr, Oberärztin, Universitätsklinik für Frauenheilkunde, Inselspital, Universitätsspital Bern
- Andrea Messer, Stationsleiterin Geburtsstation, Hebamme,
Universitätsklinik für Frauenheilkunde, Inselspital, Universitätsspital
Bern
- Prof. Dr. med. Daniel Surbek, Co-Klinikdirektor und Chefarzt
Geburtshilfe und feto-maternale Medizin, Universitätsklinik für
Frauenheilkunde, Inselspital, Universitätsspital Bern
Marcel Wyler Universitätsspital Bern
3010 Bern
Schweiz
Bern
Marcel Wyler
Telefon: 0041 31 632 3720
E-Mail-Adresse: marcel.wyler@insel.ch
Originalpublikation:
Morr, AK., Malah, N., Messer,
A.M. et al. Obstetrician involvement in planned midwife-led births: a
cohort study in an obstetric department of a University Hospital in
Switzerland. BMC Pregnancy Childbirth 21, 728 (2021).
https://doi.org/10.1186/s12884-021-04209-2
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