Medizin am Abend Berlin -MaAB-Fazit: Bessere Diagnose von chronischer Niereninsuffizienz - Cystatin C bei risikoarmen Patienten genauer als Kreatinin
Chronische Nierenerkrankungen (chronic kidney disease) gelten als weltweites Gesundheitsproblem und betreffen einen großen Teil der erwachsenen Bevölkerung.
- Die Erkrankung ist häufig Folge von Diabetes oder Bluthochdruck und gilt als eigenständiger Risikofaktor für Herzinfarkt oder Schlaganfall.
In einer Studie haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Ulmer Universitätsmedizin und dem Deutschen Herzzentrum der Technischen Universität München gezeigt, dass eine auf dem Marker Cystatin C-basierende Messmethode unter bestimmten Umständen genauer sein kann, als die bislang verwendete Messung mittels Kreatinin.
Medizin am Abend Berlin ZusatzFachLink: Labor Cystatin C
Veröffentlicht wurde die Arbeit im Fachjournal BMC Medicine.
Herzinfarkt, Schlaganfall und Nierenerkrankungen verstärken sich gegenseitig und erhöhen das Sterblichkeitsrisiko.
Der Serumbiomarker Cystatin C zeigt das Sterblichkeitsrisiko im Vergleich zum herkömmlichen Kreatinin besser an. Grafik: Uni Ulm
Bislang gilt das Stoffwechselprodukt Kreatinin als Hauptmarker für die Nierenfunktion.
- Reichert sich die Substanz, die normalerweise über den Urin ausgeschieden wird, im Blut an, kann eine chronische Nierenerkrankung vorliegen.
Jedoch variiert die Genauigkeit der Messmethode mit dem Alter, dem Geschlecht und der Muskelmasse der Testpersonen.
- Vor allem bei älteren Patientinnen und Patienten ist die Methode mit Einschränkungen verbunden und in den Diagnose-Grenzbereichen einer chronischen Nierenfunktion sehr fehleranfällig.
- Das inzwischen ebenfalls als Marker für die Funktion der Nieren eingesetzte Cystatin C liefert bei jüngeren und Personen ohne weitere Erkrankungen verlässlichere Ergebnisse.
„Die richtige Klassifizierung –
Niereninsuffizienz ja oder nein – ist vor allem beim Screening dieser
Bevölkerungsgruppen von Bedeutung, um weniger falsch positiv
klassifizierte Personen zu erhalten“, so Professor Dietrich
Rothenbacher, der das Institut für Epidemiologie und Medizinische
Biometrie der Uni Ulm leitet. Falsch positive getestete Personen
erhalten eine Diagnose zu Unrecht und müssen dann oft unnötig weiter
medizinisch abgeklärt werden.
Für die Studie wurden die Daten von insgesamt 80 000 Teilnehmerinnen und
Teilnehmern aus 23 europäischen Kohorten ausgewertet. „Insbesondere die
lange Nachbeobachtungzeit von bis zu 20 Jahren liefert besonders
verlässliche Ergebnisse“, so Professor Wolfgang Koenig, Oberarzt und
Leiter der „Cardiometabolic Unit“ am Deutschen Herzzentrum München, der
lange am Universitätsklinik Ulm tätig war. So konnten die Forschenden
außerdem zeigen, dass eine chronische Niereninsuffizienz ein wichtiger
Risikofaktor für weitere Herz-Kreislauf-Erkrankungen und somit für einen
frühen Tod ist.
„Das Risiko dieser Patientinnen und Patienten für
Herz-Kreislauf-Komplikationen ist vergleichbar mit dem Risiko eines
Betroffenen, der bereits einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall
durchgemacht hat“, erläutert Professor Rothenbacher. Rothenbacher und
Koenig waren die Ersten, die bereits im Jahr 2005 auf die Vorteile von
Cystatin C bei der Diagnose von Nierenerkrankungen hingewiesen, und im
Jahr 2013 an einem Artikel mit hauptsächlich US-amerikanischen Kohorten
mitgearbeitet hatten. Nun konnten sie diese Ergebnisse auch in
europäischen Studienpopulationen, in denen genügend Personen mit
Diabetes und mit höherem Alter vertreten waren, bestätigen.
- Zudem fanden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler heraus, dass der Schwellenwert von 60 ml/min/1,73 m2, ab dem von einer konventionellen Niereninsuffizienz gesprochen werden kann, auch für Betroffene über 65 Jahre gilt.
- Dieser Wert wurde in letzter Zeit immer wieder in Frage gestellt.
Die Arbeit entstand im Rahmen des „Biomarker for Cardiovascular Risk
Assessment across Europe“ (BiomarCaRE) Konsortiums unter der
Koordination von Professor Stefan Blankenberg (Universitätsklinikum
Hamburg-Eppendorf), an dem 24 europäische Universitäten und
Forschungseinrichtungen beteiligt sind. Finanziert wird BiomarCaRE von
der EU (Seventh Framework Programme (FP7/2007-2013)).
Prof. Wolfgang Koenig und Prof. Dietrich Rothenbacher (v.l.) Foto: Universitätsklinikum Ulm/H. Grandel
Helmholtzstraße 16
89081 Ulm
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Baden-Württemberg
Daniela Stang
Telefon: 0731-50-22024
E-Mail-Adresse: daniela.stang@uni-ulm.de
Originalpublikation:
Rothenbacher D, Rehm M, Iacoviello L, Costanzo S, Tunstall-Pedoe H, Belch JJF, Söderberg S, Hultdin J, Salomaa V, Jousilahti P, Linneberg A, Sans S, Padró T, Thorand B, Meisinger C, Kee F, McKnight AJ, Palosaari T, Kuulasmaa K, Waldeyer C, Zeller T, Blankenberg S, Koenig W and on behalf of the BiomarCaRE consortium: Contribution of cystatin C- and creatinine-based definitions of chronic kidney disease to cardiovascular risk assessment in 20 population-based and 3 disease cohorts: the BiomarCaRE project. BMC Med 18, 300 (2020). https://doi.org/10.1186/s12916-020-01776-7
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